Predigt zum Thomas-Sonntag / Antipaskha (Apg. 5: 12-20; Joh. 20: 19-31) (19.04.2015)
Liebe Brüder und Schwestern,
in der österlichen Vesper vor einer Woche lasen wir, wie der Herr am Abend des „ersten Tages der Woche“ (Joh. 20: 19) Seinen versammelten Jüngern in Abwesenheit des Thomas erschien. Heute lesen wir diesen Abschnitt erneut, diesmal aber in erweiterter Form, also einschließlich der Erscheinung des Auferstanden „acht Tage darauf“ (20: 26) – jetzt aber mit Thomas.
Die Auferstehung ist das größte Wunder aller Zeiten. Deshalb wollen wir uns gerade am Beispiel der Auferstehung mit dem Phänomen des Wunders in Gottes Heilsplan befassen. Uns wird vor allem interessieren, ob Sich Gott konkret dieses Mittels bedient, um die Menschen zum Glauben zu führen. Die erste Verkündigung des christlichen Glaubens war ja keine trockene Katechese, sondern die lebendige Verkündigung der Botschaft von der Auferstehung Christi: „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen! Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden“ (Mk. 16: 15b-16). Wenn die Frage der Annahme des Glaubens also von derart schicksalhafter Bedeutung ist, warum hat Sich der auferstandene Christus dann nur wenigen Jüngern gezeigt, und nicht der breiten Öffentlichkeit? Dann wäre doch, so könnte man zumindest meinen, jeder von der Auferstehung überzeugt und würde gerettet werden.
Christus sagt aber in der heutigen Lesung: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ (Joh. 20: 29b). Glauben kann man nur an etwas, was man nicht empirisch wahrnehmen kann. Heißt das also, dass wir „blind“ glauben sollen?..
Manche Menschen sagen, sie würden gerne glauben, wenn sie Zeugen eines überprüfbaren Wunders wären. Andere dagegen, zumeist wohlmeinende Gläubige, führen vor allem die zahlreichen Wunder unserer Zeit als unumstößliche Beweise für die Existenz Gottes an und schreiben Wundern generell eine sinnstiftende Bedeutung für ihren Glauben zu. Aber ist das eine Vorgehensweise, die Gott gerecht wird?..
In der Tat, unser Herr Jesus Christus wirkte unzählige Zeichen (s. Joh. 20: 30-31; 21: 25), die der Stärkung unseres Glaubens dienten (s. Mk. 16: 20;). Niemals versucht der Herr aber Ungläubige durch ein Wunder zum Glauben zu „zwingen“. Für den Gläubigen ist doch alles schon ein Wunder – der Kosmos, die Natur und vor allem der Mensch (s. Ps. 103: 24; 138: 14). Doch das größte Wunder ist die unendliche Liebe Gottes (s. 1. Joh. 4: 7, 8, 16), die sich um unseres Heiles willen den natürlichen Gesetzmäßigkeiten unterordnete und in Knechtsgestalt der Welt erschienen ist. Am Anfang wollte der Versucher den Herrn erfolglos dazu bewegen, die Menschen durch ein spektakuläres Wunder auf Seine Seite zu ziehen (s. Mt. 4: 5-7; Lk. 4: 9-12), auch warteten die Opponenten Jesu vergeblich auf ein Zeichen (s. Mt. 16: 1-4; Mk. 8: 11-13; Lk. 11: 29-32; vgl. auch Joh. 2: 18-22) zum Beweis Seiner „Legitimität“, und ganz zuletzt lehnte der Herr es ab, vom Kreuz zu steigen, um allen Widersachern Seine göttliche Macht zu beweisen (s. Mt. 27: 40-42; Mk. 15: 30-32). Warum?!
- Nur mal angenommen, Er hätte all diese sich bietenden Gelegenheiten „wahrgenommen“, - was hätte Er damit erreicht? - Die einen hätten es für eine Fata Morgana oder für sonst etwas gehalten, die anderen wären Ihm vielleicht in die Wüste oder bis in die Berge gefolgt, um noch weitere Wunder zu sehen, aber beim Anblick Seines größten Wunders – Seiner Erniedrigung aus Liebe zum Menschengeschlecht – hätten Sie Ihn wieder verraten. Mit dem Verstand erkannten doch alle in Ihm den Messias, sogar der Räuber zur Linken (s. Lk. 23: 39), aber mit dem Herzen?.. Das Gegenstück zu dieser Sensationslust waren die einfachen galiläischen Fischer. Dem Petrus wurde durch Christus ein wunderbarer (und lukrativer!) Fang beschert, doch er fiel dem Herrn zu Füßen und sprach: „Herr, geh weg von mir; ich bin ein Sünder“ (Lk. 5: 8b).
Gott will den ungezwungenen Glauben, und der kann nur aus dem Herzen kommen: Wir singen doch: „Die Auferstehung Christi haben wir geschaut“... Gemeint sind die geistlichen Rezeptoren, dank derer man „Augenzeuge“ der Auferstehung sein kann. Denn selbst diejenigen, die mit ihren leiblichen Augen den Auferstandenen erblickten, hätten genausogut auch „sehen, aber nicht erkennen“ können (Mt. 13: 14b; Mk. 4: 12a; Jes. 6: 9b). Als der Herr den elf Jüngern auf dem Berg in Galiläa erschien, hatten einige von ihnen Zweifel (s. Mt. 28: 17b; vgl. Lk. 24: 38). Die zwei zunächst irdisch denkenden Jünger erkannten den Auferstandenen erst in Emmaus, nachdem Er ihnen den Sinn der Schrift erschlossen und ihnen „das Herz in der Brust“ gebrannt hatte (s. Lk. 24: 32, 35). Als Er darauf den übrigen Jüngern erschien, waren diese erst von der Wahrhaftigkeit des Gesehenen überzeugt, als Er ihnen Hände und Füße gezeigt und vor ihren Augen Nahrung zu Sich genommen hatte (s. Lk. 24: 36-53). Maria Magdalena konnte in ihrer weiblichen Emotionalität den Auferstandenen erst dann erkennen, als sie Seine wohlvertraute Stimme gehört hatte (s. Joh. 20: 16). Schließlich sahen Ihn insgesamt sieben Jünger am Ufer des Sees, wobei „keiner von den Jüngern wagte Ihn zu fragen: Wer bist Du? Denn sie wußten, dass es der Herr war“ (Joh. 21: 12b). All das zeigt, dass die jeweiligen Zeugen der Auferstehung diese auch nicht erkannt – oder wie die Hohenpriester (s. Mt. 28: 11-15) – wider besseres Wissen verleugnet hätten haben können. Und von den heutzutage im Herzen Verstockten heißt es ja nicht von ungefähr: „Wenn sie auf Mose und die Propheten nicht hören, werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn einer von den Toten aufersteht“ (Lk. 16: 31).
Und der Apostel Thomas? - Die Kirche lobt ihn sogar für seinen „guten Unglauben“, den wir wohl eher als Zweifel am Verstand bezeichnen würden, denn sein Herz, - und das ist entscheidend, - war bereit zu glauben. Als er nämlich den „geforderten“ rationalen Beweis hatte, sagte er: „Mein Herr und mein Gott!“ (Joh. 20: 28; s. auch 20: 25, 27). Wunder Gottes geschehen nach den Worten Vater Alexander Schmemanns als Folge des Glaubens, aber keinesfalls als Ursache. So hinderte der Unglaube der Menschen den Herrn in Seiner Heimatstadt daran, zahlreiche Wunder zu vollbringen (s. Mt. 13: 58; Mk. 6: 5-6a). Der Evangelist Johannes bringt es auf den Punkt: „Während (Jesus) zum Paschafest in Jerusalem war, kamen viele zum Glauben an Seinen Namen, als sie die Zeichen sahen, die Er tat. Jesus aber vertraute Sich ihnen nicht an, denn Er kannte sie alle und brauchte von keinem ein Zeugnis über den Menschen; denn Er wusste, was im Menschen ist“ (Joh. 2: 23-25).
Falsche Propheten bedienen sich hingegen umso mehr dieses Mittels, indem sie in der Natur vorhandene, aber verborgene (= okkulte) Kräfte benutzen, um leicht zu beeindruckende Menschen durch trügerische Zeichen in die Irre zu führen (s. Mt. 24: 24; Mk. 13: 22; 2. Thess. 2: 9; Offb. 13: 14; 19: 20 u.v.m.).
War es nicht die Masse der unkritisch „Denkenden“, die zu Wegbereitern Lenins, Hitlers oder Maos wurden?! Und heute haben vor allem evangelikale und sog. charismatische Sekten in traditionell christlichen Ländern enormen Zulauf, weil sie kirchenferne Menschen durch „Wunder“ in ihren Bann ziehen. In der Ukraine, wo Schismatiker und Sektierer staatlich gefördert werden, gibt es allein in Kiew bereits über vierzig durch Leichtbauweise errichtete „Kirchen“ eines nigerianischen „Predigers“. Dieser brüstet sich mit seinen Erfolgen: „Erst sagen die Alkoholiker und Drogenabhängigen, die wir heilen wollen, dass sie nicht an Gott glauben. Kein Problem, sage ich. Ihr müsst überhaupt nicht glauben. Doch nachdem sie von ihrer Sucht geheilt sind, werden sie zu gläubigen Menschen“. Man könnte vielleicht meinen: besser ein nüchterner Sektierer, als ein betrunkener Atheist. Aber darum geht es nicht. Der Teufel wird immer wieder Rezepte anbieten, um die Menschen vom Weg des Heils abzubringen, sei es durch Hypnose, durch Kodierung oder sonst noch etwas, was das Bewusstsein des Menschen steuert und ihn zu einem gefügigen Anhänger der falschen Propheten macht. Dabei können auch Suchtkrankheiten nach Gottes „Rezept“ durch „Gebet und Fasten“ (Mt. 17: 21; Mk. 9: 29), basierend auf lebendigem Glauben, geheilt werden. (Freie) Willenskraft und die darauf hin zuteil werdenden Gnade Gottes sind jedoch unabdingbar. - Wozu aber das Ganze, wenn es stattdessen nur einer magischen „Pille“ bedarf, um ab sofort keine Lust mehr auf die Flasche oder die Spritze zu haben?!
Das größte Wunder auf Erden ist ja nach den Worten des hl. Johannes von Kronstadt (+ 1908) die Göttliche Liturgie, während der die Heilige Darbringung erfolgt. Jeder kann sie sehen, wie der Apostel Thomas „betasten“, sogar schmecken. Aber nur derjenige, welcher mit Gottesfurcht und Glauben herzu tritt, wird in ihr wahrhaftig den Allerreinsten Leib und das Kostbare Blut unseres Herrn Jesu Christi zur Vergebung der Sünden und zum ewigen Leben erkennen. Es ist das einzige Allheilmittel zur Genesung der Seele und des Leibes. Amen.