Predigt zum 22. Herrentag nach Pfingsten (Gal. 2:16-20; Lk. 8:5-15) (05.11.2023)
Liebe Brüder und Schwestern,
das einzige Gleichnis, dessen Bedeutung der Herr im Anschluss Selbst erklärt, ist das Gleichnis vom Sämann. Es sollte nach erfolgter Deutung durch den Herrn eigentlich jedermann verständlich sein. Und obwohl die überwiegende Mehrheit der Getauften von diesem Gleichnis zumindest gehört haben muss, leben 95% der Christen so, als habe es ihre Herzen niemals erreicht. Manchmal bin ich geneigt, denjenigen, die von sich immer noch stur behaupten, sie hätten „Gott im Herzen“, das Gleichnis vom Sämann vorzulesen und sie dann sofort zu fragen, zu welcher der vier Kategorien sie sich selbst (aber ganz ehrlich) zurechnen würden. Da bin ich aber gespannt auf die Antwort.
Da der Herr die Deutung des Gleichnisses schon gleich mitgeliefert hat, muss man als Prediger eben die „Interpretation der Deutung“ vornehmen, damit auch solche Menschen kapieren, dass es nicht minder als um ihr Seelenheil geht.
Gleich zu Anfang wollen wir festhalten, dass es sich bei dem „Samen“ um „das Wort Gottes“ (Lk. 8:11) handelt. Es sind „Worte des ewigen Lebens“ (Joh. 6:68), denn sie entstammen vom Logos Selbst – Dem, Der die Worte des ewigen Lebens hat, und Der das ewige Wort Gottes, in Dem das Leben ist (s. Joh. 1:4), Selbst ist – „das Alpha und das Omega, … der Herr, Der ist und Der war und Der kommt, der Herrscher über die ganze Schöpfung“ (Offb. 1:8). Wer also diese Worte des ewigen Lebens gleich einem Luftzug durch seine Ohren sausen lässt, versündigt sich gegen Gottes Liebe. So einer mag die Worte entweder gar nicht hören wollen („Ach, lasst mich doch in Ruhe mit eurem Evangelium!“) oder aber (höflich formuliert) „interessant“ finden, so wie man eine fernöstliche Weisheit, den Aphorismus eines Philosophen der Antike oder ein indianisches Sprichwort interessant (bzw. „cool“) findet. Der Teufel hat dann leichtes Spiel mit solchen Menschen. Er entreißt die Worte des Lebens aus ihren Herzen, „damit sie nicht glauben und nicht gerettet werden“ (Lk. 8:12).
Ein anderer mag das Wort mit Freude aufnehmen und kurzzeitig verinnerlichen. Auf emotionaler Ebene kann er durchaus hellauf begeistert sein, Christi Lehre und Seine Taten sogar „toll“ finden und „eine Zeitlang glauben“, weil er jetzt meint, alles in seinem Leben würde von nun an (mit Gottes Hilfe) entsprechend seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen quasi wie am Schnürchen laufen. Aber so funktioniert das nicht (s. Mt. 6:10). Wenn Gott den Glauben solcher Menschen durch Leid oder Unrecht auf seine Standfestigkeit prüft, „werden sie abtrünnig“ (Lk. 8:13). Solch ein oberflächlicher Glaube kann keine Frucht bringen, weil das Wort Gottes nicht bis in die Tiefe des Herzens gedrungen ist.
Wieder ein anderer kann die Botschaft Gottes mit dem Intellekt vernehmen und aufnehmen, aber wegen der irdischen Sorgen und Nöte (und wer hat sie nicht?!..) „niemals Zeit“ für ein Leben mit Gott finden. - Wir sollen ja nicht untätig sein und uns gewiss um unsere irdischen Belange kümmern, aber über allem steht doch, bei aller Beanspruchung durch zeitliche Dinge, die Sorge um das ewige Heil (s. Mt. 6:31-33; Lk. 12:29-31). Menschen, die diese grundlegende Entscheidung in ihrem Herzen nicht treffen, werden dann in grundlegenden Dingen des Lebens eigene Prioritäten setzen. Und sie müssen, wenn sie schließlich „weggehen“ und den Samen „in den Sorgen, dem Reichtum und den Genüssen des Lebens ersticken“, gar nicht bewusst vom Glauben abgefallen sein. Der Teufel hat dann sein Ziel auch so erreicht, da ihre „Frucht nicht reift“ (Lk. 8:14). Sie wähnen sich vielleicht bis zuletzt auf Seiten Gottes, bleiben formal ihrem Glauben treu, merken aber nicht, dass sie faktisch längst einem anderen Herren dienen (vgl. Mt. 6:24). Gott aber „kennt die falschen Leute, sieht das Unrecht und nimmt es wahr“ (Hiob. 11:7).
Demzufolge steht außer Frage, dass Gott die Herzen der Menschen prüfen muss (s. Ps. 16:3; vgl. Hiob. 7:17-18; 23:10; Ps. 138:1). Man kann Prüfungen nur bestehen oder nicht bestehen, nicht aber nur „ein bisschen bestehen“. Es kommt also darauf an, dass wir „das Wort mit gutem und aufrichtigen Herzen hören, daran festhalten und durch unsere Ausdauer Frucht bringen“ (Lk. 8:15)!..
In Seinen Sprachbildern – allesamt schlicht in ihrer Darstellung – bedient Sich unser Herr der alltäglichen Dinge des Lebens, die auch einfachen Leuten (vor allem der damaligen Zeit) zugänglich sind. So auch im Gleichnis vom Sämann. Aber da gibt es etwas, das bei genauerem Nachdenken aufstößt. Denn was ist das für ein „Sämann“, der dreiviertel der Samen auf ungeeigneten Boden fallen lässt?!.. Jeder Agronom (eigentlich sogar jedes Kind) weiß, dass das in der Realität kaum stattfindet. Warum „vergeudet“ Gott den kostbaren Samen, dass, so scheint es zumindest, nur ein Viertel der Saat aufgehen kann?!.. Er scheint doch wohl bewusst zuzulassen, dass der Samen auf den Felsen bzw. auf steinigen Boden usw. fällt... – Richtig. Aber hinter dieser vermeintlich „unprofessionellen“ Vorgehensweise verbirgt sich die unergründliche Weisheit und unerforschliche Barmherzigkeit Gottes. Im Alten Bund spricht Er ja durch den Propheten: „Ich schenke ihnen ein anderes Herz und schenke ihnen einen neuen Geist. Ich nehme das Herz von Stein aus ihrer Brust und gebe ihnen ein Herz von Fleisch, damit sie nach Meinen Gesetzen leben und auf Meine Rechtsvorschriften achten und sie erfüllen. Sie werden Mein Volk sein, und Ich werde ihr Gott sein“ (Ez. 11:19-20; vgl. 36:26-29; Jer. 24:7). Christus ist der Arzt unserer Seelen, Der gekommen ist, die Sünder zur Umkehr zu rufen, nicht die Gerechten (s. Mt. 9:12-13; Mk. 2:17-18; Lk. 5:31-32). Und Gott kann sogar aus Steinen Kinder Abrahams hervorbringen (s. Mt. 3:9; Lk. 3:8). Seine Gnade ist unermesslich! Aber sie muss trotzdem einen Widerhall in unseren Herzen finden, damit wir Gott unsere Früchte darbringen können. Amen.