Predigt zum 8. Herrentag nach Pfingsten (1 Kor. 1:10-18; Mt. 14:14-22) (30.07.2023)
Liebe Brüder und Schwestern,
am heutigen Tag wollen wir den eindringlichen Worten des heiligen Apostels Paulus an die Gemeinde in Korinth Gehör schenken, die zu keiner Zeit an Aktualität verloren haben: „Ich ermahne euch aber, Brüder, im Namen Jesu Christi, unseres Herrn: Seid alle einmütig, und duldet keine Spaltungen unter euch; seid ganz eines Sinnes und einer Meinung. Es wurde mir nämlich, meine Brüder, von den Leuten der Chloё berichtet, dass es Zank und Streit unter euch gibt. Ich meine damit, dass jeder von euch etwas anderes sagt: ´Ich halte zu Paulus – ich zu Apollos – ich zu Kephas – ich zu Christus`. Ist denn Christus zerteilt? Wurde etwa Paulus für euch gekreuzigt? Oder seid ihr auf den Namen des Paulus getauft worden? Ich danke Gott, dass ich niemand von euch getauft habe, außer Krispus und Gaius, so dass keiner sagen kann, ihr seiet auf meinen Namen getauft worden. Ich habe allerdings auch die Familie des Stephanus getauft. Ob ich sonst noch jemand getauft habe, weiß ich nicht mehr. Denn Christus hat mich nicht gesandt zu taufen, sondern das Evangelium zu verkünden, aber nicht mit gewandten und klugen Worten, damit das Kreuz Christi nicht um seine Kraft gebracht wird“ (1 Kor. 1:10-18).
Nehmen wir den angeführten Absatz doch zum Anlass, grundsätzlich über die christliche Streitkultur zu reflektieren. Wir wissen ja, dass die Dialektik ein Grundpfeiler der Katholizität der Kirche seit Anbeginn ist.
Zuerst einmal steht der Aufruf des Apostels zur Einmütigkeit im scheinbaren Widerspruch zu der Aussage, die der Apostel an anderer Stelle desselben Briefes tätigt: „Zunächst höre ich, dass es Spaltungen unter euch gibt, wenn ihr als Gemeinde zusammenkommt; zum Teil glaube ich das auch. Denn es muss Parteiungen geben unter euch; nur so wird sichtbar, wer unter euch treu und zuverlässig ist“ (1 Kor. 11:18-19). Natürlich ist es von entscheidender Bedeutung, was den Unterschied zwischen „Spaltungen“ und „Parteiungen“ ausmacht. Der selige Augustinus formulierte es so: „Im Wesentlichen Einheit, im Zweifelhaften Freiheit, doch in allem Liebe“. Ohne die dritte, entscheidende Komponente kann es keine Gemeinschaft mit dem Sohn Gottes, unserem Herrn Jesus Christus, geben (s. 1 Kor. 1:9). Dann ist jegliche Frömmigkeit, selbst asketische Übung, ein Hohn und entspricht einer Schmähung Gottes (vgl. Jes. 58:4) Deshalb ermahnt der Apostel an einer anderen Stelle der Heiligen Schrift: „Nehmt den an, der im Glauben schwach ist, ohne mit ihm über verschiedene Auffassungen zu streiten“ (Röm. 14:1). Nach den Worten des heiligen Apostels Jakobus kommt jegliches Gezeter „nur vom Kampf der Leidenschaften“ in unserem Inneren (Jak. 4:1b). Dieses allzu Menschliche in den Gemeinden veranlasst den Apostel Paulus zu der Frage an die Korinther: „Denn ihr seid immer noch irdisch eingestellt. Oder seid ihr nicht irdisch eingestellt, handelt ihr nicht sehr menschlich, wenn Eifersucht und Streit unter euch herrschen?“ (1 Kor. 3:3; vgl. 2 Kor. 12:20). Gekeife und Gezanke kann leicht vermieden werden, wenn wir uns an die Lehre unseres Herrn halten: „Wer aber etwas anderes lehrt und sich nicht an die gesunden Worte Jesu Christi, unseres Herrn, und an die Lehre unseres Glaubens hält, der ist verblendet; er versteht nichts, sondern ist krank vor lauter Auseinandersetzungen und Wortgefechten. Diese führen zu Neid, Streit, Verleumdungen, üblen Verdächtigungen und Gezänk unter den Menschen, deren Denken verdorben ist; diese Leute sind von der Wahrheit abgekommen und meinen, die Frömmigkeit sei ein Mittel, um irdischen Gewinn zu erzielen“ (1 Tim. 6:3-5). Dies ist insbesondere mit dem Dienst in der Kirche unvereinbar, weshalb der Apostel seinen Ziehsohn bei der Leitung der Gemeinde in Ephesos ermahnt: „Ruf ihnen das ins Gedächtnis und beschwöre sie bei Gott, sich nicht um Worte zu streiten; das ist unnütz und führt die Zuhörer nur ins Verderben“ (2 Tim. 2:14) und: „Lass dich nicht auf törichte und unsinnige Auseinandersetzungen ein; du weißt, dass sie nur zu Streit führen. Ein Knecht des Herrn soll nicht streiten, sondern zu allen freundlich sein, ein geschickter und geduldiger Lehrer, der auch die mit Güte zurechtweist, die sich hartnäckig widersetzen. Vielleicht schenkt ihnen Gott dann die Umkehr, damit sie die Wahrheit erkennen, wieder zur Besinnung kommen und aus dem Netz des Teufels befreit werden, der sie eingefangen und sich gefügig gemacht hat“ (2:24-26; vgl. Tit. 3:9).
Welche Art von Streitkultur soll demzufolge in der Kirche vorherrschen? Die Weisheit Gottes gibt uns folgende Vorgabe: „Eine sanfte Antwort dämpft die Erregung, eine kränkende Rede reizt zum Zorn“ (Spr. 15:1). Streit soll demnach vermieden werden (vgl. Spr. 13:10, 22:10; 26:21), Diskussionen sind aber notwendig. Unsere kirchlichen Führungsgremien sind Beratungskollegien auf unterschiedlichen Ebenen, wie die Heilige Synode, der Diözesanrat und der Gemeinderat. Auch in der Familie geht der Einmütigkeit Beratschlagung voraus.
Allerdings müssen wir den o.a. Worten des heiligen Augustinus von Hyppo zufolge alle unterscheiden lernen, was wesentlich (bzw. hauptsächlich) und was zweifelhaft (bzw. nebensächlich) ist. Unsere Kirche ist auf dem Fundament der Heiligen Schrift und der Heiligen Tradition aufgebaut (s. 1 Kor. 11:2; Gal. 1:8; 2 Thess. 2:15), wobei der vom Heiligen Geist getränkte Leib Christi (s. 1 Kor. 12:12-13) – die Kirche – und nur sie, Hüterin dieser Überlieferung ist. Und so müssen wir zwischen der kirchlichen Überlieferung und nationalen, lokalen oder gar familiären Traditionen differenzieren. Bei Taufen, Hochzeiten oder Begräbnisfeiern wissen die Menschen (je nach Herkunftsland) oftmals sehr gut darüber Bescheid, dass bei Mädchen der erste Pate männlich und bei Jungen weiblich sein muss (aha!), dass man für den Priester ein Handtuch und ein Stück Seife mitbringen muss (wozu eigentlich?), dass die Mutter (auch nach Ablauf von 40 Tagen) oder gar beide Eltern bei der Taufe gar nicht anwesend sein dürfen (ach so!); die Leute kommen ein Mal jährlich zur Slawa und lassen Brot, Wein und Kolyben segnen (na prima!); andere bringen haufenweise Brot und sonstige Lebensmittel zur Panichida mit (für wen eigentlich?!), „weil sie es so gewohnt sind“, wobei Kerzen für die Verstorbenen nur in ungerader Zahl aufgestellt werden dürfen (klar!); beim Gedenkessen nach einer Beerdigung, bei dem zwar geredet aber nicht gebetet wird, dürfen keine Messer und Gabeln auf dem Tisch liegen (wozu das denn?); sie lassen schöne Kerzen für den Tag der Taufe ihres Kindes mit Namen und Datum, dazu ein Engelchen, anfertigen, kaufen ein hübsches Kleid für diesen Anlass, doch wenn sie hören, dass das soeben getaufte Kind unbedingt noch die Heilige Kommunion empfangen muss, wird dies als lästige Pflichtübung angesehen („Was, noch ein Mal hierherkommen?!“), die halt notwendig ist zur Entgegennahme der Taufbescheinigung. An den sonstigen Tagen, auch zu großen Festen, sieht man sie nicht in der Kirche! Von mir darauf angesprochen, sagen sie, sie hätten nie Zeit am Sonntag. Mag ja sein, dass es bei dem einen oder anderen aus beruflichen Gründen nicht immer möglich ist zur Kirche zu kommen, aber dass alle nie Zeit haben, das kann ich nicht glauben. Für andere Dinge haben sie auch Zeit, es ist also nur eine Frage der Prioritätensetzung. Ich rege sie dazu an zu überlegen, wozu sie ihr Kind taufen lassen wollen. Denn wenn ich mein Kind z.B. zum Schwimmverein anmelde, aber das Kind nie zum Training kommt, wird es, schlicht und ergreifend, niemals schwimmen lernen können… Wenn ich sie zu den Gottesdiensten unserer Gemeinde einlade, fragen manche Eltern ganz verdutzt, wie oft man denn so zum Gottesdienst kommen solle!.. Würde ein begeisterter Fußballfan je fragen, wie oft er ins Stadion gehen solle! Er liebt seinen Verein, für den er alles stehen und liegen lässt und für den er keine Mühen und Kosten scheut, um seine Mannschaft zu allen Heim- und Auswärtsspielen bis ans äußerste Ende Europas zu begleiten. Und in Bezug auf die unvorstellbare Seligkeit des Königtums Gottes müssen wir erst fragen, wie oft wir diese Tortur von Gottesdiensten (die auch nicht länger als Rockkonzerte oder ein Besuch in der Disko dauern) über uns ergehen lassen sollen!? Halloo?!..
Die erwähnten kulturellen Besonderheiten und Bräuche (s. Mt. 15:1-20; Mk. 7:1-23; vgl. Jes. 29:13) sind nicht bloß unnütz sondern im höchsten Maße sogar schädlich, wenn wir solche vergleichsweise nichtigen Dinge hochhalten, „die Gerechtigkeit aber und die Liebe zu Gott“ vergessen (Lk. 11:42; vgl. Mt. 23:23: „Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Treue“). Es ist ja nun wirklich nicht so schwer zu begreifen, was Gott von uns will: „Erwirb dir Wahrheit, und verkauf sie nicht mehr: Weisheit, Zucht und Einsicht! (…) Gib Mir dein Herz, Mein Sohn, Deine Augen mögen an Meinen Wegen gefallen finden“ (Spr. 23:23,26).
Und Christus spricht: „Wer Meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der Mich liebt; wer Mich aber liebt, wird von Meinem Vater geliebt werden, und auch Ich werde ihn lieben und Mich ihm offenbaren“ (Joh. 14:21; vgl. 14:23). Ist das etwa kein Anreiz, aktiv am Leben der Kirche teilzuhaben?!.. Amen.