Predigt zum 7. Herrentag nach Pfingsten (Röm. 15:1-7; Mt. 9:27-35) (23.07.2023)
Liebe Brüder und Schwestern,
auf den ersten Blick scheint die Evangeliumslesung des 7. Herrentags nach Pfingsten wie ein Anhängsel zu den einprägsameren Berichten von der Heilung des Gelähmten von Kafarnaum, der von seinen Freunden durch eine Dachöffnung zu unserem Herrn heruntergelassen wurde, von der Berufung Matthäi und vom Mahl mit dem Zöllnern in dessen Haus, von der Auferweckung der Tochter des Synagogenvorstehers sowie von der Heilung der jahrelang an Blutfluss leidenden Frau zu sein. Alle der Heilung zweier Blinder und eines Stummen vorangegangenen Ereignisse kennen wir zur Genüge, weil auch die anderen Synoptiker darüber berichten und wir diese Heilungen aus den entsprechenden Herrentags-Lesungen kennen. Zudem zogen alle diese Ereignisse die Aufmerksamkeit der Massen auf sich. Die Heilung der Frau geschah zwar unter dem Schutz der Anonymität der Volksmenge, wurde aber vom Herrn bewusst öffentlich gemacht; die Erweckung der Tochter des Jairus geschah hingegen im engsten Kreis unter Ausschluss der Öffentlichkeit, wurde dann aber in der ganzen Gegend publik gemacht. Die Heilung der zwei Blinden und des Stummen geschah nun aber, nachdem unser Herr bei Sich zu Hause angekommen war. Er hätte sie auch unterwegs auf der Straße heilen können, doch wollte der Herr auch dieses Mal unnötiges Aufsehen vermeiden und tat dies im Verborgenen. Von der Heilung der Blinden zu Kafarnaum lesen wir allein bei Matthäus; die Heilung des Stummen wird noch bei Lukas mit einem Satz erwähnt (s. Lk. 11:14). Beide Evangelisten, Matthäus und Lukas, schließen ihr Zeugnis damit, dass die Gegner des Herrn diese Heilungen so deuteten, dass der Herr die Dämonen mithilfe des Anführers der Dämonen austreibt.
Welche Schlüsse können wir aus diesen kurz geschilderten Heilungen unseres Herrn für uns ziehen? Erinnern wir uns daran, was der Heilung vorausging. Der Herr fragt die beiden Blinden, ob sie denn glaubten, dass Er ihnen helfen kann. Als sie dies bejahen, sagt Er: „Wie ihr geglaubt habt, so soll es geschehen“ (Mt. 9:29). Und nachdem Er ihre Augen geöffnet hat, spricht Er zu ihnen: „Nehmt euch in acht! Niemand darf es erfahren“ (9:30). Doch wie viele andere erzählen auch die beiden von Ihm in der ganzen Gegend. Als auch der Stumme wieder sprechen kann und die Menschen dadurch in Staunen versetzt, bleibt den Pharisäern nur noch der Verweis auf den Anführer der Dämonen. Es war also offensichtlich kein Sabbat, an dem der Herr diese Heilungen durchgeführt hatte.
Halten wir also fest, dass der Glaube in diesem Falle das ausschlaggebende Kriterium für die Gewährung der Bitten gewesen ist.
Der GLAUBE ist für unser Seelenheil unerlässlich. Aber der Glaube allein reicht nicht (s. Jak. 2:14-17,20,26). Ich kann, zum Beispiel, als Kranker an die Segnungen der Medizin glauben, aber das allein macht mich noch nicht gesund. Dieses Vertrauen in die moderne Heilkunde ist natürlich Voraussetzung für meine Genesung, aber ohne die Einhaltung vorgeschriebener Prozeduren und ohne eine entsprechende Lebensweise nützt mir dieser Glaube rein gar nichts. Und ebenso verhält es sich mit der kranken Seele in Bezug auf ihre Errettung.
Oft genug sprachen wir davon, dass das Heil der Seele für uns Christen nur innerhalb der Kirche möglich ist. Und so fordert der Apostel Paulus die Starken im Glauben auf, „die Schwäche derer zu tragen, die schwach sind“ im Glauben, d.h. solidarisch sein mit ihnen und nicht für sich selbst leben (Röm. 15:1; vgl. Gal. 6:2). Die Starken sind dem Heil der Schwachen dienlich – und umgekehrt. Dies bewahrheitet sich vor allem zu Zeiten der Prüfung des Glaubens (s. Jak. 1:1-9), denn da gilt es, dass die im Glauben Gefestigten ihre wankelmütigen Brüder stärken (s. Lk. 22:31-32). Wo das geschieht, wird der Leib Christi nach dem Vorbild unseres Erlösers aufgebaut (s. Röm. 15:2-3). Dieser Aufbau geschieht im vollen Einklang mit der Heiligen Schrift, die für uns lehrreich und tröstlich in jeder Drangsal ist, uns zur Geduld erzieht und uns schließlich zur Einmütigkeit anleitet, „die Christus Jesus entspricht“, damit wir „Gott, den Vater unseres Herrn Jesus Christus, einträchtig und mit einem Mund“ preisen (15:4-6). Das ist die Bedingung dafür, dass wir einander annehmen „wie auch Christus uns angenommen hat, zur Ehre Gottes“ (15:7). Gott kann nur in dieser Einmütigkeit des „Hauswesens Gottes“, der „Kirche des lebendigen Gottes, die die Säule und das Fundament der Wahrheit ist“ (1 Tim. 3:15), verherrlicht werden, kurz, – „im Geist und in der Wahrheit“ (Joh. 4:23,24). Der Glaube ist die Eintrittskarte zum Königtum Gottes auf Erden. Doch der Besitz einer Eintrittskarte ist noch keine Garantie dafür, dass ich an der Vorstellung oder Veranstaltung auch tatsächlich teilnehme. Außerdem verliert ein Ticket (ein Fahrschein oder eine Eintrittskarte) seinen Wert, wenn die Tore geschlossen werden. Ein Flugticket hat keinen Wert mehr, wenn der Flieger abgehoben hat, und die Eintrittskarte zu einem Fußballspiel hat nach dem Schlusspfiff bestenfalls noch Sammlerwert. Das 25. Kapitel des Evangeliums nach Matthäus enthält drei Parabeln (von den zehn Jungfrauen, dem anvertrauten Geld und vom Weltgericht), in denen jeweils davon die Rede ist, dass der Glaube an Gott und die Kenntnis Gottes denen zur Verdammnis gereichen, die Gottes Willen missachtet haben (vgl. Lk. 12:47). Auch wer den Willen Gottes (z.B. aus Leichtfertigkeit oder Sorglosigkeit) nicht kannte, muss, wenn auch mit geringerer, Strafe rechnen (vgl. 12:48). Unser Glaube ist das größte und schönste Geschenk, das wir von Gott durch unsere Eltern oder Taufpaten empfangen haben. Zugleich stellt er aber auch die größte Verantwortung in unserem ganzen Leben dar, denn je nach dem, wie wir ihn angenommen und ihn gelebt haben, werden wir gerechtfertigt oder verurteilt werden. Amen.