Predigt zum 4. Herrentag der Großen Fastenzeit / Gedenktag des heiligen Johannes Klimakos (Hebr. 6:13-20; Eph. 5:8-19; Mk. 9:17-31; Mt. 4:25-5:12) (11.04.2021)
Liebe Brüder und Schwestern,
am heutigen vierten Herrentag der Großen Fastenzeit feiern wir das Gedächtnis des heiligen Johannes Klimakos (+ 649), der als Eremit vierzig Jahre in der Wüste verbrachte und kurze Zeit Abt des heiligen Katharinenklosters auf dem Sinai war. Er ist bekannt als Verfasser der „Himmelsleiter“ - einer Anleitung zum asketischen Aufstieg vom irdischen Zustand „der Sklaverei und Verlorenheit“ zum himmlischen Dasein in der „Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes“ (Röm. 8:21). Die Große Fastenzeit verfolgt ja gerade das Ziel, uns nach Möglichkeit der trügerischen irdischen Sphäre zu entwöhnen, um im Geiste die authentische himmlische Realität schauen zu können. Und wie wir sehen werden, hat dies ganz direkt mit dem Glauben zu tun.
Treffend ausgedrückt wird unser gefallener Zustand in der heutigen Lesung von der Heilung des besessenen Jungen durch die Worte des Vaters des Besessenen: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“ (Mk. 9:24). Wir alle halten uns für gläubig. Ich kenne zahlreiche Menschen, die so gut wie nie in die Kirche gehen, sich aber sogar als „tief gläubig“ bezeichnen. Jedoch – siehe das soeben angeführte Zitat – Glaube ist nicht gleich Glaube. Denn der Glaube allein bringt der Seele noch keinen Nutzen. Glauben tun ja auch die Dämonen (s. Jak. 2:14-26). Wenn wir trotz unseres Gottesglaubens in Sünde leben, kann es sogar sein, dass uns dieser Glaube zum Verhängnis wird (s. Lk. 12:47). Gemeint sind natürlich nicht die menschlichen Schwächen und unbeabsichtigten bzw. unbewussten Verfehlungen, auch nicht größere Entgleisungen, die wir bald darauf schon wieder bereuen, sondern das starrsinnige Verbleiben im äußerlichen und innerlichen Zustand der Sünde.
Der Herr sagt an einer anderen Stelle: „Wenn jemand zu Mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern,, ja sogar sein Leben gering achtet, dann kann er nicht Mein Jünger sein“ (Lk. 16:25). Wie bitte?!.. Meine Liebsten soll ich gering achten (richtig übersetzt heißt es sogar: hassen), ebenso mein Leben (genaue Übersetzung: meine Seele)?! Steht das nicht im krassen Widerspruch zum Wort Gottes (s. Ex. 20:12; Lev. 19:18; Ps. 10:5)?! - Aber der Herr kann das natürlich nicht buchstäblich gemeint haben. Wir sollen vielmehr die Verdorbenheit unserer Seele hassen und unser sündhaftes Leben gering achten, wenn wir dem Herrn nachfolgen wollen. Und ja, wenn uns, nachdem uns der Herr beruft, unsere Verwandten vom Weg des Heils abbringen wollen (s. Mi, 7:6-7; vgl. Mt. 10:35-36), müssen wir bereit sein, uns ihnen mit einer „heiligen Abneigung“ zu widersetzen, d.h. für sie zu beten, ihnen zu verzeihen, sie weiter persönlich zu lieben, uns aber nicht zu Sklaven ihrer fleischlichen Gesinnung machen lassen (s. Röm. 8:5-17). Und das betrifft keineswegs nur die, welche sich vom Weltlichen abkehren und ins Kloster gehen, sondern auch uns, die wir in der Welt den Weg des Heils bestreiten wollen. Berufen sind wir doch alle (s. Mt. 9:13; Mk. 2:17; Lk. 5:32).
Wir müssen aber buchstäblich die Krankheit unserer Seele hassen. Sie wird in der heutigen Lesung allegorisch als Besessenheit apostrophiert, weil wir, ohne es zu wissen, dem Teufel dienen, wenn wir unserem fleischlichen Willen gehorchen. Wenn Herz, Wille und Verstand nur Irdisches anstreben, befindet sich unsere Seele gänzlich in den Fängen des Widersachers, vom Leib wollen wir da gar nicht erst reden. Wir können dabei „fromm“ sein, sonntags in die Kirche gehen, regelmäßig beichten und die Heiligen Gaben empfangen, dabei aber wie der fruchtlose Feigenbaum sein, den der Herr verflucht hat (s. Mt. 1:18-19; Mk. 11:12-14,20). Es ist dabei gar nicht so schwer zu begreifen, dass man bislang ein Leben nach dem eigenen Willen, und nicht nach Gottes Willen geführt hat: Wer ab heute versucht, frühmorgens und spätabends konsequent seine Gebetsregel durchzuziehen, statt Fernseh- und Internetkonsum nach Erledigung aller häuslichen Obliegenheiten die Heilige Schrift und die Heiligen Väter zu lesen, d.h. sein Leben allein nach den Geboten des Herrn auszurichten („Nicht wie ich will, sondern wie Du willst, Herr!“), der wird sofort merken, wie groß die inneren und äußeren Widerstände sein werden. Aber es ist schon allein den Versuch wert, weil dann so oder so die Erkenntnis in uns reifen wird, dass wir nicht wirklich glauben, wenn wir nicht entsprechend unserer inneren Überzeugung handeln. Wenn ein Rauschgiftsüchtiger (bzw. Kettenraucher, Alkoholiker, Computerjunkie, Spielhallen-Stammgast etc.) weiß, dass ihn dieses Zeug umbringt – wieso konsumiert er es wider besseres Wissen?! - Klar, weil er besessen ist. Da hilft es auch nicht, „Gott im Herzen“ zu haben. Denn wenn wir all das Böse in unserem Herzen sinnen und tun (s. Mt. 15:18-20; Mk. 7:20-23), verunreinigen wir unsere Seelen, auch wenn wir unverändert an Gott „glauben“. „Diese Art kann nur durch Gebet und Fasten ausgetrieben werden“ (Mk. 9:29).
Die Konsequenz daraus? - Wenn ein Gefäßinhalt verunreinigt oder vergiftet ist, muss die ganze ungenießbare Speise weggeworfen und vernichtet werden, das Gefäß gründlich gereinigt und kann dann erst wieder mit neuer, gesunder Nahrung befüllt werden. Ein Löffel Teer aber macht ein ganzes Fass Honig zunichte. Und wir haben die Möglichkeit der Selbstreinigung vornehmlich in der Großen Fastenzeit. Durch unerbittliche Selbsterkenntnis, aufrichtige Reue, entschlossene Buße und lauteren Lebenswandel können wir dann im Einklang mit Gottes Willen endlich den schwierigen und mühevollen Weg vom irdischen Tränental in das himmlische Festgemach unseres Vaters gehen. Das Fundament hierfür müssen wir jetzt, in dieser Welt, legen. Rufen wir, am besten noch in dieser Fastenzeit, mit Tränen: „Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“ Amen.
Details Eintrag
Jahr:
2021
Orignalsprache:
Deutsch