Predigt zum Hochfest der Taufe Christi (Tit. 12:11-14, 3:4-7; Mt. 3:13-17) (19.01.2020)
Liebe Brüder und Schwestern,
das Jahr hat kaum begonnen, schon folgt ein kirchlicher Höhepunkt dem nächsten. Die zwölf heiligen (und fastenfreien) Tage (slaw. Святки), die mit dem gestrigen Tag zu Ende gegangen sind, bestehen ja aus dem Fest der Geburt Christi samt sechstägigem Nachfest, dem eintägigen Fest der Beschneidung des Herrn und dem viertägigen Vorfest der Taufe des Herrn. Diese helllichten Tage sind nur mit der Freude der Osterwoche vergleichbar, in der ebenso weder gefastet, noch gekniet wird sowie auch keine Totengebete gelesen werden. Und es versteht sich von selbst, dass in diesen Tagen der Festtagsfreude die Beichte als Zulassungskriterium für die Teilnahme an der heiligen Eucharistie einen grotesken Anachronismus darstellt. Dann, nach einem strengen Fastentag zum Vorabend der Theophanie, feiern wir die Taufe Christi. Und wieder blicken wir in freudestrahlende Gesichter... Doch was ist der Anlass für diese Freude? - „Die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten“ (Tit. 2:11). Und weiter: „Kaum war Jesus getauft und aus dem Wasser gestiegen, da öffnete sich der Himmel, und Er sah den Geist Gottes wie eine Taube auf Sich herabkommen“ (Mt. 3:16). Es ist die Erfüllung einer weiteren Prophezeiung aus dem Alten Testament: „Seht, das ist Mein Knecht, Den Ich stütze; das ist Mein Erwählter, an Ihm finde Ich Gefallen. Ich habe Meinen Geist auf Ihn gelegt, Er bringt den Völkern das Recht“ (Jes. 42:1). Wenn wir nur den Glauben von der Größe eines Senfkorns hätten (s. Mt. 17:20; Lk. 17:6), würden wir aus dem Jubeln gar nicht herauskommen, wäre unsere Dankbarkeit ob der uns gewährten Gnadengaben schier unendlich. Johannes der Täufer hatte diesen Glauben, der ihn dazu befähigte, als letzter und höchster der Propheten die Ankunft des Herrn nicht nur zu verkünden, sondern diese sogar zu sehen und, - weitaus mehr noch, den Herrn zu taufen. Es ist unglaublich und übersteigt jede menschliche Denkweise (s. Jes. 55:9), dass der anfang- und endlose Logos (s. Jes. 44:6), der Schöpfer der Äonen wie ein Knecht die Taufe durch den Vorläufer im Jordan Erduldet. Gleichzeitig wird die ganze materielle Schöpfung im Element des Wassers durch den Mensch gewordenen Gott geheiligt; durch dieses Element erden von nun an auch wir entsühnt „im Namen Jesu Christi, des Herrn, und m Geist unseres Gottes“ (1 Kor. 6:11b).
Was gibt es Großartigeres als alle Sünden erlassen zu bekommen?! Für uns Menschen wird dank der Erscheinung Jesu Christi in dieser Welt der Himmel geöffnet!.. „Allen aber, die Ihn aufnahmen, gab Er die Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an Seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind“ (Joh. 1:12-13). Verstehen wir doch endlich, worum es geht!: „Wenn jemand nicht von neuem geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen“ (Joh. 3:3b; s. weiter 3:5-7). Wir sind zwar durch die Taufe wieder quasi in den Zustand Adams und Evas vor dem Sündenfall versetzt, uns wurde die Chance gegeben, wieder von neuem ein Leben mit Gott zu beginnen. Nutzen wir also die uns rettende Gnade: „Sie erzieht uns dazu, uns von der Gottlosigkeit und den irdischen Begierden loszusagen und besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt zu leben, während wir auf die selige Erfüllung unserer Hoffnung warten: auf das Erscheinen der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Retters Christus Jesus. Er hat Sich für uns hingegeben, um uns von aller Schuld zu erlösen und Sich ein reines Volk zu schaffen, das Ihm als Sein besonderes Eigentum gehört und voll Eifer danach strebt, das Gute zu tun“ (Tit. 2:12-14). Wenn wir doch alle dieses Bewusstsein in uns hätten, ein reines Volk, Christi besonderes Eigentum zu sein, das voll Eifer danach strebt, das Gute zu tun! Denn genau das erwartet der Herr von uns, nachdem wir in der Taufe erleuchtet worden sind: „So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“ (Mt. 5:16). Wie viele Menschen aus unserem unmittelbaren familiären oder sozialen Milieu würden dann durch uns zum Glauben kommen können! Wenn wir aber als Getaufte und „Neugeborene“ uns durch nichts von den Atheisten unterscheiden, kann es gut passieren, dass wir „weggeworfen und von den Leuten zertreten“ werden (Mt. 5:13; vgl. Lk. 14:34-35). Der heilige Seraphim (+ 1833) sagte vor zweihundert Jahren sinngemäß: „Eigne dir einen friedfertigen Geist an, und tausende um dich herum werden gerettet“. Damals waren doch alle um ihn herum orthodoxe Christen, die sonntags noch in die Kirche gingen und alle Feiertagsgebräuche befolgten, so wie es damals eben üblich war. Doch offensichtlich war es nicht das, was Gott wollte. Vor allem war es nicht heilbringend. Wie hätten sonst jene gerettet werden können, die schon als rechtgläubige Christen „automatisch“ gerettet waren?! Denn wäre unser Glaube allein schon ausreichend, hätte es wohl heißen müssen: „Christus hat Sich für uns hingegeben und uns von aller Schuld erlöst und Sich ein reines Volk geschaffen“. Es heißt aber: „Er hat Sich für uns hingegeben, um uns von aller Schuld zu erlösen und Sich ein reines Volk zu schaffen, das Ihm als Sein besonderes Eigentum gehört und voll Eifer danach strebt, das Gute zu tun“ (Tit. 2:14).
Wieder sind wir an dem Punkt angelangt, an dem wir unsere mit dem Blut Christi erkaufte Freiheit für das Gute wahrnehmen sollen. Verantwortung statt Selbstzufriedenheit; Eifer statt Selbstgenügsamkeit! Die Taufe ist das größte Geschenk an uns, weil wir in ihr durch Christus „den Zugang zu der Gnade erhalten, in der wir stehen“ (Röm. 5:2b). Die Gnade Gottes in Person Jesu Christi ist dazu in der Welt erschienen, dass alle Menschen gerettet werden (s.o. Tit. 2:11). Wenn unser Glaube nur stark genug wäre, das zu erkennen!.. Amen.