Zariza und Zarevna (Zarenmärtyrerin Alexandra Feodorovna)
“Sie schaut hinaus und erwartet einen Gruß aus der Welt, während jene, die in der Geschäftigkeit der Welt leben, gerne einen Blick in den Frieden und die Stille solcher Wände werfen würden, aber wir müssen in der Welt leben und dabei den Frieden in unserer Seele hegen, unter Fremden leben, leiden, kämpfen und fest glauben, im Gebet Tröstung suchen und und nicht an der Liebe und Barmherzigkeit Gottes zweifeln. Er ist höher als alle und alles. Man braucht die Boswilligkeit der Menschen nicht zu fürchten, denn Er gibt uns den Sieg über sie, wenn wir fest an Ihn glauben.”
Postkarte mit Darstellng einer Nonne, die aus dem Fenster ihrer Zelle schaut, auf der mit Bleistift dieser Text von der Zarin geschrieben steht
In diesem Jahr jährt sich der 125. Jahrestag der Geburt der Zarin und Märtyrerin Alexandra Feodorovna (25. Mai/7. Juni) sowie der 100. Jahrestag der Geburt ihrer zweiten Tocher, Zarevna Tatjana (29. Mai/11. Juni).
Anläßlich dieser zwei Jubiläen legen wir dem Leser drei kleinere Dokumente vor.
Die Wahl von einem davon (Verzeichnis der Bücher, die in dem Ipatjev Haus gefunden wurden) wurde dadurch bedingt, daß diese Bücher mit den Namen dieser zwei kaiserlichen Gefeierten verbunden ist. Dieses trockene Dokument öffnet vor uns die geistige Welt der Zarenfamilie, ihr tägliches Gebetsleben. Das andere, der Brief der Zarin, zeugt davon, daß jene, welchen diese Bücher gehörten, nicht nur Lesende waren, sondern gemäß den göttlichen Geboten auch Erfüller der Worte der Heiligen Väter, der Lehre der Kirche und des Wortes Gottes. Die Auszüge aus dem Buch “Über das Erdulden von Trübsal” zeigen uns deutlich den geistlichen Boden, der nicht nur ein wahres christliches Leben wachsen läßt, sondern auch das Opfer der Märtyrertschaft. Die Veröffentlichung dieser Auszüge war an sich schon an der Zeit. Besonders interessant und lehrreich ist, wie die Märtyrer-Zarin die Lehren der hll. Väter aufnahm, worüber Bischof Mefodij ausführlich in seinen Kommentaren schreibt.
Ergänzend möchten wir dieser Veröffentlichung erstens einige lobende Worte über die opferreiche Mutterschaft der Zarin vorausschicken, die nach den Worten des ihr geweihten Gottesdienstes “ihre Kinder in Gottesfurcht aufzog und sie auf das Martyrium für Christus bereitete”, und zweitens über die Besitzerin der meisten der anderen Bücher: Zarevna Tatjana. Weisen wir die Leser darauf hin, daß dasselbe Buch über das Erdulden von Trübsal, welches die Zarin 1906 so aufmerksam gelesen hatte, 1917 die Bibliothek von Tatjana bereicherte. Wahrscheinlich war es ein BGeschenk von Alexandra Feodorovna an ihre geliebte Tochter.
In den Erinnerungen jener, die die Zarin näher kannten, erscheint sie vor allem als liebende Ehefrau und Mutter. (Sogar in der Beziehung zu ihrem Land fühlte sie sich vor allem als dessen Mutter.) Folgendermaßen beschreibt der Lehrer der Zarenkinder, P. Gilliard, seine ersten Eindrücke von der Zarin: “...von den ersten Monaten an bewahrte ich eine teure Erinnerung an das äußerste Interesse, welches die Zarin, ihre Pflicht als Mutter erfüllend, der Frage der Unterrichtung und Erziehung ihrer Kinder zukommen ließ. Statt einer stolzen und kalten Zarin, wie man sie mir so oft dargestellt hatte, traf ich zu meiner großen Überraschung, eine Frau, die sich nur ihren mütterlichen Verpflichtungen widmete.”
Ebenso tun sich uns die Züge der Zarin in ihren Briefen auf. Das “entdeckten” sogar jene ganz unerwartet, welche den Gerüchten über die Zarin Glauben geschenkt hatten und sich ihr gegenüber mit Vorbedacht verhielten. Zu diesen gehörte auch V.M. Rudnev, ein Mitglied der “Außerordentlichen Untersuchungskommission”, deren Aufgabe es war, die Amtsmißbräuche der “höchst gestellten Personen” aufzudecken.
In seinem in trockener Beamtensprache, die wenig zur Beschreibung der Erlebnisse eins gläubigen Menschen geeignet ist, verfaßten Bericht schreibt Rudnev darüber, daß der Briefwechsel der Zarin mit dem Herrscher und mit Fräulein Vyrubova “ganz von dem brennenden Gefühl der Liebe zu Mann und Kindern durchdrungen war. Um die Erziehung und Ausbildung Ihrer Kinder kümmerte sich die Zarin persönlich, fast in allen Fächern, außer den rein speziellen...Gleichzeitig trug der Briefwechsel das Siegel tiefer Religiosität. Die Herrscherin beschreibt in den Briefen an ihren Mann oft ihre inneren Erlebnisse beim Hören der Gottesdienste, und spricht oft über das Gefühl vollkommener Befriedigung und moralischer Ruhe, welches Sie nach heißem Gebet empfand”.
Der Beschreibung der im Ipatjev Haus gefundenen Bücher zuvorkommend wollen wir nun versuchen, die Charakterzüge ihrer Besitzerin wiederzugeben. Das sich ergebende Bild des Gehorsams, der Demut und Sorge um den Nächsten ist die Frucht des sich Aufopferns in mütterlicher Fürsorge.
Die Zarin, welche die Heilige Orthodoxie mit ganzem Herzen annahm, betrachtete es als ihre mütterliche Pflich, ihre Kinder im Geist der orthodoxen Frömmigkeit aufzuziehen.
Von allen Kindern stand Zarevna Tatjana “der Mutter am nächsten und war ihr und des Vaters Liebling. Völlig bar jeder Eigenliebe, war diese immer bereit, ihre Pläne zurückzustellen, wenn sich die Möglichkeit ergab mit dem Vater spazierenzugehen, der Mutter vorzulesen oder das zu tun, worum man sie bat. Tatjana Nikolaevna war es, die sich mit den jüngeren Geschwistern abgab, die half, im Palast alles so einzurichten, daß die offiziellen Zeremonien mit den persönlichen Plänen der Familie harmonisierten. Sie besaß den praktischen Sinn ihrer Mutter, der Zarin, und nahm alles genauestens in Angriff. Sie hatte zwar nicht den starken Charakter von Olga Nikolaevna, unter deren Einfluß sie immer stand, aber in Fällen, die entschiedenes Handeln erforderten, traf sie schneller Entscheidungen, als ihre ältere Schwester und verlor niemals den Kopf”. (Erinnerungen von Sofia Buksgevden).
“Wenn die Zarin ihre Töchter vergleichen wollte, dann gab sie Tatjana Nikolaevna den Vorzug. Unnötig zu sagen, daß ihre Schwestern die Mutter nicht weniger liebten, aber Tatjana Nikolaevna vermochte ihre Mutter mit niemals mangelnder Fürsorge zu umgeben und erlaubte sich niemals, irgend welchen Unmut auszudrücken”. (Erinnerungen von P. Gilliard).
“Alle Lehrer und Gouvernanten waren ihr mehr als den anderen Kidnern zugetan; niemals verursachte sie irgend jemandem Unannehmlichkeiten. Immer kannte sie die Bedürfnisse und Wünsche ihrer Eltern und versuchte sie zu erfüllen, weshalb die Kinder sie mit “Gouvernante” betitelten. Sie war flink und behend. Sie war sehr geschicht im Handarbeiten und besaß einen vorzüglichen Geschmack. Ihre Handarbeiten entzückten alle. Sie hatte die Aufgabe, Geschenke auszuwählen, und ihre Wahl war immer gelungen... Sie lachte nur selten, war sehr gut und wußte die Ruhe zu bewahren.” (Erinnerungen von A.A. Vyrubova).
Das geistliche Leben der Zarenfamilie lag im Verborgenen, kaum einer kennt es, doch es ist sehr bemerkenswert und lehrreich.
Die stummen Zeugen des geistlichen Lebens der kaiserlichen Märtyrer in der Gefangenschaft sind die Bücher geistigen Inhaltes, die sie bei sich hatten und die von den Gerichtsbehörden später gefunden wurden. Als am 20. Juli/2. August 1918, nur etwas mehr als zwei Wochen nach dem erfolgten Verbrechen, der gerichtliche Untersuchungsbeamte in das Ipatjev Haus eindrang, waren viele Gegenstände der Zarenfamilie vernichtet, viel war ausgeplündert. Alles, was im Hause erhalten blieb, wurde später bei den von dem Kriminalamt in Jekaterinburg durchgeführten Suchungen gefunden und sorgfältig gesammelt, wonach eine vollständige Liste aller der Zarenfamilie gehörenden Gegenstände mit ihrer genauen Beschreibung erstellt wurde.
Einen auffälligen Platz unter diesen Sachen nehmen die Bücher ein, und unter ihnen verdienen die Bücher geistigen Inhaltes besondere Aufmerksamkeit. So wurden vier solche der Zarin und 15 der Großfürstin Tatjana Nikolaevna gehörende Bücher gefunden. Diese kleine Bibliothek könnte die Ausstattung jeder beliebigen Mönchszelle sein. Wir führen nun ihre genaue Beschreibung an mit Angabe der Nummern in Klammern, unter welchen sie im Verzeichnis figurieren (s. Sokolov, S. 281, 283 und 284).
a) Bücher der Zarin
1 (195). “Die Leiter” des Hl. Johannes Klimakos, Ausg. 1909, in rotem, goldgeprägtem Einband. Auf der Rückseite des ersten Blattes des Buches ist ein rhombenförmiges Etikett mit dem Monogramm “ A.F.” und der Zarenkrone eingeklebt. Auf der dritten Seite, wo der Titel des Buches gedruckt steht, ist in Bleistift von der Zarin geschrieben: “A.F. C.S. März 1906”.
2 (196). “Über das Erdulden von Trübsal, die Lehre der Heiligen Väter”, zusammengestellt von Bischof Ignatij Brjan¡caninov, Ausg. 1893, in hellblauem Einband, geprägt in Gold mit Schwarz.. Auf der Rückseite des Einbandes ist ein rautenförmiges Etikett mit dem Monogramm” A.F.” und der kaiserlichen Krone geklebt. Auf der Rückseite des Einbandblattes ist von Hand von der Zarin geschrieben: “A.F. Petergof 1906”. In dem Buch sind sehr viele Bleistiftanmerkungen und unterstrichene Sätze.
3 (197). “Gebetsbuch”. Buch in dunkelblauem Kalikoeinband. Auf der Rückseite des Titelblattes ist ein Kreis aufgeklebt, in dem ein zusammengesetztes Monogramm “N.A.” und “A.F.” eingraviert ist, sowie die Zarenkrone. Auf der letzten Seite des Einbandblattes ist mit schwarzer Tinte geschrieben: “6. Mai 1883”. In dem Büchlein sind einige gepreßte Blumen und ein hellblaues Seidenband mit einem Kringel.
b) Bücher der Großfürstin Tatjana Nikolaevna
1 (208) “Gebetsregel zur Vorbereitung zur Heiligen Kommunion”. Buch in hellblauem geprägtem Einband. Auf der ersten Seite steht von der Hand der Zarin geschrieben: “Meiner kleinen Tatjana von der Mama, 9. Febr. 1912, Carskoe Selo”. Das Buch ist auf kirchenslawisch gedruckt. Auf S. 14 ist ein Buchzeichen, welches das Gebet Jesu im Garten Gethsemane darstellt. Auf S. 31 ein Buchzeichen-Bildchen der Allerreinsten Gottesgebärerin als Lebenspendende Quelle. Auf S. 44. ein Bildchen der Muttergottes von Cholm. Auf S. 60 ein Bildchen des Hl. Johannes des Kriegers und auf der Rückseite dieses Bildchens ist geschrieben: “V.K.T.N.1918”. Auf S. 63, ein Seidenband-Buchzeichen, auf dessen eine Seite das goldene imperatorische Siegel geklebt ist, während auf der anderen ist ein Papierchen mit der Aufschrift “Schütze und bewahre” aufgeklebt und Mond und Sterne aufgemalt sind. Auf S. 74 und 153 befindet sich ein Buchzeichen in Form eines weißen Seidenbandes, an dessen einem Ende im Kringel eine goldene Ikone der Großmärtyrerin Varvara und eine silberne Ikone des Hl. Panteleimon und der Großmärtyrerin Varvara angebracht sind, am anderen Ende eine silberne Ikone der Gottesmutter als Erretterin und ein Emailbilchen der Muttergottes von Vladimir. Auf diesem Bändchen ist auch ein goldener Kringel mit einer ausgekerbten Inschrift zum Gedächtnis an das 800-jährigen Bestehen des Kiever Klosters der Hl. Varvara. Auf S. 92 ein Buchzeichen-Bildchen der Muttergottes “Trost in Kummer und Trübsal”. Auf S. 110 ist ein Bildchen des Hl. Simeon von Verchotursk.
2 (209). “Wohltaten der Muttergottes für das Menschengeschlecht durch Ihre heiligen Ikonen”. Buch in rotem Einband. Auf der inneren weißen Einbandseite ist eine Darstellung des Kreuzes mit der Handschrift der Zarin auf Englisch und Russisch: “For my Darling Tatiana fr. her loving old Mama. Tobolsk. 12. Jan. 1918”. Dieses Buch ist das letzte Namenstagsgeschenk an die Großfürstin von ihrer Mutter, zum Tag der Hl. Tatjana.
3 (210). “Stundenbuch”. Buch in braunem festem Einband. Auf der ersten Seite ist von der Hand der Zarin geschrieben: “T.N. Tobolsk, 30. Sept.”. Auf S. 113 ist ein rotes Buchzeichen, auf welchem ein Schildchen mit Darstellung von Schwert und Krone und der Schrift “Für Glaube, Zar und Vaterland” aufgeklebt ist, und auf der anderen Seite ein Papierchen mit der Aufschrift: “Rette und bewahre, 1906”.
4 (211). “Briefe über das christliche Leben”. Buch in schwarzem Einband. Auf der Rückseite ist von der Hand vder Zarin geschrieben: “An Tatjana 1917, C.S. 12. Juli”.
5 (212) “Über das Erdulden von Trübsal”, Buch in grauem Einband. In einer Ecke des Umschlags von der Zarin handgeschrieben: “T.N. 1817”.
6 (213). “Leben und Wunder des Heiligen Gerechten Simeon von Verchotursk”. Buch in grauem Umschlag. In der Ecke von der Zarin von Hand geschrieben: “T.N. Tobolsk 1918”.
7 (214) “Leben unseres ehrwürdigen Vaters Serafim von Sarov”. Buch in grauem Einband. In einer Ecke von der Zarin von Hand geschrieben: “T.N. Tobolsk 1918”.
8 (215). “Akathist an die Gottesgebärerin”. Buch in weißem Einband, mit Ölflecken. Auf dem Einband von der Zarin von Hand geschrieben: “T.N. 27. Febr. 1913, C.S.” Auf der Innenseite mit Hand von der Großfürstin Tatjana Nikolaevna: “Fest des Ikone der Allerheiligsten Gottesgebärerin ‘Freude aller Trauernden’ (seit 1688), 24. Oktober”.
9 (216). “Zwölf Evangelien”, Buch in grauem Einband. Auf der Umschlagseite von der Hand der Zarin geschrieben: “T.N. 1915”.
10 (217). “Mein Leben in Christus”. Buch in braunem Leineneinband. Auf dem ersten Blatt von der Hand der Zarin geschrieben: “T.N. 1915”.
11 (218). “Trost beim Tod der dem Herzen Nahestehenden”. Buch in hellgrünem Umschlag. In einer Ecke von der Hand der Zarin geschrieben: “T.N. 1917”.
12 (219). “Auswahl kurzer erbaulicher Lesungen für alle Tage des Jahres” von Graf P.A. Valuev. Buch in hell-lila Einband. Auf S. 259, 271, 307 und 417 sind getrocknete Blumen eingelegt.
13 (220). “Über die Leiden des Filaret”. Buch in blauem geprägtem Einband.
14 (221). “Großer Kanon des Andreas von Kreta”. Buch ohne Einband. Auf der Titelseite steht eine Widmung “Für Tatjana, Carskoe Selo, 10. Februar 1909, von S. Tjut¡ceva”.
15 (222). “Sammelband von Gottesdiensten, Gebeten und Hymnen”. Buch in himbeerfarbenem geprägtem Einband. Auf dem Umschlag steht geschrieben: “Der lieben Tatjana von Herzen von S. Tjut¡ceva 1908, 25. Nov.”. Auf der anderen Seite dieses Blattes steht mit Bleistift von der Hand der Großfürstin Tatjana Nikolaevna geschrieben: “Alle Tropare und Kondake und Töne”.
Auf S. 133 ein Buchzeichen-Bändchen, auf dessen einer Seite in einem Kringel ein Maltäserkreuz gemalt ist und über dem Kreuz die Aufschrift: “T.N. 1905”, während auf der anderen in Bleistift steht “An Tatjana”. Auf S. 191 ein Bildchen der Hl. Märtyrerin Tatjana, und auf der Rückseite die Aufschrift: “Der Herr behüte dich!” Auf S. 277 eine gepreßte Kamille als Buchzeichen. Auf der letzten Einbandseite von der Hand der Großfürstin Tatjana Nikolaevna geschrieben: “Das letzte Herr Erbarme dich, No. 79 der Znameni-Gesangsweise”.
Bischof Mefodij, welcher im Sommer 1937 einige Bücher aus dieser Liste zu Augen bekam und las (die Nummern 195, 196, 208, 209, 210, 219), die sich bei ihrer kaiserlichen Hoheit, der Großfürstin Xenia Alexandrovna befanden, schreibt: Bereits diese Aufzählung spricht darüber, von welchem jungen Alter an in der Zarenfamilie spirituelle Bedürfnisse erschienen. Mit großer Ergriffenheit und Ehrfurcht blättert man diese Bücher durch und aus den vielzähligen in ihnen unterstrichenen und angemerkten dem Herzen nahen Stellen, sieht man, wie aufmerksam sie gelesen wurden und von welchem tiefen spirituellen Trachten die Lesenden erfüllt waren. Bei der “Gebetsregel” ist aus der Anmerkung ersichtlich, daß einige Irmosse und Gebete auch zum Singen eingeübt wurden.
Man verlangt danach, mit anderen zu teilen, was diese Bücher aussagen, man verlangt danach, aus ihnen (besonders aus den Büchern der Zarin “Über das Ertragen von Trübsal”) einige Stellen hervorzuheben, wenigstens die unterstrichenen und angemerkten. Diese Stellen sprechen nicht nur über die spirituelle Verfassung der durchlauchten Familie, über ihren festen, tiefen Glauben, ihre Demut, ihr Allverzeihen und ihre spirituelle Wachsamkeit, sondern sie sind so etwas wie ihr geistliches Vermächtnis und ihre Belehrung an die Nachwelt. Mögen die von ihnen unterstrichenen und von ihrem Blut bezeugten Worte uns zur geistlichen Erbauung und Weisung gereichen!
Dem Leiden, seinem gottergebenen Ertragen und dem Trachten, den Geboten des Herrn treu zu bleiben, schenkten die durchlauchten Leser die meiste Beachtung.
“Wer ein Nachahmer Christi sein möchte, um dadurch die Berufung zu einem Sohn Gottes, geboren aus dem Heiligen Geist, zu gewinnen, muß vor allem mutig und gottergeben alles ertragen, was ihm widerfährt: körperliche Krankheiten, Kränkungen und Schmähungen von den Menschen, sowie Verleumdungen von den unsichtbaren Feinden: denn nach der Göttlichen Vorsehung, die allen gottweise und mit allgutem Zweck das Nützliche verfügt, werden solche Heimsuchungen durch verschiedene Mißgeschicke und Plagen den Seelen auferlegt (Anm: hier mit doppelter Linie unterstrichen und im weiteren ebenso in den Büchern unterstrichen), damit es sich klar erweise, welche von ihnen Gott aufrichtig lieben... in der Gewißheit, daß ohne Gott nichts mit uns geschieht, und deshalb müssen sich Seelen, die Gott gefällig sein möchten, vor allem in Geduld und Hoffnung fassen” (Hl. Makarius der Große, S. 4-5).
Wie man sieht, war das ganze Leben der kaiserlichen Märtyrer von Glauben, Hoffnung, Geduld und innerer Arbeit an sich selbst erfüllt:
“Die Prüfungen und Leiden, lesen wir, werden dem Menschen zu seinem Nutzen gesandt; sie machen die Seele erfahren und stark...” (ebendort, S. 5).
“Die Leute Gottes müssen sich zur Schlacht und zum Kampf bereiten. Der jugendliche Krieger erträgt mutig die erlittenen Wunden und schlägt tapfer die Widersacher: In eben dieser Weise müssen die Christen mannhaft Beleidigungen und Kampf ertragen, sowohl äußere wie auch innere. Die vom Kummer bedrängten Christen müssen mittels der Geduld fortschreiten. Das ist der Weg des christlichen Lebens. Wo der Heilige Geist ist, folgt wie der Schatten auf die Sonne Verfolgung und Kampf. Blicke auf die Propheten, in denen der Heilige Geist wirkte: welchen Nachstellungen waren sie nicht unterworfen. Blicke auf den Herrn, welcher der Weg und die Wahrheit ist, und welcher Verfolgung erlitt, und zwar nicht von irgendeinem fremden Volk, sondern von Seinem eigenen Geschlecht...” (ebenda, S. 8).
Die von den Feinden umgebenen Gefangenen stärkten sich an dem Vorbild der heiligen Märtyrer und des Herrn Selber: “Es gebührt sich für Christen nicht, bei Mißgeschicken ins Wanken zu geraten: verfolgt zu werden, ist ein nicht wegzudenkender Bestandteil der Wahrheit. Die Märtyrer, die durch viele Arten von Pein gingen, manifestierten die Kraft unbesiegbarer Tapferkeit und starben sogar eines gewaltsamen Todes: danach sind sie der Kronen würdig geworden. Desto vielzähliger und schwerer ihre Qualen waren, umso vermehrt erwarben sie Glorie bei Gott und Beherztheit vor Ihm”. (Ebenda, S. 9).
Und die durchlauchte Familie harrte wahrhaft tapfer bis zum Ende durch: “Wir müssen tapfer um des Herrn willen alles ertragen gleich mutigen Kriegern, uns nicht von unserem König lossagen und für Ihn sterben” (ebendort, S. 10).
“Offensichtlich ist es: Für Christus erleiden wir diese Pein durch den Widersacher... er rüstet sich, unsere Seelen in Erschlaffung und Verzagtheit zu stürzen... Aber wir kämpfen mit Christus, und alle Schliche des Feindes gegen uns werden zerstört. Christus ist unser großer unbesiegbarer Beschützer und Fürsprecher... Uns ist aufgetragen, unser Kreuz auf uns zu nehmen und Christus nachzufolgen, was bedeutet – ständig zum Tod bereit zu sein. Wenn wir in solch einer Gemütsverfassung sind, dann werden wir, wie gesagt, mit großer Gelassenheit allen Kummer, sowohl von innen als auch den von außen kommenden, ertragen... Jene, die sagen, daß sie den Herrn lieben, mögen sie die Richtigkeit ihrer Worte nicht nur durch großmütiges Ausharren in allen ihnen begegnenden Mühsalen zeigen, sondern auch durch bereitwillige Duldung, mit Liebe, um die in den Herrn gesetzte Hoffnung willen” (S. 10-11).
“Der Herr gebot, die Gerechtigkeit Gottes zu suchen: Diese Gerechtigkeit ist die Mutter der Liebe. Es ist nicht möglich, anders gerettet zu werden, als durch den Nächsten. Laßt die Schuld nach – gebot der Herr – und euch wird nachgelassen werden. Darin liegt das spirituelle Gesetz beschlossenn... Und so liegt die Erfüllung des Gesetztes in der Vergebung der Kränkungen... Jene, die das Gesetz geistig erfüllten, und im Maße ihrer Erfüllung zu Teilhabern an der Gnade wurden, liebten nicht nur die ihre Wohltäter, sondern auch die sie Schmähenden und Verfolgenden, in der Erwartung, Liebe als Belohnung für ihre Güte zu gewinnen. Die Güte befähigte sie nicht nur dazu, daß sie die ihnen angetanen Widrigkeiten verziehen, sondern auch dazu, den Seelen der Beleidiger Nutzen zu bringen, indem sie Gott für sie baten, als für Werkzeuge, durch welche sie Seligkeit erlangen werden, nach dem Zeugnis der Schrift: “Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwegen schmähen und verfolgen” (Mt. 5,11) (S. 12-14).
Wenn man daran denkt, in welcher Lage sich jene befanden, die diese Zeilen unterstrichen, dann muß man sich vor ihrem geistigen Bestreben verneigen.
“Der lebendige Glaube ist ein fester Pfeiler: Christus ist für den mit solchen Glauben an Ihn Glaubenden alles” (Hl. Markus der Asket, S. 16).
Und das Gemüt der Leidensdulder wendet sich reumütig auf sich selbst: “Erforsche deine eigenen Sünden, und nicht die Sünden des Nächsten, und deine geistige Errungenschaft wird nicht geraubt werden... Erforsche die letztendliche Auswirkung jeder Kränkung genau und du wirst finden, daß sie in der Vertilgung der Sünde liegt” (ebenda, S. 19).
“Keiner besiegte die Trübsal anders, als durch Gebete und Reue... Jeder ernet, was er säte... Lasse die Sünde nicht unausgelöscht, selbst wenn sie die allerkleinste ist: andernfalls wird sie dich zu großem Übel hinreißen... Wenn du gerettet werden willst, liebe das wahrhaftige Wort und vermeide nicht die Bloßstellung... Besser mit Großmut für den Nächsten beten, als ihn jeder seiner Versündigungen zu bezichtigen... Der wahrhaft Reue Übende fällt der Schmähung der Törichten anheim; das dient ihm als Zeichen dafür, daß er Gott wohlgefällig ist...” (ebenda, S. 20-22).
Aber die Betrübnisse werden nicht nur für die Sünden herabgesandt:
“Meine nicht, daß jeder Kummer den Menschen wegen ihrer Sünden gesandt wird: Es werden auch die Gott Wohlgefälligen heimgesucht... Alle, die gottesfürchtig in Christus leben wollen, müssen Verfolgung erleiden” (2. Tim. 3,12) (ebenda, S. 24).
In dem Buch gibt es viele unterstrichene Stellen über das Gebet:
“Bei jeder Sache und in jeder Lage suche unverzüglich im Gebet zu Gott Zuflucht, damit du bei allem die Hilfe Gottes hast” (ebenda, S. 32). Es gehört sich, stets zu beten, und sich nicht der Verzagtheit hinzugeben (S. 37).
In einer Linie mit dem Gebet sehen wir auch das große Vertrauen zum Herrn:
“Der Herr vergilt zur rechten Zeit jedem das ihm Gebührende” (S. 24).
Und den Nachdruck auf die Einhaltung Seiner Gebote:
“Wer meine Gebote hat und hält sie, der ist’s, der mich liebt. Wer mich aber liebt, der wird von meinem Vater geliebt werden, und ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren” (Jh. 14,21) “sorget euch nicht um den morgigen Tag” (S. 47).
“Eine große Sache ist es, den Bedürftigen Almosen zu geben, wenn man Geld hat; aber mit dem wider uns sündigenden Nächsten Erbarmen zu haben, steht soviel höher, und befähigt soviel mehr zur Erlangung von Verzeihen, als die Seele ihrem Wesen nach erhabener als der Körper ist” (Hl. Asket Mark, S. 78).
Ungeachtet der Leiden muß man Frohsinn und Wachsamkeit bewahren:
“Zu jeder Zeit, an jedem Ort und in jeder Sache werden wir uns fest an ein Ziel halten,damit wir uns, auch wenn wir verschiedenen Schmähungen von den Menschen ausgesetzt sind, froh bleiben und nicht in Trübsinn verfallen: das bedeutet sich nicht einfach grundlos und sinnlos zu freuen, sondern sich deshalb zu freuen, daß wir die günstige Gelegenheit zur Erlangung von Vergebung für unsere Sünden erlangen, wenn wir dem Nächsten vergeben. Darin liegt die Vernunft der Wahrheit beschlossen” (ebenda, S. 80).
Jede Verzagtheit ist zu meiden:
“Es gibt keinen Anlaß für die bitter Leidenden zum Selbstmord: Es darf keiner und auf keinen Fall, bis zum letzten Atemzug nicht, verzweifeln” (Hl. Johannes Klimax, S. 87).
Dann folgen Stellen über die Demut und Sanftmut:
“In jenem, der die Demut erlangte, erscheint kein Haß und Widerspruch mehr; von ihm hört man keine Seufzer der Aufsässigkeit”. “Etwas anderes ist es, sich zu erhöhen, etwas anderes sich nicht zu erhöhen, und noch etwas anderes, sich zu demütigen. In der ersteren Gemütsverfassung richten und verurteilen wir die Nächsten den ganzen Tag über; in der zweiten richten und verurteilen wir weder die anderen, noch uns selbst; in der dritten jedoch, , verurteilen wir uns selbst unaufhörlich, während wir vor Gott gerechtfertigt sind” (ebenda, S. 89).
“Die Sanftmut besteht daran, daß wir bei Beleidigungen durch den Nächsten diese nicht empfinden und ganz einfach für ihn beten” (S. 92). “Einfachheit geht immer mit Demut einher” (S. 94). Aber “der Hochmut ist der Anfang und die Vollendung alles Bösen” (S. 97). “Von der Vergessenheit um die Sünden kommt sich der Hochmut; die Erinnerung an die Sünden ist die Grundlage der Demut”. “Die Sanftmut ist die gleichmütige Stimmung der Seele, die immer dieselbe ist, sowohl bei Schmähungen, als auch beim Gepriesenwerden” (S. 98-99). “Selig ist jener, der jeden Tag gescholten und erniedrigt, sich zum Ausharren um Gottes willen erzog; er wird teilhaben an dem ewigen Fest der Märtyrer, und wird kühn mit den Engeln in Gemeinschaft treten” (S. 194). “Trinke beherzt die Beschimpfungen wie das Wasser des Lebens von einem jedem Menschen, der versucht, dir reinigende Arznei einzuflößen, welche aus dem Herzen die Genüßlichkeit austreibt.Wenn du dich an diese Regel hältst, dann wird tiefe Reinheit in deine Seele einkehren, und das Licht Gottes wird in deinem Herzen nicht verblassen” (ebenda, S. 105).
Und wiederum, welch ein Glauben an die Göttliche Vorsehung:
“Man muß glauben, daß nichts ohne die Vorsehung Gottes geschieht. Wo die Göttliche Vorsehung wirkt, von dort geht alles nur mögliche Gute, aller mögliche Nutzen für die Seele aus, weil alles, was Gott mit uns tun, Er zu unserem Besten tut, Er tut, weil Er uns liebt und gnädig ist; und wir müssen für alles Seiner Gnade danken, nach dem Geheiß des Apostels, uns niemals wegen dessen, was mit uns geschieht, der Trauer und Mutlosigkeit hingeben. Alles, was uns ereilen mag, wollen wir ohne Aufruhr empfangen, mit demütigem Herzen und in der Hoffnung auf Gott, in dem Glauben – wie ich sagte –, daß alles, was Gott mit uns wirken mag, Er aus Seiner Gnade heraus wirkt, uns liebend und zu unserem Wohl, daß uns anders kein Nutzen werden kann, als durch jenes Mittel, das Gott einsetzt”. “Gott, ist die Quelle der Weisheit, Er verfügt weiß das uns Nützliche für uns, und gemäß dieser Verfügung richtet Er alles ein, was uns betrifft, sogar bis zu den kleinsten Kleinigkeiten. Gott ist alles möglich; für Ihn gibt es nichts Unmögliches. Im Wissen, daß Gott Seine Schöpfung liebt und mit Gnade umgibt, daß Er der Ursprung der Weisheit ist, daß Er vorsieht, auf welche Weise sich unsere Umstände gestalten müssen, daß es nichts Unmögliches für Ihn gibt, daß alles Seinem Willen dient, also wissend, daß alles, was Er tut, zu unserem Frommen gereicht, sind wir verpflichtet, alles uns Zugewiesene anzunehmen, auch wenn dieses voller Trübnis ist, und zwar mit Dankbarkeit als von unserem Wohltäter, als von unserem Gebieter. Alles was geschieht, geschieht nach dem gerechten Richterspruch Gottes, und Gott, der unendlich erbarmungsreich ist, verachtet unseren Kummer nicht, auch nicht den kleinsten”.
So bereitete sich die durchlauchteste Familie zu dem Märtyrerende vor.
“Gott läßt uns keine Heimsuchungen zu, die unsere Kraft übersteigen würden” (Ehrw. Abba Dorotheus, S. 114-115). “Wenn jemand die Plage mit Geduld und Demut erträgt, dann wird sie schadlos an ihm vorübergehen” (ebenda, S. 116). “Beharre, folge dem geistigen Weg und bete zu Gott!” (ebenda, S. 117).
Nicht leicht war die Leidensduldung der Eingeschlossenen. Im Buch ist unterstrichen: “Die Geistestärke jener, die die Tugend gewinnen wollen, liegt darin, daß sie nicht kleinmüitig werden, wenn sie fallen, daß sie nicht in Verzweiflung geraten, sondern fortfahren in ihrem geistigen Streben” (S. 123). Denn durch viel Trübsal müssen wir in das Reich Gottes gehen (Apg 14,22).
Offenbar nicht leicht war es, das Verhalten der Umgebung zu ertragen:
“Suche nicht Liebe vom Nächsten. Einer der Liebe begehrt, empört sich, wenn er sie nicht sieht. Erweise besser du dem Nächsten deine Liebe. Handle so, und du wirst selber ruhig werden und den Nächsten zu einer liebevollen Haltung bringen” (ebendort, S. 126).
“Nötige dich zu allem Guten und töte deinen Willen: Durch die Gnade Christi und das eigentliche Leidensdulden gelangst du zu der Gewohnheit der Verleugnung deines eigenen Willens und du wirst ihn bald ohne jede Kraftanstrengung und Bitterkeit leugnen, so daß alles, was dir widerfährt, dir vorkommt, als geschehe es nach deinem Willen und deinem Wunsch” (S. 127)
Auf dem geistigen Weg muß man die Sünde der Verurteilung anderer vermeiden:
“Verlange nicht danach, die Laster und Versündigungen deines Nächsten zu kennen und hege keinen Verdacht gegen ihn, welcher nur vom Feind eingegeben wird... Danke für alles, erwerbe den gnadenvollen Zustand und die heilige Liebe. Mit der größtmöglichen Sorgfalt wollen wir unser Gewissen in all unseren Beziehungen beschützen: zu Gott, zum Nächsten, zu den Dingen... Nichts ist schlimmer, als das Verurteilen, sagten die Väter” (S. 128-129).
“Wir wissen, worüber wir uns Sorgen machen sollen. Jeder kennt sich selbst und sein Übel. Die anderen Menschen zu rechtfertigen oder zu verurteilen, obliegt alleine Gott, welcher die Motivation, die Kraft, die Umstände, die Begabung, die körperliche Beschaffenheit, die Befähigung eines jeden kennt, und gemessen daran, jeden mit dem Gericht richtet, das nur Gott alleine begreiflich ist.” (S. 130-131).
Man sollte Liebe besitzen:
“Laßt uns die Liebe erwerben, ein barmherziges Herz dem Nächsten gegenüber..., um dadurch einander zu helfen, wie den eigenen Gliedern” (S. 133). “Je mehr wir uns einer dem anderen annähern, umso mehr nähern wir uns Gott an” (S. 134). “Wollen wir uns ernüchtern, Brüder, und mit der Hilfe Gottes gegen die allverderbliche Neigung des üblen Nachtragens kämpfen, um uns aus seinem Griff zu befreien.” (S. 137).
“Auf welche Weise kann man Heilung von dem nachtragenden Charakter erlangen? Bete aus ganzem Herzen für die dich Kränkenden und sprich: Gott, hilf meinem Bruder und mir, um seiner Gebete willen” (S. 138). “Solange wir Zeit haben, wollen wir auf uns achten und emsig an uns arbeiten” (ebenda, S. 139). “Verfalle nich in Kleinmütigkeit, sondern danke Gott” (Ehrw. Isaias der Einsiedler, S. 145). “Hege überhaupt keinem Menschen gegenüber Feindschaft. Andernfalls wird Gott deine Gebete nicht annehmen. Habe Frieden mit allen und du wirst Kühnheit im Gebet besitzen” (S. 151). “Es ist nötig, daß du die Beleidigungen und Schmähungen, die dir von den Mitmenschen angetan werden, vergißt” (S. 153). “Der Sohn Gottes wurde Mensch, damit Seine Nachfolger Ihm gleich würden an demütiger Weisheit, Uneigennützigkeit, niedriger Stellung in der Welt, Erdulden von Beleidigung und Schimpf, Unbekümmertheit um den Körper, Mißachtung der Verleumdungen böser Dämonen. Wer die Leidenschaften besiegt hat und zu diesem Zustand gelangt, der ist von Christus, der ist ein Sohn Gottes und Bruder Jesu”. Der Herr sagte: Wahrlich, wahrlich ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehret und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen (Mt. 18,3) (S. 156). Wer überlegt Sein Schicksal (Is. 53,8) (s.159). “Beobachte dich aufmerksam und denke, daß die Vorwürfe und Unehre, die um des Herrn willen ertragen werden, eine große Errungenschaft für deine Seele darstellen, ihr als Mittel zum Heil dienen. Wer sie getrost erduldet, wird sich nicht empören. Überlege dir, daß du eigentlich unvergleichlich mehr für deine Sünden leiden müßtest. Sage dir selbst: Ein großer Gewinn ist es für mich, daß ich würdig gefunden werde, diese Leiden und Betrübnisse um des Herrn willen zu ertagen. Die vielen Betrübnisse und Erniedrigungen, denen ich ausgesetzt bin, machen mich vielleicht in einem gewissen Grade zu einem Nachfolger des für mich leidenden Gottes. Jedes Mal, wenn du an die dich Kränkenden denkst, so werde nicht ungehalten über sie: Bete aufrichtig für sie, von ganzer Seele, wie für deine Wohltäter, die dir große Gewinne bringen” (S. 160). “Gott ist überall anwesend und sieht alles” (S. 162). “Hoffe auf Ihn alleine” (ebenda, S. 163).
Diese letzten Worte sind in dem Buch der Zarin unterstrichen. Solcher Art sind die Gedanken, die Gefühle, welche die Glieder der Zarenfamilie hegten und durchlebten, als sie sich in Gefangenschaft befanden. Daraus ist ersichtlich, bis zu welcher spirituellen Höhe sie aufstiegen. Mit solch einer Haltung bereiteten sie sich auf die letzte Prüfung vor, zu dem Opfer des Märtyrertodes. Wollen wir diese Auszüge mit Worten beenden, die in einem Buch der Großfürstin Tatjana Nikolaevna unterstrichen sind:
“Die an den Herrn Jesus Christus Glaubenden gingen zum Tod wie zu einem Fest... Dem unvermeidlichen Tod sich gegenübersehend bewahrten sie eben diese wunderbare Gelassenheit des Geistes, die sie auch nicht für eine Minute verließ... Sie gingen dem Tod deshalb ruhig entgegen, weil sie hofften, in ein anderes, geistiges Leben, das sich dem Menschen jenseits des Grabes eröffnet, einzutreten”.
Wir wissen, daß all diese Gedanken, Stimmungen und spirituellen Impulse der Zarenfamilie durch ihr Leben und ihr Märtyrerende bezeugt wurden. In der Heimsuchung und Trübsal wuchs und erstarkte ihr Glauben...
“Wer bis zum Ende ausharrt, wird gerettet werden”...
“Selig diejenigen, die du ausgewählt und angenommen hast, Herr... Ihr Gedenken währe von Geschlecht zu Geschlecht”...
Brief der Märtyrer-Zarin
“28. Mai 1917, Carskoe Selo.
Alles kann man ertragen, wenn man Seine (Gottes) Nähe und Liebe fühlt und in allem fest an Ihn glaubt. Nützlich sind die schweren Prüfungen, sie bereiten uns auf das andere Leben vor, zum weiten Weg. Es ist leichter, die eigenen Leiden zu ertragen, als die anderer zu sehen und ihnen nicht helfen zu können. Sehr viel lese ich im Evangelium und der Bibel, weil ich mich auf die Religionstunden mit den Kindern vorbereiten muß, und es ist dann eine große Tröstung all das mit ihnen zu lesen, was unsere geistige Nahrung darstellt. Und jedes Mal findet man dabei etwas Neues und versteht besser. Ich habe viele solcher guten Bücher, immerzu mache ich Auszüge daraus. Dort gibt es keine Heuchelei. Haben Sie jemals die Briefe von Johannes Chrysostomos an die Diakonisse Olympiada gelesen? Ich habe sie mir nun wieder vorgenommen. Solch eine Tiefe steckt darin, bestimmt würden sie Ihnen gefallen. Meine guten Bücher helfen mir sehr. Ich finde in ihnen auf vieles eine Antwort. Sie geben mir Kraft und Trost für die Lektionen mit den Kindern. Sie verstehen vieles sehr tief, die Seele wächst in der Trübsal. Das wissen Sie ja selbst. Morgen um zwölf Uhr gibt es ein Moleben, Tatjana wird 20 Jahre alt. Gott sei dank, sind sie alle gesund. Man muß immerdar Gott für alles danken, was Er uns gibt, und wenn Er es wegnimmt, dann wird es vielleicht noch heller, wenn man ohne Murren alles erträgt. Stets sollte man hoffen. Gott ist so groß, und man braucht nur zu beten, beten, unermüdlich Ihn zu bitten, die geliebte Heimat zu retten. Schrecklich ist sie heruntergekommen, in so kurzer Zeit. Aber dann, wenn alles so schlecht ausschaut, daß es schlimmer nicht sein könnte, dann zeigt Er Sein Erbarmen und rettet alles. Wie und was, das ist nur Ihm alleine bekannt... Obwohl jetzt Finsternis herrscht, so scheint doch die Sonne hell in der Natur und gibt Hoffnung auf Besseres. Sie werden sehen, wir haben den Glauben nicht verloren, und ich hoffe, ihn niemals zu verlieren, er gibt mir Kraft, die Geistesstärke, alles zu ertragen.”
Das geistliche Leben der Zarenfamilie lag im Verborgenen, kaum einer kennt es, doch es ist sehr bemerkenswert und lehrreich.
Die stummen Zeugen des geistlichen Lebens der kaiserlichen Märtyrer in der Gefangenschaft sind die Bücher geistigen Inhaltes, die sie bei sich hatten und die von den Gerichtsbehörden später gefunden wurden. Als am 20. Juli/2. August 1918, nur etwas mehr als zwei Wochen nach dem erfolgten Verbrechen, der gerichtliche Untersuchungsbeamte in das Ipatjev Haus eindrang, waren viele Gegenstände der Zarenfamilie vernichtet, viel war ausgeplündert. Alles, was im Hause erhalten blieb, wurde später bei den von dem Kriminalamt in Jekaterinburg durchgeführten Suchungen gefunden und sorgfältig gesammelt, wonach eine vollständige Liste aller der Zarenfamilie gehörenden Gegenstände mit ihrer genauen Beschreibung erstellt wurde.
Einen auffälligen Platz unter diesen Sachen nehmen die Bücher ein, und unter ihnen verdienen die Bücher geistigen Inhaltes besondere Aufmerksamkeit. So wurden vier solche der Zarin und 15 der Großfürstin Tatjana Nikolaevna gehörende Bücher gefunden. Diese kleine Bibliothek könnte die Ausstattung jeder beliebigen Mönchszelle sein. Wir führen nun ihre genaue Beschreibung an mit Angabe der Nummern in Klammern, unter welchen sie im Verzeichnis figurieren (s. Sokolov, S. 281, 283 und 284).
“Gottgekrönte Märtyrerin, heilige Zarin Alexandra, wer sollte dein wahrhaft evangelisches Leben berichten? Du bist von der Heterodoxie zum orthodoxen Glauben gelangt, den du mit deinem ganzen Herzen umfangen hast; du liebtest das Gebet, die Kirche und die heiligen Mysterien, wie sie von den heiligen Vätern gelehrt werden, du erzogst deine Kinder in Gottesfurcht und bereitetest sie zum Martyrium für Christus, du ertrugst sanftmütig die Verleumdung derjenigen, die Gott vergaßen und deinen wahren Edelmut nicht verstanden; deshalb ersuchen wir dich, zu Christus, unserem Gott, Den du liebtest, zu beten, daß er unsere Seelen errette!” (Gottesdienst für die hll. kaiserlichen Märtyrer. Stichiren zu ‘Herr ich rief’)