Bote 1995-4 Homilie über die glorreiche Verklärung unseres Herrn Jesu Christi
Komm du gottesfürchtige Versammlung, laß uns nun ein Fest feiern! Kommt, laßt uns nun mit den höheren Mächten triumphieren! Kommt und gehorsam dem Ruf des Propheten David singt unserem Gott, ja, singt Ihm, singt unserem König, singt Ihm: denn König der ganzen Welt ist Gott, singt Ihm mit Einsicht. (Ps. 46,7). Am heutigen Tag wurde auf dem Tabor mit menschlichen Augen das noch nie Dagewesene geschaut: Es wurde ein irdischer, in Göttlichem Licht erstrahlender Körper geschaut – ein sterblicher Leib, der die Glorie der Gottheit ausströmte. Heute wurde mit dem menschlichen Ohr das Unerhörte vernommen: Jener, der ein Mensch scheint, tut sich als eingeborener, geliebter, einwesentlicher Göttlicher Sohn vom Himmlischen Vater kund. Heute offenbart der Schöpfer und Herr von allem, der sich aus Herablassung zu seinen Knechten in das Gewand des Knechtes kleidete und dem Wesen und der Form nach Mensch wurde, in eben dieser Gestalt seine Schönheit. Kommt, wollen auch wir dem Gehorsam der Apostel nacheifern, wollen wir bereitwillig der Stimme Christi folgen, bekennen wir, ohne uns zu schämen, den lebendigen Sohn Gottes, steigen wir auf den Berg der Tugenden – so werden wir die Herrlichkeit schauen und unaussprechliche Geheimnisse vernehmen: Denn wahrhaft selig sind die Augen, welche das sehen, und die Ohren, welche das hören, was viele Propheten und Könige zu sehen und hören begehrten, es aber nicht sahen und hörten (Mt. 13,16-17). So kommt also, und wir werden, so gut wir können, die Worte der Göttlichen Schrift erläutern und bieten euch, liebe Gäste, das Abendmahl an, gewürzt durch die Gnade dessen, welcher den Stammelnden eine leichte und klare Zunge gab.
In Cäsarea Philippi rief der Herr Christus zuerst seine Apostel zusammen und fragte sie: Was sagen die Leute, daß des Menschen Sohn sei – und das fragte Er deswegen, weil Er durch das Licht der Erkenntnis die menschliche Unwissenheit, die die geistlichen Augen in Finsternis verhüllt, zerstreuen wollte. Die Jünger antworteten, daß die einen Ihn für Johannes den Täufer hielten, andere für Elias, und wieder andere für Jeremias oder für einen der Propheten. Was tut nun derjenige, durch dessen Rechte alles möglich ist, um solch eine Meinung über Sich zunichte zu machen und den Unwissenden das wahre Wissen zu schenken? Als Mensch stellt Er eine Frage, und als Gott belehrt Er insgeheim (die Apostel) und spricht: Was saget denn ihr, das ich sei? Darauf antwortet Petrus, entbrannt von flammendem Eifer und inspiriert vom Heiligen Geist: Du bist Christus, der Sohn des Lebendigen Gottes. So verkündete Petrus oder besser der in Petrus Sprechende Den, Der sich selber Menschensohn nannte, als den Sohn Gottes. Er ist tatsächlich – Gott und Mensch: Er ist nicht Sohn von Petrus, noch von Paulus, noch von Joseph, noch irgendeines anderen Vaters, sondern der Menschensohn, denn Jener, der in den Himmeln keine Mutter hatte, hat auf Erden auch keinen Vater. Selig bist du Simon bar Jonas, sprach der Sündlose zu Petrus, – insofern Mein Vater selbst dir diese göttliche Weisheit enthüllte (denn niemand kennt den Sohn außer dem Vater, der Ihn gezeugt hat, und nur von Ihm, dem Sohn erkannt wird, und dem Heiligen Geist, welcher die Tiefen der Gottheit erforscht). Das ist jener feste und unerschütterliche Glaube, auf welchem, wie auf einem Felsen die Kirche gegründet ist, obgleich die Tore der Hölle sich gegen sie rüsten und die Münder der Ketzer gegen sie wettern, aber niemals werden sie sie übermannen, niemals ins Wanken bringen können: Die Geschosse der Kinder haben sie geschlagen und werden sie schlagen und es versagten wider sie ihre Zungen (Ps. 63,8).
Nach diesem sagte der Herr Christus, um Seine Worte zu verdeutlichen: Es stehen etliche hier, die nicht schmecken werden den Tod, bis daß sie den Menschen Sohn kommen sehen in seinem Reich (Mt. 16,28). Warum sind nur einige und nicht alle zu dieser wunderbar göttlichen Schau des Menschensohnes gerufen, der in seinem Reiche kommt? Sind sie etwa nicht alle Jünger und Apostel? Alle sind Jünger, aber nicht alle Verräter, alle sind Christusliebende, aber einer ein Geldliebhaber – und das ist Judas Ischariot, der auch als einziger unwürdig war, die Herrlichkeit des Herrn zu schauen, wie gesagt ist: Es vergehe der Ruchlose, nicht sehen soll er des Herrn Herrlichkeit (Jes. 26, 10). Insofern Judas, neidisch und böse von Natur, noch mehr in Wut geraten wäre, wenn er alleine von allen ausgeschlossen worden wäre (übrigens war es unerläßlich, daß alle, die in der Folge Augenzeugen der Passion werden sollten, auch die göttliche Glorie schauten), so nimmt der Herr nur die ersten der Apostel als Zeugen Seiner Herrlichkeit und Seines Lichtes mit sich (eben drei an der Zahl, um auf das heilige Geheimnis der Dreiheit hinzuweisen, und darum, weil bei zwei oder drei Zeugen jede Rede als gesichert gilt). Auf diese Weise verschließt der Herr dem Verräter den Weg zur Rechtfertigung seines Verrates, und den Jüngern offenbart Er Seine Gottheit. Warum aber nahm der Heiland Petrus, Jakobus und Johannes mit sich? Er nahm Petrus, um zu zeigen, daß das Zeugnis des Petrus durch das Wort des Vaters bestätigt wird, und um ihn dessen zu vergewissern, daß der himmlische Vater ihm dieses Zeugnis offenbart hatte. Er nahm Jakobus, weil dieser vor allen andern Aposteln für Christus sterben sollte, Seinen Kelch trinken und die Bluttaufe für Ihn erleiden sollte. Schließlich nahm Er Johannes, den Keuschen und das reinste Instrument der Theologie, damit er nach der Schau der ewigen Herrlichkeit des Sohnes Gottes jene Worte donnern konnte: Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott (Jh. 1,1).
So nahm der Herr auf den Berg Tabor jene mit sich, die sich durch die höchsten Tugenden auszeichneten, und ward verklärt vor ihnen (Mt. 17,2). Obwohl der heilige Leib (Christi) von der ersten Minute hypostatischer Vereinigung an vollkommen mit der Glorie der unsichtbaren Gottheit angetan war, so daß die Herrlichkeit des Wortes und des Fleisches eine und dieselbe war, konnte dennoch jene Herrlichkeit, die im sichtbaren Leib eingeschlosen war, von jenen nicht geschaut werden, die durch die Fesseln des Fleisches gebunden waren, und selbstverständlich konnten sie das nicht auffassen, was nicht einmal die Engel sehen. So wird Christus, als Er sich verklärte, nicht etwas, was Er zuvor nicht war, sondern Er öffnet die Augen Seiner Jünger und macht sie, die blind waren, zu Sehenden: Er offenbart sich ihnen als der, welcher Er schon immer war. Das ist die Bedeutung der Worte: Er ward verklärt vor ihnen. Indem Er der blieb, der Er zuvor war, offenbart sich der Herr Seinen Jüngern noch über das hinaus, als was sie Ihn zuvor sahen. Und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, d.h. das Antlitz dessen, der durch Seine Macht die Sonne zum Leuchten brachte und das Licht, das älter als die Sonne ist, schuf, dessen, der das wahre und immaterielle Licht ist, der Abglanz der Herrlichkeit, das Ebenbild der Hypostasis Gott des Vaters (Hebr. 1,3). Sein Angesicht leuchtete wie die Sonne – nicht deshalb, weil es etwa nicht heller als die Sonne wäre, sondern weil die Schauenden nur so viel fassen konnten (denn wären sie nicht augenblicklich verbrannt, wenn Er Seine ganze Herrlichkeit offenbart hätte). Sein Angesicht leuchtete wie die Sonne: Denn das, was die Sonne unter den von den Sinnen wahrzunehmenden Objekten ist, das ist Gott unter den bewußtseinsbegabten Wesen. Und seine Kleider wurden weiß wie das Licht. Wie die Sonne eine Sache ist (sie ist die Quelle des Lichtes, aber kann nicht direkt angeschaut werden), und eine andere das sich von ihr auf die Erde ergießende Licht (auf das die göttliche Weisheit uns schauen läßt), so leuchtet nun das Antlitz des Herrn hell wie die Sonne, und Seine Gewänder werden weiß wie das Licht und glänzen durch das ihnen verliehene göttliche Licht.
Um auf den Gebieter des Alten und Neuen Testaments zu verweisen, um den Häretikern den Mund zu stopfen und den Glauben an die Auferstehung der Toten zu festigen, stehen sodann Moses und Elias wie Knechte in Herrlichkeit vor dem Herrn und erscheinen ihren Mitknechten: die redeten mit ihm (Mt. 17,3). Es war notwendig, daß die Apostel die Herrlichkeit und Kühnheit dieser Diener Gottes schauten, obgleich sie Knechte wie sie selbst waren, – einerseits, damit sie über die menschenliebende Herabneigung des Herrn staunen sollten, andererseits, damit sie selber in Eifer entbrennen und ihre geistlichen Anstrengungen vermehren sollten (denn derjenige, der die Frucht der Mühen schon erfahren hat, unternimmt gerne weitere Askeseübungen). Moses sprach etwa so: “Höre, geistiges Israel, was das irdische Israel nicht begreifen konnte: Höre Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr allein– obwohl in drei Personen zu erkennen, ein Wesen der Gottheit – des bezeugenden Vaters, des bezeugten Sohnes, und des überschatteten Geistes. Hier ist Derjenige, über welchen der Vater jetzt Zeugnis gibt: “Hier ist das Leben der Menschen, welches unvernünftige Leute am Baume hängen sehen, und dem Leben nicht glauben” (Deut. 28,66). Und da sprach Elias seinerseits: “Hier ist Derjenige, den ich einst unkörperlich vernahm in der leisen, feinen Stimme” (1. Kön. 19,12), d.h. im Geiste, weil Gott, wie Er ist, Seinem Wesen nach – niemand je gesehen hat (Jh. 1,18), und wenn jemand schaute, so tat er dies im Geiste.
Dies ist die Veränderung der Rechten des Höchsten (Ps. 76,11); dies ist es, was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat, und in keines Menschenherz gekommen ist (1. Kor. 2,9). So werden wir im zukünftigen Äon allezeit mit dem Herrn sein, und Christus strahlend im Lichte der Göttlichkeit schauen (1. Thes. 4,17). Petrus als ein Zeuge dieser Göttlichen Offenbarung und vom Geiste ergriffen, sprach zu dem Herrn: Hier ist für uns gut sein (Mt. 17,4). Herrlich und strahlend ist die sichtbare Sonne, wertvoll und süß das gegenwärtige Leben: Um wievielmal begehrenswerter und angenehmer ist jenes selbstexistierende Licht, durch das alles erleuchtet wird! Um wieviel kostbarer und wonniger ist jenes selbstseiende Leben, in dem wir alle leben, uns bewegen und existieren (Apg. 17,28). Gut ist es, sich nicht vom Guten zu trennen! Andererseits, insofern das Gute sich auf alle, d.h. auf die Gläubigen, erstrecken mußte, und dies durch den Kreuzestod vollbracht werden sollte, wäre es für Jenen, der sich dazu verkörperte, um durch Sein Blut Seine Schöpfung loszukaufen, nicht gut gewesen, auf dem Tabor zu bleiben. Unterdessen überschattete eine lichte Wolke die Apostel und sie wurden von noch größerer Furcht gepackt, als sie Jesus den Erlöser mit Moses und Elias in der Wolke sahen (Mt. 17,5). Die überschattende Wolke war nicht dunkel, sondern hell: insofern auf dem Tabor ein Geheimnis offenbart wurde, das seit Menschenalter vor allen Geschlechtern verborgen war, und sich die ewige, nie aufhörende Herrlichkeit offenbarte. Und siehe eine Stimme aus der Wolke sprach: Dies ist mein lieber Sohn, d.h. jener, der demütig unter euch wandelt, ein Mensch, dessen Antlitz jetzt leuchtet: dies ist Mein Sohn, der vor aller Zeit und ewig aus Mir hervorging, gezeugt wurde – aus Mir und in Mir und mit Mir immer seiend, der nicht etwa irgendwann später ins Dasein trat. An welchem ich Wohlgefallen habe, denn aus Wohlgefallen des Vaters verkörperte sich Sein Eingeborener Sohn, das Wohlgefallen des Vaters an dem Eingeborenen Sohn gereichte der ganzen Welt zum Heil, das Wohlgefallen des Vaters an dem Eingeborenen Sohn vereinte das Universum. Den sollt ihr hören: denn wer Ihn aufnimmt, nimmt Mich auf, welcher Ihn gesandt hat, und wer den Eingeborenen und Meinen geliebten Sohn nicht ehrt, der ehrt auch Mich nicht, den Vater, der Ihn gesandt hat. Den sollt ihr hören: Denn Er hat die Worte des ewigen Lebens. Nachdem Moses und Elias zurückgesandt wurden, stand Christus Jesus allein vor den Augen der Apostel; so stiegen sie vom Berge herab, niemand etwas von dem Gesehenen und Gehörten erzählend, wie es ihnen der Herr gebot. Wofür nur, zu welchem Zweck? Da die Apostel noch unvollkommen waren, noch nicht die volle Teilhabe am Heiligen Geist besaßen, tat der Herr dies, um ihre Herzen nicht mit Trauer zu erfüllen, und damit die neidische Bosheit den Verräter nicht in Rage bringen sollte.
Hier beenden wir zusammen mit dem Thema dieser Homilie auch unsere Rede. Ihr aber behaltet das Gesagte stets in eurem Gedächtnis. Möge euch immerdar die Väterliche Stimme widerhallen: Dieser ist – kein Knecht, kein Gesandter, kein Engel –, sondern Mein geliebter Sohn, den sollt ihr hören. So wollen wir Seinen Geboten gehorchen: Du sollst Gott deinen Herrn lieben aus ganzem Herzen (Mk. 12,30). Du sollst nicht töten und deinem Bruder auch nicht unnütz zürnen. Versöhne dich zuerst mit deinem Bruder und dann gehe, deine Gabe zu opfern. Du sollst nicht ehebrechen, und finde auch keinen zu großen Gefallen an fremder Schönheit. Nimm deinem Nachbarn sein Eigentum nicht weg, sondern gib noch dem, der dich bittet, und wende dich nicht ab von dem, der von dir borgen will. (Mt. 5, 21-22,24,27-28,33,34,37,42). Liebet eure Feinde, segnet, die euch fluchen; tut wohl denen, die euch hassen, bittet für die, die euch beleidigen und euch verfolgen. Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet. Laßt nach, so wird euch nachgelassen werden, auf daß ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel, vollkommen und barmherzig, denn Er läßt seine Sonne aufgehen über die Bösen und über die Guten und läßt regnen über Gerechte und Ungerechte (Mt. 5, 44,45,48). Wollen wir diese Göttlichen Gebote mit allem Fleiß einhalten, damit auch wir uns der Göttlichen Schönheit unseres Herrn und Gottes erfreuen können. Jetzt, soweit es den mit einem irdischen Körper Beschwerten möglich ist, aber hernach, wenn die Gerechten leuchten werden wie die Sonne, deutlicher und reiner, wenn sie von allen körperlichen Nöten befreit, gleich den Engeln unsterblich mit dem Herrn sein werden: in jener großen und glorreichen Offenbarung unseres Herrn und Gottes aus den Himmeln, unseres Heilandes Jesu Christi. Ihm sei Ruhm und Ehre, jetzt und immerdar und in alle Ewigkeit.
Amen.