Synaxis des heiligen Erzengels Michael und der übrigen Körperlosen Himmlischen Mächte
Am Anfang alles Anfanges, vor der Erschaffung der sichtbaren materiellen Welt1 schuf Gott die unsichtbare, himmlische, die nicht-materielle, die geistige Welt: “Er macht Seine Engel zu Geistern und Seine Diener zu flammendem Feuer” (Ps. 103,4). Diese von Gott zu allererst geschaffenen geistigen Wesenheiten bezeichnen wir auf Griechisch als Engel, d.h. Boten, weil der Herr durch sie Seinen Willen kundtut.
In seiner Güte erschafft Gott die Welt, weil er Wesen um sich sehen will, die Lebensfreude in der göttlichen Liebe besitzen, ähnlich der Seinen. Zu diesem Zweck schafft Gott sie nach Seinem Ebenbild und Seiner Ähnlichkeit. Der Herr gab ihnen die Möglichkeit, in der Gottesähnlichkeit zu wachsen, d.h. sich immer mehr Gott anzugleichen, und da Gott unendlich ist, so ist auch dieser Prozess ohne Ende.
Allerdings möchte Gott nicht, daß dieser Prozess ohne die willentliche Teilnahme der von Ihm erschaffenen Wesen stattfindet. Gott ist die Liebe, und die Liebe ist die grundlegende Eigenschaft Gottes. Gott, der die Welt aus Güte geschaffen hat, liebt die von Ihm gebildeten Wesen. Die Liebe aber wünscht keine erzwungene, sondern eine freie Erwiderung der Liebe von dem Geliebten. Deshalb gab der Herr den von Ihm erschaffenen Engeln einen freien Willen, damit sie nicht gezwungen, sondern frei entscheiden können: werden sie als Antwort auf die Göttliche Liebe Ihn lieben und in der Gottesebenbildlichkeit wachsen, und sich Ihm immer mehr angleichen oder werden sie die Göttlliche Liebe verwerfen und sich von Ihm entfernen.
Der Erstling der Schöpfung, der größte aller Engel - “Morgenröte” (Morgenstern, Lichtträger, Luzifer) gebrauchte den ihm von Gott gegebenen freien Willen zum Bösen, wollte Gott nicht lieben, wollte Ihm nicht ähnlich werden, sondern behauptete sich selbst, stellte sich selbst auf den Platz Gottes, und wurde somit der Stammvater des Bösen und erhielt den Namen Diabolos, (d.h. Verleumder) und Satan (Widersacher). Eine Vielzahl weiterer Engel folgten ihm auf diesem Weg ins Verderben.
Aber der Erzengel, der auf den gefallenen Morgenstern nach dem Maß der verliehenen Gaben folgte, und seine Liebe zu Gott durch die Bezeichnung “Wer ist wie Gott” bezeugt, jagte zusammen mit der Mehrheit der Engel-Mächte, die frei und ohne Nötigung auf dem Pfad des Guten und der Treue zu Gott blieben, den Satan und die mit ihm gefallenen Engel aus dem Göttlichen Königreich. Der hl. Apostel Johannes berichtet so: “Und es entstand ein Kampf im Himmel: Michael und seine Engel fingen an, den Drachen zu bekämpfen. Doch auch der Drache und seine Engel kämpften. Jedoch vermochten sie nicht standzuhalten, und ihres Bleibens war nicht länger mehr im Himmel. Der große Drache ward geworfen, die alte Schlange, die Teufel und Satan heißt und die ganze Welt verführt; er ward auf die Erde geworfen, und mit ihm wurden seine Engel hinabgeworfen.” (Apk 12,7-9).
Die Worte des Engel-Bekenntnisses “Wer ist wie Gott”, auf Althebräisch “Mi-cha-El” wurden zum Namen des größten der im Guten stehenden Engel, des Archistrategen, d.h. des Heerführers der himmlischen Heerscharen - des Erzengels Michael.
Von dem hl. Heerführer Gottes Michael ist einige Male die Rede in der Heiligen Schrift. Im Buch Josua wird erzählt, wie er dem erwählten Volk bei seinem Einzug in das Gelobte Land in der Gegend von Jericho erschien. Der hl. Prophet Daniel erwähnt einige Male den Namen des hl. Erzengels Michael (Dan 10,13 und 21; 12,1). Über ihn spricht auch der hl. Apostel Judas (Jud 9) und der hl. Apostel Johannes in der angeführten Stelle der Offenbarung.
Außer dem hl. Archistrategen Michael sind noch die Namen einiger Erzengel bekannt, die in der Heiligen Schrift und in der Überlieferung vorkommen.
Wir kennen den Erzengel Gabriel, welcher der Allerheiligsten Jungfrau Maria die Geburt Christi verkündete, und davor dem hl. gerechten Zacharias die Geburt des hl. Johannes des Täufers angekündigt hatte. Im Alten Testament tritt der Erzengel Gabriel mit einer Belehrung an den Prophet Daniel auf, worüber dieser in seinem Buch berichtet (Dan Kap. 8 und 9).
Wir kennen den Erzengel Raphael (was bedeutet - Arzt Gottes, Heiler menschlicher Gebrechen), über den das Buch Tobit berichtet (Tob 3,17; 12,15).
Wir kennen auch den Erzengel Uriel (Göttliches Feuer oder Licht, der Erleuchter derjenigen in der Finsternis), der im Buch Esdras vorkommt (3 Esdras 5,16);
den Erzengel Salathiel (der Beter Gottes und der die Menschen zum Gebet ermuntert), der ebenfalls im Buch Esdras (3 Ezdras 5,16) erwähnt wird;
den Erzengel Jehudiel (Verherrlicher Gottes, der diejenigen stärkt, welche Gott rühmen) und den Erzengel Barachiel (der Segen Gottes, der Austeiler dieses Segens und der Vermittler, der den Menschen die Wohltaten Gottes erwirkt).
Diese sieben Erzengel 2 sind jene, von denen der Erzengel Raphael aussagt: “Ich bin Raphael, von jenen sieben heiligen Engeln einer, die hoch empor der Heiligen Gebete tragen und vor des Heiligen Herrlichkeit einherschreiten” (Tob 12,15).
Außer diesen sieben kennen wir noch den Namen eines weiteren Erzengels - Jeremiel, was Erhöhung Gottes bedeutet, obwohl wir über die Stellung dieses Geistes in der Himmlischen Hierarchie, von dem der Prophet Esdras (3 Ezdras 4,36) spricht, nichts wissen.
Wie die Heilige Kirche lehrt, werden alle Himmlischen Mächte in 9 Chöre oder Ränge eingeteilt. Diese 9 Chöre sind in 3 Hierarchien gegliedert: die oberste, die mittlere und die unterste. Zur obersten Hierarchie gehören die sechsflügeligen Seraphim (Jes 6,2), die vieläugigen Cherubim (von ihnen ist in Gen 3,24 und im Buch Exodus die Rede bei der Beschreibung des Baus der Stiftshütte, in den Psalmen 17,11; 79,2 und 98,1 und besonders oft bei dem Propheten Ezechiel, 10. Kap.) und die Gottragenden Throne (Kol 1,16). Zur mittleren Hierarchie gehören: die Herrschaften (Kol 1,16), die Mächte (1 Petr 3,22) und die Gewalten (1 Petr 3,22 und Kol 1,16). Zur untersten Hierarchie gehören die Fürstentümer (Kol 1,16), Erzengel (1 Thess 4,16)3 und Engel (1 Petr 3,22).
Alle diese heiligen Engelschöre haben ein gemeinsames Leben und helfen einander in dem heiligen und seligen Prozess der immer höheren Erkenntnis Gottes, der immer größeren Angleichung an Ihn. Der hl. Dionysios Areopagita schreibt darüber: “Die himmlische Hierarchie ist so aufgebaut, daß die niedrigeren geistlichen Wesenheiten Erleuchtung von den höheren erhalten und sich gegenseitig als eine Leiter für den Aufstieg zu höherer Vollkommenheit erscheinen. In den höheren Freunden, ihren Brüdern, erblicken sie neue Geheimnisse und von ihnen erhalten sie weitere Offenbarung.”
Die Engelschöre sind die Diener Gottes, deren Gott sich zur Ausführung seiner Befehle, zur Verwirklichung der Pläne Seiner Vorsehung bedient.
Der Herr überträgt diesen seligen Geistern, die Gerechten zu schützen (Ps 90,11-13); die Ränke der Dämonen zu vereiteln (Tob 8,3), Gebete zu Gott emporzutragen (Tob 12,12; Hebr 1,14) und die Seelen der Verstorbenen in das jenseitige Leben zu geleiten (Lk 16,22); sie beauftragt der Herr auch mit der Scheidung der Gerechten von den Bösen beim Jüngsten Gericht (Mt 13,49).
In der heiligen Pflicht der Engel, sich einander im Werk des Aufstieges zu Gott beizustehen, liegt einer der wichtigsten ihnen von Gott aufgetragenen Dienste im Hinblick auf das Menschengeschlecht beschlossen: nämlich der Dienst der Schutzengel, von denen Christus, der Erlöser selber sprach, wenn er sagte, daß die Engel kleiner Kinder unentwegt das Antlitz Gottes schauen (Mt 18,10).
Die Heilige Kirche glaubt, daß jedem von uns von Gott ein Schutzengel zur Seite gestellt ist. “Einen Engel des Friedens, einen treuen Geleiter, einen Wächter unserer Seelen und Leiber” erflehen wir vom Herrn bei jedem kirchlichen Abendgottesdienst. Unser Schutzengel betet für uns, regt uns zu guten Werken an und bemüht sich, uns von den bösen abzuhalten, indem er uns edle Gedanken eingibt; aber er ist betrübt und wendet sich sogar von uns ab, wenn wir die Gebote Gottes verletzen und Böses tun.
Heiliger Engel, Wächter über meine elende Seele und mein unseliges Leben, verlasse mich Sünder nicht, weiche nicht von mir wegen meiner mangelnden Enthaltsamkeit. Laß nicht zu, daß der listige Dämon mich durch die Gewalt dieses sterblichen Leibes beherrscht. Festige meine armselige und schwache Hand und lenke mich auf den Weg des Heils.…
So beten wir mit den eindringlichen Worten des Morgengebetes zu unserem Schutzengel.
Das Fest des hl. Heerführers Gottes Michael und aller 9 Chöre der Himmlischen Körperlosen Mächte wurde von der Kirche auf den 8. November (der neunte Monat) festgelegt, weil der November in der alten Kirche als der 9. Monat gezählt wurde (bis 1343 war auch in der Russischen Kirche der kirchliche Neujahrstag der 1. März, und erst von jenem Zeitpunkt an wurde er auf den 1. September verlegt). Der 8. Tag des Monats wurde deshalb festgelegt, weil die ganze Zeit, die seit der Erschaffung der irdischen, materiellen Welt verflossen ist, in der kirchlich-theologischen Sprache als der 7. Tag bezeichnet wird, während die Zeit des engelgleichen Lebens der Gerechten nach dem Jüngsten Gericht der 8. Tag sein wird. Daher wurde das Datum 8. November von den vom Geist Gottes beseelten Urhebern dieses Festes als am geeignetsten für das Fest der Engel erachtet.
Die Einrichtung des Festes des hl. Heerführers Michael und der übrigen Körperlosen Himmlischen Mächte geht auf das 4. Jh. zurück. z
Troparion, Ton 4
Heerführer der himmlischen Scharen, wir Unwürdige bitten euch: Beschirmt uns durch eure Fürbitten im Schatten der Flügel eurer unstofflichen Herrlichkeit. Niedergeworfen flehen wir inständig: Befreit uns aus den Gefahren, ihr Fürsten der überirdischen Mächte
Kondakion, Ton 2
Heerführer Gottes, Liturgen göttlicher Herrlichkeit, der Menschen Geleiter und Führer der Körperlosen: Gunst erflehet für uns und das große Erbarmen, als der Körperlosen Heerführer.
Anmerkung 1:
1 In der Bibel ist von der Erschaffung der Engel in der ersten Zeile die Rede “Zu Anbeginn hat Gott erschaffen den Himmel und die Erde”. Daß das, was unter Himmel hier zu verstehen ist, nicht der materielle Himmel ist, geht deutlich daraus hervor, daß von der Erschaffung des materiellen Himmels in den folgenden Versen (7 und 8) des ersten Kapitels der Bibel gesprochen wird. Den ersten Vers verstand die Kirche stets als Aussage über die Erschaffung der himmlischen und der irdischen, d.h. der geistigen und der materiellen Welten.