Verschiedenes 1990
Bote 1990-1
Aus dem Leben der Diözese
Im November besuchte Zoja Krachmal'nikova Deutschland. Frau Krachmal'nikova wurde seinerzeit durch die von ihr herausgegebene religiöse Zeitschrift "Nadeœda" (Hoffnung) bekannt, die in Deutschland gedruckt wurde, und wegen der sie von den sowjetischen Machthabern ins Konzentrationslager geschickt wurde. Während ihres Aufenthaltes in München hielt sie einen Vortrag vor hauptsächlich jungen Gemeindemitgliedern im Kloster des Hl. Hiob von Poçaev. Sie sprach über die gegenwärtige Lage der Russischen Kirche in Rußland und beteiligte sich an einer lebhaften Diskussion, in der sehr viele äußerst schwierige Probleme zutage traten, vor die sich die Russische Kirche heute gestellt sieht.
Am 9. und 10. Dezember neuen Stils vollzog Bischof Mark die Gottesdienste in der Hl. Alexander Nevsky Kirche in Kopenhagen. Im Laufe mehrerer Tage, die er in der dänischen Hauptstadt weilte, hatte er Gelegenheit zu Gesprächen mit Gemeindemitgliedern und zu einer Sitzung mit dem Gemeinderat und konnte sich über die allgemeine Lage unserer dortigen Gemeinde ins Bild setzen, die jetzt von einem ständigen Priester betreut wird. Auf dem Weg nach Kopenhagen machte sich Bischof Mark in Hamburg mit dem Fortgang der Renovierungsarbeiten an der Hl. Prokopius-Kirche vertraut und besprach mit dem Vorsteher der Kirche und Mitgliedern des Gemeinderates verschiedene diesbezügliche Fragen.
Zum Patronatsfest der Kirche des Hl. Nikolaus von Myra in Lykien feierte Bischof Mark die Gottesdienste in Frankfurt am Main. Zu dem Fest hatten sich Gläubige aus Frankfurt und der Umgebung versammelt. Während der Göttlichen Liturgie zeichnete Bischof Mark den Vorsteher der Gemeinde, Erzpriester Dimitrij Ignatiew, mit dem Recht zum Tragen des Kreuzes mit Verzierungen aus. Diese hohe Auszeichnung für den eifrigen Dienst an der Heiligen Kirche Christi wird nur mit dem Segen des Bischofssynods erteilt. Als Bischof Mark Vater Dimitrij beglückwünschte, unterstrich er, daß dies kei-ne Auszeichnung im weltlichem Sinn dieses Wortes ist, sondern im Gegenteil bedeutet, daß der betreffende Diener Christi des Tragens eines noch größeren Kreuzes von Prüfungen in seinem pastoralen Dienst gewürdigt wird.
Am 11./24. Dezember 1989 wurde in der Münchener Kathedralkirche des Hl. Nikolaus der Diakon Ian Prior aus England zum Priester geweiht. Vater Ian wird in Aberdeen in Schottland seinen priesterlichen Dienst versehen, wo er an einer Schule als Lehrer tätig ist.
Am frühen Morgen des ersten Weihnachtstages dem 25. Dezember/ 7. Januar 1990 verstarb in Heidelberg der langjährige Kirchenälteste der Gemeinde des Hl. ALexander Nevskij in Mannheim, Dr. jur. Lew Andrejew. Dem Beerdigungsgottesdienst am 12. Januar auf dem Heidelberger Bergfriedhof stand S.E. Bischof Mark vor, der Patensohn des Verstorbenen war. Mit ihm zelebrierten die Erzpriester Dimitrij Ignatiew und Miodrag Gli‚ic´. Dr. Andrejew hatte das Amt des Kirchenältesten weit über 20 Jahre inne. Zu seiner Zeit war die Gemeinde aus ihrer ursprünglichen Lagerkirche, einer einfachen Baracke, in ihre jetzige Steinkirche in der Elfenstraße umgezogen. In den langen Jahren der Krankheit des damaligen Vorstehers der Gemeinde, Erzpriester Theodor Trofimow, war es dem Einsatz des Kirchenältesten zu verdanken, daß die Gemeinde regelmäßig betreut wurde. Noch zwei Tage vor seinem Ableben hatte Andrejew dem Bischof mitgeteilt, daß er alle Vorbereitungen für den Weihnachtsgottesdienst getroffen habe, obwohl er selbst nicht werde teilnehmen können. Die Sorge um die Gemeinde stand für ihn immer an erster Stelle. Möge Gott seine Seele dorthin versetzen, wo die Gerechten ruhen!
Jugendtreffen
Vom 26. bis 28. Dezember fand im Kloster des Hl. Hiob von Pocaev in München das Jugendtreffen des Deutschen Diözese statt. Etwa 70 Teilnehmer hatten sich wie auch in vergangenen Jahren aus Deutschland, der Schweiz, Österreich und Dänemark versammelt. Eine neue Erscheinung aber stellte die Enwesenheit von Gästen aus Rußland dar. Sie verliehen der Zusammenkunft einen frischen Geist und brachten interessantes Wissen mit. Man kann sagen, daß die Diskussionen für beide Seiten bereichernd waren, d. h. für die hiesige Jugend - sowohl aus Emigranten als aus Nichtrussen - wie auch für die jungen Menschen aus Rußland.
Den ersten Vortrag über die Erziehung von Kindern und Erwachsenen im orthodoxen Geitst hielt Priester Pjotr Perekrestov aus San Francisco. Sein Vortrag diente zur Grundlage ausgedehnter und lebendiger Diskussion, die auch während der pausen im Refektorium und im Klosterhof ihre Fortsetzung fanden.
Vor dem Abendgottesdienst am 1. Tag des Treffens legten fast alle Teilnehmer des Treffens bei 5 anwesenden Priester die Beichte ab und empfingen an den folgenden Tagen die Hl. Gaben.
Am 2. Tag erzählte Vater Pjotr Perekrestov, der zu der Tagung direkt aus Moskau gekommen war, über seine Eindrücke von seiner Reise nach Rußland. Seinen Beobachtungen über das kirchliche leben dort bildeten einen wertvollen Beitrag, und die weitere Arbeit der Tagung baute teilweise auf ihnen auf.
Einer der Teilnehmer aus Rußland gab einen Überblick über die gegenwärtigen religiösen Periodika dort. Dabei war es interessant festzustellen, wieviele verschiedene Publikationen in letzter Zeit entstanden und wie stark sich die religiösen Zeitschriften voneinander unterscheiden. Gemeinsam ist ihnen jedoch, daß sie die offiziellen Periodika des Moskauer Patriarchat nich anerkennen, da sie sie für unzureichend und ungeistlich halten.
Aus den vorhergehenden Vorträgen und lebhaften Diskussionen ging am 3. Tag organisch das Referat von Vater Nikolai Artemoff hervor, der über den gegenwärtigen Zustand des Russischen Orthodoxen Kirche und die damit verbundenen Probleme sprach.
Die Tagung endete mit einem Bittgottesdienst mit dem Akathist an den Hl. Hiob von Pocaev.
Das Jungendtreffen verlief in angenehmen Atmosphäre. Wiederum gebührt der Schwesternschaft der Hl. Nikolaus Kathedrale in München Dank für die Sorge um die Verpflegung der Tagungsteilnehmer.
Besuch der wundertätigen Ikone
Im Mai dieses Jahres wird Bischof Mark voraussichtlich bei seiner Rückkehr vom Bischofskonzil in Kanada die altehrwürdige wundertätige Ikone der Allerheiligsten Gottesmutter von der Wurzel von Kursk, die Odigitria der Russischen Auslandskirche, mit nach Deutschland bringen.
Zum letzten Mal war die wundertätige Ikone 1975 in der Deutschen Diözese. Dieses Mal wird sie etwa anderthalb Monate in Deutschland, Dänemark und vielleicht auch England sein. In der zweiten Maihälfte und den ganzen Juni wird die Ikone die Gemeinden der Deutschen Diözese besuchen.
Bote 1990-1
Aus dem Leben anderer Diözesen
Offenlegung und Umbettung der heiligen Reliquien der Neomärtyrerinnen Elisabeth und Barbara in Jerusalem
Offenlegung und Umbettung der heiligen Reliquien der Neomärtyrerinnen Elisabeth und Barbara in Jerusalem
Mit dem Segen des Ersthierarchen der Russischen Auslandskirche, des Höchstegeweihten Metropoliten Vitalij, wurden im russischen Kloster der Hl. Maria Magdalena zu Gethsemane die Reliquien der Hll. Neomärtyrerinnen Großfürstin Elisabeth und Nonne Barbara geöffnet und in neue Marmorsärge gelegt.
Zum 2. Januar alten Stils 1990 wurde der Gottesdienst zum Vorfest von Theophanie und für den Hl. Seraphim von Sarov mit dem Gottesdienst der Heiligen Kaiserlichen Neomärtyrer verbunden. Am Gottesdienst nahm die gesamte Geistlichkeit der Geistlichen Mission und Nonnen und Mönche drei-er Klöster teil. Zu Beginn des Gottesdiesntes, um 16 Uhr 30, standen die beiden kleinen Särge mit den Reliquien der Märtyrerinnen in der Mitte der Kirche. Beim Abendgottesdienst wurden die Stichiren des Vorfestes, des Hl. Seraphim und der Hl. Kaiserlichen Märtyrer gesungen. Beim Apodipnon wurde der Kanon des Vorfestes gelesen. Zum Morgengottesdienst kam die Geistlichkeit vom Ölberg mit der Äbtissin und den Schwestern. Den Kanon für die Kaiserlichen Märtyrer las Archimandrit Nektarij.
Zur Großen Doxologie kam der Leiter der Mission in voller liturgischer Gewandung und die übrige Geistlichkeit in Epitrachilien und Phelonien aus dem Altar zu den Reliquien. Archimandrit Alexij beweihräucherte die Reliquien und nahm beim Ge-sang von "Heiliger Gott" die Deckel von den Särgen und legte die Reliqien bis zum Gürtel frei. Ehrfurcht erfaßte alle Anwesenden, als die Reliquien eröffnet wurden, beim Anblick der Spuren der Leiden, wel-che die Heiligen durchlitten hatten. Nachdem die Troparien gesungen waren, hielt Vater Alexej eine Ansprache über den Lebens- und Leidensweg der Neomärtyrerinnen und seine Bedeutung für das künftige Schicksal Rußlands und der ganzen Welt. Nach der Predigt wurde auf den Knien das Gebet an die Heiligen Neomärtyrerinnen gelesen, und die Anwesenden begannen die Reliquien zu verehren. Nach der Entlassung trug die Geistlichkeit die Heiligen Reliquien durch die Königspforte in den Altar, während alle Betenden das Megalinarion sangen.
Nach Beendigung des Gottesdienstes begaben sich alle schweigend in den Speisesaal, wo während des Essens die Predigt von Erzbischof Anastasij, der später zum Ersthierarchen unserer Kirche wurde, verlesen wurde, welche dieser im Jahr 1925 in Gethsemane gehalten hatte: "Zum lichten Angedenken der Großfürstin Elisabeth Feodorovna".
Am 2. Januar 1990, dem Feiertag des Hl. Seraphim von Sarov, wurden in der Sakristei der Kirche der Hl. Maria Magdalena die Reliquien gereinigt, gewaschen und bekleidet. Die Arbeiten an den Reliquien der Hl. Neomärtyrerin Großfürstin Elisabeth führte die Äbtissin des Klosters von Gethsemane Anna und die Äbtissin des Klosters auf dem Ölberg Barbara durch.
Die Großfürstin war in ihrer monastischen Kleidung, und die Reliquien waren mit einem gestickten Tuch bedeckt. Im Sarg wurde ein hölzernes Kreuz und eine kleine ovale Ikone der Gottesmutter aus Metall gefunden. Die Reliquien der Heiligen Großfürstin Elisabeth tragen die Spuren ihrer schweren Leiden. Das Haupt, auf dem die Spuren ihrer monastischen Kopfbedeckung erkennbar sind, liegt in der für Elisabeth Feodorovna charakteristischen Kopfhaltung.
Nach der Reinigung wurden die heiligen Reliquien mit einer Mischung aus Wein, Olivenöl und wohlriechenden Ölen abgewaschen und mit neuen Kleidern angekleidet, die nach den Vorschriften des Martha-Marienklosters genäht waren, dem die Großfürstin vorgestanden hatte. Die Reliquien wur-den mit einer von den Schwestern von Gethsemane aus Gold gestickten Decke bedeckt. Die Reliquien wurden in einen hölzernen Sarg gelegt, der aus dem Deckel des äußeren Eichensarges hergestellt wurde, in dem die Reliquien nach Jerusalem gebracht worden waren. Dieser Sarg ist mit rotem Samt ausgelegt.
Am 3. Januar 1990, dem Festtag des Hl. Propheten Malachias, wurden die gleichen Arbeiten an den Reliquien der Neomärtyrerin Novizin Barbara durchgeführt. Ihre Reliquien waren in einen groben Krankenhausmantel gehüllt. Ein Teil ihrer monastischen Kleidung war erhalten, besonders die Kopfbedeckung. Nach den Reliquien zu schließen war die Neumärtyrerin Barbara von kleinem Wuchs, et-wa 150 cm. Auf dem Kopf sind lange dunkelblonde Haare erhalten. Der Schädel trägt Züge asiatischen Typs. Man sieht eine spitze Nase und breite Bakkenknochen. Auch ihre Reliquien tragen deutliche Spuren ihrer Leiden: das Genick ist gebrochen, drei der vorderen Zähne ausgeschlagen, während die anderen Zähne in gutem Zustand sind. Die Reliquien der Heiligen Barbara wurde wie die der Heiligen Neomärtyrerin Elisabeth in einen neuen Sarg gebettet.
Am 9./22. Januar 1990, dem Tag des Hl. Märt. Polyeuktos, weihte Archimandrit Alexij im Beisein aller Schwestern von Gethsemane den neuen weißen Marmorsarg. Nach der Weihe trug Vater Alexij zum Gesang des Megalinariums den Holzsarg mit den Reliquien der Heiligen Neomärtyrerin Großfürstin Elisabeth aus dem Altar durch die Königspforte und setzte ihn mit Hilfe der Äbtissin Anna und der Schwestern in den neuen Sarg. Das gleiche wurde am 11./24. Januar, dem Festtag des Hl. Theodosios, mit den Reliquien der Hl. Neomärtyrerin Barbara durchgeführt. Die neuen Särge wer-den vor dem Ikonostas der Hl. Maria-Magdalena-Kirche in Jerusalem stehen.
Bote 1990-1
Aus dem Leben anderer Kirchen
Rumänischer Patriarch amtsenthoben
Vor dem Fest der Theophanie d. J. enthob der Heiligste Synod der Rumänischen Orthodoxen Kirche in Bucharest den Patriarchen Theoktist seines Amtes und setzte eine vorläufige Kommission aus drei Metropoliten und einem Bischof ein, die vorübergehend die Leitung der Rumänischen Kirche übernehmen.
Dieser Beschluß des Synods war die Folge anhaltender Demonstrationen von Theologiestudenten vor der Residenz des Patriarchen. Die Stundenten skandierten unter anderem immer wieder: "Theoktist - Kommunist!" Der Patriarch Theoktist hatte sich wie auch viele andere rumänische Bischöfe nicht ein einziges Mal für das unterdrückte Volk oder die in Gefängnissen schmachtenden Priester und Gläubigen eingesetzt, sondern im Gegenteil in zahllosen schriftlichen und mündlichen Erklärungen und Botschaften den damaligen kommunistischen Diktator Çeaucescu und seine gottfeindliche und menschenverachtende Politik gerühmt. Noch eine Woche vor der Hinrichtung des rumänischen Diktators hatte Patriarch Theoktist eine Ergebenheitsadresse an Çeaucescu gerichtet - zu einem Zeitpunkt als auf dessen Befehl in Temesvar bereits Demonstranten erschossen wurden.
Gläubige Rumänen sind darüber empört, daß bislang nur der Patriarch seines Amtes enthoben ist, während die übrigen Bischöfe, die ebenso mit dem kommunistischen Regime kollaborierten, noch immer auf ihren Posten sind. Doch das Gewissen der Kirche und des Volkes wird sie kaum noch lange dulden. Es ist zu hoffen, daß auch die kirchliche Führung des Moskauer Patriarchats versteht, daß ihre Zeit abgelaufen ist und sie der Wahrheit weichen muß.
Bote 1990-3
Aus dem Leben der Diözese
Diözesanversammlung
Zur Diözesanversammlung, der am 17./30. April und am 18. April/1.Mai 1990 stattfand, kamen alle Geistlichen unserer Diözese (mit Ausnahme von 3 Priestern), sowie eine große Anzahl von Vertretern der Gemeinden, so daß praktisch die ganze Diözese, einschließlich der Gemeinde des Hl. Alexander Nevskij in Kopenhagen vertreten war.
Die Versammlung spiegelte die Festigung und Erneuerung der Diözese wider. Seit der letzten Versammlung gab es 5 Priesterweihen.
Die Versammlung widmete ihre Aufmerksamkeit vielfältigen Fragen des geistlichen und materiellen Lebens, sowohl der einzelnen Gemeinden, die ihre jeweiligen Rechenschaftsberichte abgaben, als auch der Diözese im ganzen. Was die Zukunft anbetrifft, so zeichnen sich allerlei Schwierigkeiten ab, besonders finanzieller Art.
Auf der Versammlung war auch der zusätzliche Arbeitseinsatz im Zusammenhang mit den vielen neu entstandenen Problemen des kirchlichen Lebens in der russischen Heimat zu bemerken. Täglich werden Pakete mit religiöser Literatur nach Rußland gesandt. Allerorten erscheinen Besucher aus Rußland. Die Russische Auslandskirche erweist sich hierbei als ein Objekt großer Erwartungen und gelegentlich sogar überhöhter Forderungen. Die Versammlung stellte fest, daß das Moskauer Patriarchat sehr aktiv ist bei Ausführung des Auftrags, die Auslandskirche "zu umarmen". Diese Bestrebungen muß man streng unterscheiden von den echten Anliegen und Bedürfnissen der Russisch-Orthodoxen Kirche. In dieser Hinsicht stellt die heutige Situation einen echten Aufruf zum Handeln dar. Die Diözesanversammlung diente auch dem besseren Verständnis dessen, daß wir unsere Kräfte nicht in den sich neu eröffnenden Möglichkeiten zersplittern dürfen, sondern daß wir uns konzentriert der Unterstützung der kirchlichen Bestrebungen widmen müssen, die uns nahestehen. Die rußländische Thematik zog sich durch die ganze Versammlung und rief lebhafte Diskussionen mit konkreten Beispielen aus dem Gemeindeleben hervor.
Ein anderes Thema waren die kostspieligen Restaurierungen. Die Probleme, die mit dieser Frage verbunden sind, wurden heiß diskutiert. Restaurierungen fanden in den letzten 2 Jahren in Wiesbaden, Bad Ems, Baden-Baden, Darmstadt (alles Kirchen aus der Zarenzeit) statt, aber auch in Kirchen neueren Datums waren Renovierungen notwendig, u.a. in Hamburg.
Der geplante Bau einer Kathedralkirche in München wurde infolge einer neuen Situation nach den Wahlen in dem Stadtrat verhindert. Der bereits seitens der Stadt ausgearbeitete Kaufvertrag wurde im Kommunalreferat bis über den Wahltermin hinaus zurückgehalten, jetzt aber liegt ein neuer Stadtratsbeschluß über eine "kulturelle Nutzung" der ehemaligen Interimskirche vor, in der jetzt wohl Rockmusik erklingen wird. Wir müssen mit der Suche geeigneten Grundstücks neu anfangen, was unter den Münchner Bedingungen unglaublich schwierig ist.
Bischof Mark gab einen Überblick über das Leben unserer Diözesen in Großbritannien (in London soll eine neue Kathedralkirche entstehen), in Nord- und Südamerika und berührte auch die Situation im Iran und in Palästina. Auf Bitten der Delegierten ging er auf die Situation unserer Kirche im Heiligen Land sowie der Palästina-Gesellschaft näher ein. Es wurde auch vermerkt, daß der Sowjetstaat durch eine verstärkte Unterstützung der eigenen Palästina-Gesellschaft in Rußland zur Zeit weitgehende Pläne der Aktivität im Heiligen Land entwickelt, wobei das Potential der Gläubigen in Rußland ausgenutzt werden soll.
Es wurde ein neuer Diözesanrat gewählt: Erzpr. Dimitrij Ignatiew, Pr. Boœidar Patrnogiç, Pr. Nikolai Artemoff, V.A. von Kutsche, W.W. von Levin, M.W. Gorachek. Die Zusammensetzung des Geistlichen Gerichts und der Revisionskommission wurde erneuert.
Bote 1990-3
Priester der Stadt Suzdal
wechseln zur Russischen Auslandskirche
Als die vorliegende Nummer des "Boten" fast fertig war, erfuhren wir von einem wichtigen Ereignis, das wir unseren Lesern sofort mitteilen wollen - Red.
Schon im Dezember 1989 erschien in der deutschen Presse ein Artikel über die schwierige Situation in der Stadt Suzdal, in dem der Konflikt des Archimandriten Valentin (Rusancev), des Dekans für die Kirchen des Wladimir-Gebietes und des Vorstehers der Kaiser-Konstantin-Kirche von Suzdal, mit der Moskauer Hierarchie zur Sprache kommt, in dessen Folge Vater Valentin verboten wurde in Suzdal - wo er seit 16 Jahren tätig ist - zu zelebrieren (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 30.12.1989, s. nebenstehenden Bericht). Die "Moskovskije Novosti" (englischsprachige Ausgabe: "Moscow News") wiesen in einem späteren Bericht ebenfalls darauf hin, daß der Archimandrit die geforderte Berichterstattung verweigerte, und dies der Grund für seine Absetzung sei.
Die Gläubigen nahmen den neu zugewiesenen Vorsteher nicht an und wenden sich an alle Instanzen, um die Vertreibung des Vaters Valentin nicht zuzulassen. Sie sandten Hunderte von Telegrammen.
In ihrer Not veranstalteten die Gläubigen lange Zeit hindurch täglich zwei Prozessionen um ihre Kirche. Als sich eine Delegation der Gemeinde mit einer Petition an den Synod des Moskauer Patriarchats wandte und wegen der beißenden Kälte vom Pförtner in die Eingangshalle gelassen wurde, bezeichnete einer der Bischöfe des Synods diese einfachen und treuen Menschen als "Pöbel". Dies fand selbst eine sowjetische Zeitung empörend.
"Wie uns bekannt wurde, - heißt es in den "Moskovskije Novosti", - wurde das Problem Suzdal von der Synode der Russischen Kirche behandelt. Aleksij, der Vikar der Moskauer Diözese teilte den Vertretern der Gemeinden von Suzdal mit, daß die Gottesdienste künftig von Mönchen des Dreieinigkeit-Sergius-Klosters gehalten würden, da Suzdal jetzt der direkten Leitung der Synode unterstellt werde. Als Reaktion darauf beschlossen die verzweifelten Gläubigen in die Jurisdiktion der Russischen Auslandskirche überzuwechseln. Der Konflikt blieb somit ungelöst..." (MN 18.2.1990 - in der englischsprachigen Ausgabe fehlt der Satz, in dem die Russische Auslandskirche genannt wird).
Später reagierte auch der "Moskovskij Cerkovnyj Vestnik" (Moskauer Kirchenbote) mit einem Artikel, in dem der Autor zwar bestätigt, daß es Mißbrauch in der Versetzungspraxis von Priestern gab, der aber letztlich doch darauf hinausläuft, daß "die Kirche auf dem hierarchischen Prinzip aufgebaut, und ihre Kanones nicht ein Produkt der Zeiten der Stagnation oder des Personenkults" seien - daß "unser Volk" ein "nicht allzuhohes Niveau kanonischen und kirchlichen Bewußtseins" habe. "Die kirchlichen Kanones, die ja nicht in den 'Jahren der Stagnation', sondern in den ersten Jahrhunderten des Christentums entstanden, fordern vom Priester bedingungslosen Gehorsam dem Bischof gegenüber" (MCV Nr. 7, März 1990, S. 6). Das stimmt - und stimmt doch nicht. Was ist denn der Hintergrund des Geschehens? Das Thema der (direkten oder indirekten) Zusammenarbeit mit dem Staatssicherheitsdienst übergeht der "Moskauer Kirchenbote" in dem umfangreichen Artikel mit Schweigen. Es ist aber ein schmerzhaft-heißes Thema! Verlangten etwa die Bischöfe der ersten Jahrhunderte des Christentums, auf die der Autor des Artikels hinweist, etwa eine derartige Zusammenarbeit zugunsten eines gottlosen Staatsregimes? Dieses allgemeinbekannte Problem des Moskauer Patriarchats ist offensichtlich auch heute für manche schwierig zu lösen. Obwohl die Lösung an sich recht einfach ist - man müßte nur den Kanones entsprechend... Aber wann wird das Moskauer Patriarchat dazu fähig sein?
In der sechsten Woche der Großen Fastenzeit, am Fest der "Verkündigung" wurde der Archimandrit Valentin zusammen mit einem Abt, einem Priestermönch und einem Mönchsdiakon in die Gemeinschaft mit der Russischen Auslandskirche aufgenommen, nachdem sie in einem Reueakt vor dem versammelten Christenvolk um Vergebung dafür gebeten hatten, daß sie so lange Jahre im Moskauer Patriarchat gedient hatten, das sich durch die Loyalitätserklärung des Metropoliten Sergij von 1927 von der Wahrheit und dem reinen Bekenntnis des christlichen Glaubens entfernt hat.
Bote 1990-4
Sendschreiben des Bischofskonzils der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland
Durch den Willen Gottes fand sich im Jahre 1920 in der Folge der blutigen Revolution ein Teil der einen Russischen Kirche außerhalb der Grenzen ihres Vaterlandes, und vierunddreißig Bischöfe gründeten unter dem Vorsitz des Metropoliten von Kiev Antonij die Russische Orthodoxe Kirche im Ausland. Die Gläubigen unserer Kirche setzten sich aus Flüchtlingen aus allen Teilen Rußlands zusammen. Auf diese Weise besteht unsere Kirche seit siebzig Jahren. Inzwischen haben sich ihr viele andersgläubige Christen ange-schlossen, die den orthodoxen Glauben angenommen haben. Die Grundlage des ausländischen Teils der Rußländischen Kirche bilden die kirchlichen Kanones, die Bestimmungen des Gesamtrußländischen Konzils von 1917-18 und der Erlaß des Heiligsten Patriarchen Tichon vom Jahr 1920. Die oberste Gewalt liegt beim Konzil der Bischöfe, die die Kirche selbständig leiten. Doch diese zeitweilige Autonomie hat das nahtlose Gewand des Leibes Christi nicht zerrissen. Die russischen Geistlichen und Gläubigen im Ausland sind immer ein untrennbarer, geistlich verbundener Zweig der Mutterkirche geblieben, die von den Dienern des Antichrist, die sich gegen Christus und Seine Kirche erhoben, ans Kreuz geschlagen wurde. Weit von der Heimat, durch den eisernen Vorhang von ihr abge-schnitten, begleiteten wir im Geist die Erhabenheit des Märtyrerkampfes der treuen Söhne der Kirche, durchlitten wir die Not der Mutterkirche wie unsere eigene, freuten uns an ihren Freuden und beten inständig für die Leidenden in der Heimat. Zur Verteidigung der Verfolgten wandte sich der Ersthierarch unserer Kirche, Metropolit Antonij, dauernd an die Oberhäupter der autokephalen Kirchen, an die Regierungen der christlichen Staaten, er bat um moralische Unterstützung bei jedem neuen Schlag gegen die Kirche - sei es die Inhaftierung des Patriarchen Tichon, oder die Gefahr eines Pseudo-Konzils des Erneuerer-Schismas 1 usw. Unsere Bischöfe waren Teil des Episkopates der Rußländischen Kirche, sie trennten sich nie von ihm. Sie kommemorierten bei den Gottesdiensten den Namen des Heiligsten Patriarchen Tichon, bis zum Tage seines Ablebens. Danach den Namen des kraft Beschlusses des Konzils von 1917-18 gesetzlichen Verwesers des Patriarchenthrones, des Metropoliten von Kruticy Peter, ungeachtet dessen langjähriger Haft, bis zu seinem Tode in der Verbannung. Das Oberhaupt unserer Kirche blieb bis zum Ende seines Lebens auch dem Titel nach Metropolit von Kiev. Seinerseits zählten uns der Heiligste Patriarch Tichon und anfänglich selbst Metropolit Sergij zu den ihren und schrieben uns ins Ausland. Metropolit Sergij aber, obwohl lediglich Stellvertreter des Verwesers des Patriarchenthrones, überschreitet plötzlich seine Machtbefugnisse, verletzt die Einmütigkeit des Episkopats, veröffentlicht ohne Absprache mit allen und entgegen der Meinung der erdrückenden Mehrheit der Hierarchen seine Deklaration über die Übereinstimmung der Interessen der Kirche und der atheistischen Regierung. Die ältesten Hierarchen - Metropolit Peter und Metropolit Kirill von Kazan' - verurteilten diesen Schritt und brachen die Gemeinschaft mit Metropolit Sergij. Der ausländische Teil der Kirche Rußlands folgte ihrem Beispiel. Das Bischofskonzil verfügte: "Der freie Teil der Kirche Rußlands unterbricht die administrativen Verbindungen mit der Moskauer Kirchenleitung (des Metropoliten Sergij und seines Synods) angesichts der Unmöglichkeit normaler Beziehungen mit ihr und angesichts ihrer Versklavung durch die gottlose Macht, die sie der Freiheit in ihren Willensentscheidungen beraubt wie auch der Freiheit der kanonischen Leitung der Kirche (Rundschreiben vom 9. September 1927). Das Schisma im Episkopat der Kirche Rußlands schuf auf diese Weise der Metropolit Sergij. Die einen (die Mehrheit) beschritten den Weg des Martyriums, die anderen den Weg der erzwungenen Zustimmung. Bereits in den ersten Monaten der Tätigkeit der von den Machthabern legalisierten Kirchenleitung begannen ungeahnte Verfolgungen derer, die die Zustimmung verweigerten, d.h. der Mehrzahl des Episkopats. Unbeugsame versetzt Metropolit Sergij eigenwillig, ohne dazu irgendein Recht zu besitzen, in den Ruhestand, suspendiert eigenmächtig vom geistlichen Amt, was den Machthabern den Grund lieferte, sie dem Gericht zu überantworten, zur Inhaftierung in Gefängnissen, Lagern und Verbannung, wo sie als Märtyrer für Den starben, Der sie liebte. Eine solche Verfolgung des Episkopats führte zu seiner fast vollständigen Ausrottung. Metropolit Sergij mußte eine neue Hierarchie aufstellen. Die letzten, die sich vor der Vernichtung retten konnten, gingen in die Katakomben, d.h. in die illegale Existenz. Unbeugsame Katakombenchristen, die die gegenwärtige Moskauer Patriarchie vollkommen ablehnen, gibt es durch Gottes Barmherzigkeit trotz furchtbarer und rücksichtsloser Verfolgungen in großer Zahl bis auf den heutigen Tag, wenn sie auch leider keine einheitliche geistliche Führung besitzen. Die freie Russische Kirche blieb in Geist und Gnade mit den Märtyrern und Bekennern verbunden, verherrlichte ihren Kampf, in dem sie den Ruhm und den Sieg der Kirche erblickte, in den dunklen und blutigen Tagen ihrer Zerstörung. In ehrfürchtigem Gedenken an die Märtyrer, im Wunsch, ihrem Kampf nachzueifern (in den nicht immer leichten Bedingungen des Lebens im Ausland), vollbrachte das Konzil der russischen Bischöfe in der Erkenntnis seiner Pflicht vor der Mutterkirche, unterstützt von Geistlichen und Gläubigen in Rußland, das, was in der Heimat zu tun nicht möglich war, - es verherrlichte mit den Heiligen alle Neomärtyrer und Neuen Bekenner und vertraute ihren Gebeten das Schicksal der Kirche und Rußlands an. Mit dem Akt der Kanonisierung der Neomärtyrer bezeugte das Konzil unserer Bischöfe unsere reale, im Gebet ruhende und unverbrüchliche Verbindung mit ihnen in der Einen Kirche Rußlands. Mit Furcht und Zittern, in Erkenntnis unserer Unwürdigkeit, rechnen wir uns ihnen wie Verwandte zugehörig, in Christus Jesus. Wir bemühen uns, außerhalb der Heimat das zu bewahren, wofür sie die Märtyrerkränze empfingen. Und nur die Lossagung von den Märtyrern kann uns von der Russischen Kirche trennen. Das soll nicht geschehen! Jetzt, wo der sorgsam errichtete Eiserne Vorhang zu fallen beginnt, wird uns die Möglichkeit gegeben, unsere Brüder und Schwestern in Rußland zu treffen und in unmittelbare Verbindung mit ihnen zu treten, uns an der Unerschütterlichkeit und Festigkeit ihres Glaubens und ihrer Liebe zu Christus zu freuen. Gottes Gnade stützt sie und beschämt die Gottlosen. Wir glauben und bekennen, daß in denjenigen Kirchen der Moskauer Patriarchie, in denen der Priester heiß glaubt und aufrecht betet, und nicht nur Kultdiener, sondern auch ein guter Hirte ist, der seine Schafe liebt, entsprechend dem Glauben der Herbeitretenden in den Sakramenten die rettende Gnade zuteil wird. Gering an Zahl sind diese Kirchen auf den unermeßlichen Weiten des Russischen Landes. Die Kirchen der Katakombenchristen, unserer Brüder, in denen die Gottesdienste von Priestern vollzogen werden, die die kanonische Befugnis von jenen erhielten, die Märtyrerkränze annahmen, den wahren Oberhirten der Kirche, sind noch geringer an Zahl und der großen Masse der Gläubigen nicht zugänglich. Deshalb wenden sich Priester und Gläubige aus Rußland an uns mit der Bitte, sie mit unserem Omophor zu bedecken, ihnen die Gnade weiterzureichen. Unser pastorales Gewissen sagt uns, daß wir ihnen nicht nur helfen können, sondern sogar helfen müssen, wobei wir jedes Mal die Gründe untersuchen müssen, die sie dazu führten, sich an uns zu wenden. Wir wenden uns jedoch diesem unserem neuen Dienst mit großer Vorsicht zu, im Vertrauen auf Gottes Hilfe, denn was den Menschen nicht möglich ist, ist Gott möglich. Wir wissen noch nicht, inwieweit sich die Sowjetmacht demokratisiert hat und inwieweit die Perestrojka real ist. Doch wir sind unsererseits bereit, denen die Hand zu reichen, die unserer Hilfe bedürfen, wenn Gott es segnet. Schaffen wir damit ein Schisma in der Kirche, wie einige denken und sagen, die das gnadenerfüllte Leben der Kirche nicht verstehen? Sie haben offensichtlich vergessen oder wissen nicht, daß das Schisma in der Kirche Rußlands schon vor dreiundsechzig Jahren geschaffen wurde, nämlich durch Metropolit Sergij und seine Nachfolger. Die schrecklichen Folgen der Deklaration hat die Moskauer Patriarchie auch in unseren Tagen nicht überwunden; sie hat die innere Freiheit der Kirche verloren, verletzt den 30. Apostolischen Kanon 2 und steht entschieden und unwiderruflich auf diesem verderblichen Weg, selbst jetzt, da man sich in allen Schichten der Gesellschaft von den Sünden, der Lüge und Heuchelei der vergangenen Jahrzehnte befreit. Seinerzeit fanden ehemalige Erneuerer1 Eingang in die kirchliche Verwaltung des Moskauer Patriarchats. Sie brachten Modernismus und übermäßige Begeisterung für den Ökumenismus mit sich. Auch folgende Frage steht vor uns: Kann die Hierarchie der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland eigene Bischöfe in Rußland, auf russischer Erde haben? Wir meinen und glauben, daß sie das nicht nur kann, sondern sogar muß. Das russische Land ist doch für russische Bischöfe nicht Territorium einer fremden autokephalen Kirche. Riesig sind die Weiten Rußlands, in denen Millionen von Gläubigen ohne Priester darben, ohne segenerfüllte geistliche Betreuung. Wir erhalten eine Vielzahl von Briefen von Gläubigen, die unter dem Mangel an geistlicher Nahrung leiden; sie bitten uns darum, ihnen Priester zu geben. Gleich Bettlern bitten sie um geistliches Brot - und dürfen wir in ihre zu uns ausgestreckten Hände Steine der Gleichgültigkeit und Gefühllosigkeit legen? Das darf nicht geschehen! Es ist unsere Pflicht, alles uns Mögliche zu tun, um ihren geistlichen Hunger zu stillen. Die Moskauer Patriarchie kann dies offensichtlich nicht tun, und deshalb hat sie kein Recht, uns zu behindern. Niemand weiß, was unser Vaterland noch erwartet, welche Veränderungen sich in seinem Leben in der nächsten Zeit ereignen. Vorläufig ist nur ein Spalt offen, vielleicht nur zeitweilig, und wir müssen ihn nutzen; alles übrige liegt in Gottes Händen, denn unser Gott ist der Gott, Der Wunder wirkt. Sein heiliger Wille geschehe!
3/16. Mai 1990 Der Vorsitzende des Bischofskonzils Metropolit Vitalij
Mitglieder des Bischofskonzils Erzbischof Antonij (Los Angeles) Erzbischof Antonij (Genf) Erzbischof Antonij (San Francisco) Erzbischof Paul Erzbischof Laurus Bischof Alipij, Bischof Mark Bischof Lazar Bischof Daniil Bischof Ilarion Bischof Konstantin Bischof Grigorij
Bote 1990-4
Beschluß des Bischofskonzils der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland
Am Freitag der vierten Woche nach Ostern, dem 28. April (nach dem Alten Kalender) 1990 vollendeten wir, die Bischöfe der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland, zur Mitte der diesjährigen Sitzung unseres Konzils im Kloster zur Verklärung des Herrn in Mansonville (Kanada) die Vorbereitungen zur Verherrlichung der gottgefälligen Starzen von Optina ewigen Angedenkens, die durch unser Konzil im Jubiläumsjahr 1988, als die Tausendjahrfeier der Taufe Rußlands begangen wurde, angefangen hatten, und erheben unsere Herzen und unseren Verstand im Gebet zu diesen berühmten Kämpfern der Frömmigkeit, die im russischen Land erblühten, und bekennen einmütig, daß: 1) Unter vielen Knechten Gottes, die in der Einsiedelei von Optina ihr asketisches Leben führten, besonders hervorragten und viele und überviele durch ihr Leben und ihre Askese übertrafen und besonders die Herzen frommer Menschen rührten die Starzen ewigen Angedenkens: Lev, Moisej, Antonij, Isaakij I., Makarij, Amvrosij, Josif, Anatolij I., Ilarion, Varsonofij, Anatolij d. Jüngere, Isaakij II., Nektarij und Nikon (1828-1928). 2) Vielen unserer Landsleute erwiesen sie durch ihre väterliche Liebe ihre gnadenerfüllte Hilfe, indem sie "erbauten, belehrten und trösteten", d.h. nach den Worten des Apostels Paulus im russischen Volk prophetischen Dienst vollbrachten (1 Kor. 14, 1 u. 3). Eben darin besteht der ruhmreiche Dienst der Starzen, der in der Einsiedelei von Optina besonders blühte, beseelt von den Belehrungen der Schüler des Heiligen Paisij Veliçkovskij, der am 19. Juli 1982 im Skit des Hl. Propheten Elias auf dem Hl. Berg Athos verherrlicht wurde. 3) Diese Heiligen wirkten durch die Kraft Gottes in Vorausschau, Heilungen und vielen anderen Wundern, was in ihren Lebensbeschreibungen bezeugt ist, die in der Einsiedelei von Optina herausgegeben wurden, und ebenso im Werk des Neo-Märtyrers Nikodim von Belgorod "Einheimische Asketen der Frömmigkeit des 18. und 19. Jh." und in anderen Büchern und Schriften. Auszüge aus diesen Zeugnissen wurden im Hl. Dreifaltigkeits-Kloster gesammelt und zur Durchsicht den Teilnehmern des Bischofskonzils im Juli 1988 überlassen. 4) Neben unermüdlichen Belehrungen in der Beichte und Antworten bei der Offenlegung der Gedanken - sowohl bei Mönchen und Nonnen, als auch bei Laien - fanden diese wunderbaren Starzen, insbesondere Makarij und Amvrosij, Zeit und Kraft auch für schriftliche Antworten und für die Fortsetzung des großen Werkes des Hl. Paisij Veliçkovskij, das in der Übersetzung und Ausgabe der Werke der asketischen Schriftsteller bestand, der Lehrer des geistlichen Lebens und des Jesusgebets, mit dem sich diese Starzen selbst ständig beschäftigten. 5) Die Errichtung des berühmten Skits von Optina wie auch von Klöstern, insbesondere für Nonnen, geht auf einige dieser gottgefälligen Männer zurück, die dabei großes Leid erfuhren und ihre Kräfte für diese Sache ganz verausgabten. 6) Die Starzen fanden nötige und von Liebe erfüllte Worte sowohl für arme Bäuerinnen als auch für berühmte russische Schriftsteller und Philosophen und waren dadurch wahrhaft "alles für alle, um wenigstens einige zu retten" (1 Kor. 9,22). Dieser "einigen" waren viele, sie gibt es auch jetzt, und es wird sie auch in Zukunft geben unter denen, die vom Gedanken an die Hilfe der Heiligen Starzen im Gebet beseelt sind. Auf diese ihre gnadenreiche Fürbitte vertrauend, beschließt das Bischofskonzil im Glauben an ihre Heiligkeit: 1) In der Schar der Heiligen, die im Russischen Land aufleuchteten, unsere Heiligen und gottragenden Väter, die Starzen von Optina Lev, Moisej, Antonij, Isaakij I., Makarij, Amvrosij, Josif, Anatolij I., Ilarion, Varsonofij, Anatolij d. Jüngeren, Isaakij II., Nektarij und Nikon zu verherrlichen. 2) Die Verherrlichung (Kanonisierung) am 29. und 30. April (n.d. Alten Kalender) in der Kathedralkirche des Hl. Nikolaus in Montreal (Kanada) zu vollziehen. 3) Das Gedenken der Heiligen Starzen von Optina überall am 10. Oktober alten Stils zu begehen. 4) Das Gedenken des Hl. Paisij Veliçkovskij, der 1982 auf dem Athos verherrlicht wurde, überall am 17. November alten Stils zu begehen. 5) Dem Bischofssynod der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland aufzutragen, unsere Geistlichen und Gläubigen von der vollzogenen Verherrlichung zu unterrichten und zu eifrigen Gebeten an die neuverherrlichten gottgefälligen Starzen aufzurufen.
Der Vorsitzende des Bischofskonzils Metropolit Vitalij Mitglieder des Konzils: Erzbischof Antonij (Los Angeles) Erzbischof Antonij (Genf) Erzbischof Antonij (San Francisco) Erzbischof Paul Erzbischof Laurus Bischof Alipij Bischof Lazar Bischof Daniil Bischof Grigorij Bischof Konstantin Sekretäre des Bischofskonzils: Bischof Mark Bischof Ilarion
1 siehe Seite 1 2 " Wenn ein Bischof in der Kirche die bischöfliche Macht durch weltliche Machthaber erlangt, so sei er laisiert und ausgestoßen, und eben-so alle die mit ihm in Gemeinschaft stehen".
Bote 1990-4
Sendschreiben des Bischofskonzils der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland zur Verherrlichung der Heiligen Starzen von Optina
Den ehrwürdigen Priestern, frommen Mönchen und Nonnen und den gottliebenden Gläubigen wünscht das Bischofskonzil Freude. Der Herr würdigte uns alle segensreichen Trostes durch die Verherrlichung unter den Heiligen der gottragenden Väter von Optina, der Starzen Lev, Moisej, Antonij, Isaakij, Makarij, Amvrosij, Josif, Anatolij, Ilarion, Varsonofij, Anatolij, Isaakij, Nektarij und Nikon, denen Gott Seine Kraft schenkte und wunderbar vor allen erwies. Das Bischofskonzil, das sich aus allen Diözesen von verschiedenen Enden der Welt im Kloster der Verklärung des Herrn in Mansonville bei Montreal in Kanada am 25. April/8. Mai 1990 versammelt hatte, war zu einem seltenen Ereignis anberaumt - zur Verherrlichung der vierzehn gnadetragenden Starzen von Optina, die im Laufe von hundert Jahren von 1828 bis 1928 ihr asketisches Leben führten und über ganz Rußland durch ihren Dienst an Gott und am Nächsten leuchteten. Gläubige Christen, die Vorbilder zur Nachfolge im Kampf mit ihren Fehlern suchen, finden diese im Leben der Heiligen, die die Gebote Gottes erfüllt und damit gezeigt haben, daß auch wir, die wir einer Natur mit ihnen sind, auf dem gleichen Weg zu Gott schreiten können. Dies bringt Liebe zu den Heiligen und eifrige Gebete um ihre Fürsprache für uns vor Gott hervor. Die Heiligen haben verschiedene geistliche Wege beschritten. Die einen wurden vorzüglich durch Enthaltsamkeit und Fasten verherrlicht, andere durch Gebet und Wachen, wieder andere durch Demut und Sanftmut, die einen durch das Erdulden von Beleidigungen, die anderen durch Armut oder Barmherzigkeit gegenüber dem Nächsten. Die Starzen von Optina wurden durch die seltene Gabe der Prophetie verherrlicht; sie drangen in den Seelenzustand eines jeden ihrer Besucher ein, erkannten ihre geistigen Schwächen und Nöte und heilten sie. Die erstaunliche Kraft ihres Wertes lag in der großen Liebe beschlossen, die sie gegenüber allen ohne Unterschied hegten, und die zusammen mit der Offenlegung der seelischen Geheimnisse die Seelen erschütterte, sie zur Buße und Besserung führte, geistliche Wiedergeburt vollbrachte und zu neuem christlichem Leben beflügelte. Die Gnadengaben der Starzen von Optina zogen eine große Zahl von Menschen aus allen Teilen Rußlands an, und niemand verließ sie, ohne von ihnen geistlichen Nutzen empfangen zu haben. Sie erhielten von Gott außergewöhnliche Gaben zur Vollbringung von Wundern und die Kraft gnadenreicher Wirkung auf die Seelen durch große Askese und besonders auf dem Weg, den der Apostel benutzte, der sagte: "Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark" (2 Kor. 10,12), d.h. wenn ich meine Schwäche und Unzulänglichkeit erkenne und zu Gott rufe, dann werde ich, bei Erlangung Seiner Hilfe, stark. Die große Demut, die tiefe Erkenntnis der eigenen Unwürdigkeit und das daraus hervorgehende unaufhörliche Gebet ließen die Starzen von Optina zu Trägern der Gnade und Kraft Gottes werden. Ihre Verherrlichung wurde am 29. und 30. April alten Kalenders, am fünften Sonntag nach Ostern, dem Sonntag der Samariterin, in der Kathedralkirche des Hl. Nikolaus in Montreal vollzogen. Hierzu waren viele Gläubige aus Kanada und den USA gekommen: es zelebrierten zwölf Bischöfe und vierzig weitere Geistliche. Die Intensität des Gebets und erhabene Größe des Gesangs der zwei großen Chöre waren aufrichtig und außergewöhnlich. Die Anwesenden beteten zu den gnadenbegabten Starzen von Optina um geistliche Hilfe für jeden und für unser leidendes Vaterland und die verfolgte Kirche Rußlands. Die Gläubigen verehrten fromm die Teile der Reliquien der Heiligen Starzen Amvrosij und Nektarij und empfingen eifrig die jedem ausgehändigte Ikone der Heiligen Starzen von Optina. Der abendliche Gottesdienst, der mit dem letzten Totengedenken für die Starzen begann, dauerte fünf Stunden, die Göttliche Liturgie vier Stunden. Sie endete mit einem großartigen Umzug um das Quartal, während dessen der Osterkanon und ein Bittgot-tesdienst an die neuverherrlichten Heiligen gesungen wurde. Das Bischofskonzil, das unseren Gläubigen von der Verherrlichung der gottragenden Starzen von Optina Mitteilung macht, ruft die frommen Gläubigen dazu auf, ihre Gebete zu den neuen Heiligen Gottes emporzusenden, die große Kraft vor Gott besitzen. Wir bringen Gott, dem Wunderbaren in Seinen Heiligen, auch unsere Dankbarkeit dafür entgegen, daß Er uns die Möglichkeit schenkte, unseren Kräften gemäß in würdiger Form die Verherrlichung Seiner Heiligen zu vollziehen. Heilige und gottragende Starzen von Optina, betet zu Gott für uns! Der Segen unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes des Vaters und die Teilhabe des Heiligen Geistes sei mit unserem ganzen gläubigen Volk, Amen.
Mansonville, den 3./16. Mai 1990
Der Vorsitzende des Bischofskonzils Metropolit Vitalij Mitglieder des Bischofskonzils Erzbischof Antonij (Los Angeles) Erzbischof Antonij (Genf und Westeuropa) Erzbischof Antonij (West Amerika und San Francisco) Erzbischof Paul Erzbischof Laurus Bischof Alipij Bischof Mark Bischof Lazar Bischof Daniil Bischof Ilarion Bischof Konstantin Bischof Grigorij
Bote 1990-4
Gebet an die Heiligen Starzen von Optina
Oh göttliche Schar Heiliger Väter, ihr gottragenden Starzen von Optina, die ihr in engelsgleichem Leben auf der Erde aufgeleuchtet und in der himmlischen Stadt verherrlicht seid! Wir wissen, daß in den Tagen eures irdischen Dienstes niemand leer und ungetröstet von euch ging, sondern allen waret ihr alles: den Kranken Heiler, den Zweifelnden Festigung, den Trauernden Trost; denn die Gnade der Heilung, der Voraussicht, der Heilung kranker Seelen erschien reichlich in euch. Doch auch jetzt seid ihr uns allen Fürsprecher, und für unser leidgeprüftes Vaterland inständige Beter vor Gottes Altar, denn euch ist es gegeben für uns zu beten; schaut nun herab aus himmlischem Glanze und seht eure Herde, die ihr auf der Weide der Lehre Christi geweidet habt; sie ist verscheucht und niedergedrückt und von seelenverderbenden Wölfen zerrissen; sucht uns Armselige und Hilflose durch eure Fürsprache heim, sucht die Verirrten, sammelt alle Zerstreuten, führt die Verblendeten zurück und vereinigt sie mit eurer heiligen, katholischen und apostolischen Kirche; bewahrt die im monastischen Leben vor allen Anfechtungen des Widersachers, belehrt die Jugend, unterstützt das Alter, erhaltet die in der Ehe in Frieden und Einmütigkeit. Erhört uns, ihr göttlichen Ärzte der Seelen, weist uns den Weg der Buße, auf daß wir - euren Worten folgend - uns selbst und unser ganzes Leben in die Hände der übergroßen Barmherzigkeit Gottes legen, damit Sein Wille unsere Gedanken und Gefühle in all unseren Taten und Worten lenke. Reicht uns die Hand der Hilfe, ihr seligen Väter, und lehrt uns beten, glauben, hoffen, dulden, verzeihen und lieben, auf daß wir so, - stets in den Geboten des Herrn wandelnd - auf eure Fürsprache die ewige Freude des Himmelreiches erlangen, wo wir mit euch zusammen Gott preisen, den Wunderbaren in Seinen Heiligen, den Vater und den Sohn und den Heiligen Geist in Ewigkeit. Amen.
Bote 1990-4
Feierliche Verherrlichung der Starzen von Optina in Montreal am 30.April/13. Mai 1990
90 Meilen südlich von Montreal liegt in einer waldigen bergigen Gegend, direkt an der Grenze zu den Vereinigten Staaten der Verklärungs-Skit. Die Nordrussische Architektur der Skit-Kirche schmilzt harmonisch mit der sie umgebenden Natur zusammen, die so sehr an den Norden Rußlands erinnert. Es scheint, daß man eine vertraute Landschaft der Leinwand Levitans vor sich hat. Derselbe zart-blaue Himmel, dieselben schlanken Birken und mächtigen Tannen. Und daneben die Wiese und der bescheidene Friedhof. All dies kommt einem so bekannt und so wehmütig heimatlich vor.
Hier fand am 8. Mai 1990 die Eröffnung des Bischofskonzils der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland statt. Nach der Göttlichen Liturgie zelebrierte der hochgeweihte Erzbischof Antonij v. Los Angeles ein besonderes Moleben vor dem alten Heiligtum der Russen - der wundertätigen Gottesmutter- Ikone von Kursk - und flehte um die Herabsendung der gnädigen Hilfe des Hl. Geistes für die Arbeit des Konzils. Es hatten sich 13 Hierarchen aus Amerika, Kanada, Europa, Australien und Rußland versammelt. Im Verlaufe von 5 Tagen fanden morgens und nachmittags, und manchmal auch abends Sitzungen statt. Täglich feierte man die Göttliche Liturgie, die reihum von den am Konzil teilnehmenden Hierarchen zelebriert wurde. Auf diesem Konzil sollte neben der Bearbeitung aller notwendigen kirchlichen Angelegenheiten ein großes Ereignis stattfinden - nämlich die Verherrlichung der ehrwürdigen Starzen von Optina, die zum Ruhme der Russischen Orthodoxen Kirche und ihrer Frömmigkeit gereichen. Zur Vigil am Samstag, dem 13. Mai, begaben sich alle Konzilsteilnehmer nach Montréal und zelebrierten in voller Zahl zum letzten Mal eine Panichida für die Starzen in der Nikolaus-Kathedralkirche. Es war ein wahrhaft großartiger Anblick: die hochgeweihten Bischöfe in "Mantya" und mit dem "Klobuk" auf dem Haupt schritten mit dem Ersthierarchen, Metropolit Vitalij, an der Spitze in die Mitte der riesigen Kirche, die durch die vielen brennenden Kerzen von einem flackernden Licht erfüllt war. Ehrfürchtig lauschten die Gläubigen den ewig weisen Worten der Panichida, die uns mit dem Tod aussöhnen.
Dann begann unter Teilnahme zahlreicher Gläubiger feierlich die Nachtwache. Sie dauerte fünf Stunden, aber keinem kam sie lange vor. Der Gottesdienst ergriff die Seele, der wunderbare Gesang bewegte und besänftigte die Gemüter. Man empfand sozusagen die wirkliche Gegenwart der Starzen, wie einst dort in Optina. Man fühlte, daß hier ein großes kirchliches Geheimnis vollzogen wurde, daß uns weder Zeit noch Raum mehr von ihnen trennen. Mit dem Herannahen des Höhepunktes der Feier, nämlich des "Veliçanie" (Lobgesang) an die Starzen wuchs diese Empfindung immer mehr. "Wir rühmen und preisen euch" - sang der Chor der Geistlichen. Dann kam der allerfeierlichste Augenblick. Der Metropolit steigt von seinem Sitz zum Analogion herab, auf dem die mit einem Schleier verdeckte Ikone liegt. Zu ihren beiden Seiten stehen zwei Protodiakone. Der Metropolit verbeugt vor ihr. Dann erheben die Protodiakone die Ikone auf Schulterhöhe, und der Metropolit nimmt den Schleier von ihr ab. Nun erscheint die Ikone vor dem ganzen Volk. Mit dem Schleier wurde auch unsere Sündhaftigkeit abgenommen, die uns von den Starzen fern hält. Der Himmel stand uns in diesem Augenblick, als die Ikone dem Blick aller zugänglich wurde, offen. Der himmlische Reigen der göttlichen Starzen von Optina! Sie strahlen Liebe und Güte, Mitgefühl und Wärme aus, durch welche sie zu ihren Lebzeiten Hunderttausende zu sich zogen. Jetzt sind sie uns wieder nahe und zugänglich. Und man braucht nun nicht mehr in das ferne Optina zu reisen, um ihren Segen zu erhalten. Nun sind sie überall und allerorten mit uns! So ergoß sich das Erbarmen Gottes in dieser Verherrlichung auf die Russische Kirche und schenkte uns allen innerliche Bereicherung.
Besonders erfreulich war die Anwesenheit der wundertätigen Ikone der Mutter Gottes "Von-der-Wurzel" von Kursk bei der Kanonisationsfeier - das Fest stand unter dem Schutz der Allerreinsten Selber. Mit Ehrfurcht näherte sich das orthodoxe Volk der Wundertätigen Ikone, dem Kästchen mit den Reliquien der göttlichen Starzen Amvrosij und Nektarij und der Ikone aller neu-verherrlichten Starzen. Der Metropolit salbte alle Anwesenden mit Öl aus der Lampe von den Reliquien des hl. Amvrosij von Optina.
Als sich die Teilnehmer nach der Vigil zum Abendessen in dem Gemeindesaal der Kirche versammelten, sagte ein Anwesender im Überschwang der Freude: "Das ist ja heute ein zweites Ostern für uns!", und alle fühlten, daß es tatsächlich so war.
Am folgenden Tag wurde in der Kathedralkirche die Göttliche Liturgie von dem Ersthierarchen der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland, Metropolit Vitalij, unter Konzelebration aller hochgeweihten Mitglieder des Bischofskonzils und 40 weiterer Geistlicher gefeiert. Zahlreiche Gläubige, nicht nur aus den Gemeinden Kanadas, sondern auch aus den USA, waren zu diesem Fest zusammengekommen.
Allen war es licht und freudig zumute. Diese glückliche Empfindung hielt während des ganzen Gottesdienstes an, der entsprechend der Bedeutung des Tages majestätisch, feierlich und prächtig war. Die Gläubigen empfingen die hl. Kommunion aus drei Kelchen. Am Ende der Liturgie hielt der Metropolit eine Predigt über den Geist des Gehorsams, der die ehrwürdigen Starzen von Optina auszeichnete, und über seine Bedeutung für das geistliche Leben. Der Gottesdienst endete mit einer feierlichen Prozession um das Straßenviertel, in dem sich die Kathedralkirche befindet. Die Fahnen, die Ikonen, der Chorgesang des Osterkanons und die Anrufung der Starzen von Optina, die große Anzahl der Gläubigen und Geistlichen mit dem Ersthierarchen an der Spitze und den anderen Hierarchen in ihren weißen, österlichen Ornaten - all dies schuf eine freudige und lichte Stimmung. Wahrhaft würdigte uns der Herr, Sein Osterfest noch einmal zu erleben!
Die Feierlichkeit endete mit einem Festbankett, während dessen die Lebensbeschreibung des größten der Starzen von Optina, des ehrwürdigen Amvrosij, vorgelesen wurde. So also erfolgte die Verherrlichung der Schar der Starzen von Optina durch die Russische Orthodoxe Kirche im Ausland am Sonntag, dem 13. Mai 1990, an dem man des Gesprächs Christi mit der Samariterin am Jakobsbrunnen gedenkt. An diesem erhabenen Tag gewährte der Herr uns allen, aus der Quelle des Lebendigen Wassers zu schöpfen und zur Rettung unserer Seelen aus ihr zu trinken.
Erzbischof Paul
Bote 1990-4
Sendschreiben der Bischofssynode der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland
An die getreuen Kinder der Russisch-Orthodoxen Kirche in der Heimat und in der Zerstreuung
Als Antwort auf das auf den ersten Seiten der vorliegenden Ausgabe des "Boten" veröffentlichte Sendschreiben des Bischofskonzils der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland trat der neueingesetzte Patriarch des Moskauer Patriarchats verschiedentlich mit Vorwürfen gegen unsere Hierarchie an die Öffentlichkeit. U.a. beschuldigt er uns der Schaffung einer Spaltung. Tatsächlich war auf diese Frage bereits in dem Sendschreiben der Bischöfe eine Antwort gegeben worden, wo die Bischöfe schreiben, daß nicht wir eine Spaltung herbeigeführt haben, sondern jener Metropolit Sergij, der den Weg des Bekennertums der anderen Bischöfe der Russischen Kirche ablehnte und einen von den Hll. Neomärtyrern getrennten Teil schuf, der jedoch für sich in Anspruch nimmt, die Fülle der Russischen Kirche zu vertreten und sich als "Moskauer Patriarchat" bezeichnet. Die Rückkehr des heutigen "Moskauer Patriarchats" zur Fülle der Russischen Kirche kann nicht darin bestehen, daß es die entstandenen Probleme durch Demagogie über eine angebliche Spaltung vertieft, sondern in der Hinwendung zur Konziliarität der Russischen Orthodoxie und zur historischen Wahrheit.
In Verbindung mit dieser Problematik veröffentlichte die Bischofssynode der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland im Juli ein neues Sendschreiben, das wir im Folgenden abdrucken. (Red.)
Es gibt keinen Zweifel, daß in Rußland zur Zeit große Veränderungen äußerlicher Art vor sich gehen, welche die geistige Befreiung des Volkes mit sich bringen. Leider wurde die Hierarchie der offiziellen Kirche bisher noch nicht von dieser Befreiungstendenz erfaßt. Dies wird erneut deutlich durch die Einberufung und die Beschlüsse des Konzils des Moskauer Patriarchats, das anläßlich der Wahl seines neuen Oberhauptes einberufen wurde. Unmittelbar vor diesem Ereignis lasen wir eine Pressemitteilung über eine angeblich grundlegende Veränderung der Lage der Orthodoxen Kirche in Rußland unter der neuen Politik der soge-nannten "Perestroika". Wir wußten nicht, ob wir nun hoffen durften, daß bei dem bevorstehenden Konzil neue und gesunde kirchliche Kräfte in Erscheinung treten, welche in der Lage sein würden, die durch ihre Zusammenarbeit mit der atheistischen Macht kompromittierten Hierarchen zu ersetzen.
Viele Gläubige meinten, daß ein grundlegender Wandel bereits eingesetzt habe. Einige Äußerungen am Anfang des Sendschreibens des Konzils des Moskauer Patriarchats konnten uns tatsächlich zu dieser Annahme Hoffnung schenken. "Unsere Kirche und das ganze Volk - so heißt es dort - traten in eine Epoche großer Veränderungen ein, die von neuen Möglichkeiten und einem neuen Verantwortungsbewußtsein gekennzeichnet ist". Das Sendschreiben sagt ganz richtig: "Jetzt obliegt es uns wie niemals zuvor, unsere Vergangenheit und unseren gegenwärtigen Zustand kritisch zu überdenken, und nicht nur jene inneren Krankheiten in uns zu verurteilen, die sich aus den eingeschränkten, äußeren Umständen des kirchlichen Daseins ergaben, sondern auch das, was das Resultat unserer Schwäche und Unvollkommenheit ist, damit wir alle Ýin dem neuen Leben wandelnÝ (Röm. 6,4)."
Das Sendschreiben geht jedoch nicht weiter auf das Wesen der darin erwähnten "inneren Krankheiten" ein, und von einem "kritischen Überdenken" ist auch keine Rede. Auf das Verhältnis zur Russischen Auslandskirche eingehend, stellt das Sendschreiben diese auf das Niveau eines "Zwistes", der beizulegen wäre, die grundlegenden tiefen und prinzipiellen Ursachen unserer Trennung verschweigt es jedoch. "Nichts wünschen wir jetzt und wünschten wir je so heiß wie die Versöhnung mit unseren Brüdern und Schwestern", heißt es in dem Sendschreiben.
Christen können sich leicht versöhnen, wenn die Streitfrage nur den Bereich persönlicher Beleidigungen angeht, die durch gegenseitige Liebe und die Bitte um Verzeihung bereinigt werden können. Aber wie kann man sagen "Christus ist unter uns", wenn auf der einen Seite die dem Herzen teure und die Grundlage des Lebens der Kirche Christi darstellende Wahrheit steht, und auf der anderen die ihr fremde Lüge?
Wir müssen daran erinnern, daß der Weg des Moskauer Patriarchats, welches diese Lüge eingebracht hat, bereits 1927 von Metropolit Sergij, dem späteren Patriarchen, festgelegt wurde, als er um den Erhalt der äußeren kirchlichen Organisation willen verkündete, daß die Freuden und Leiden der der Kirche feindlichen Machthaber auch die Freuden und Leiden der von ihm geleiteten Kirche seien. Die Metropoliten Petr und Kyrill, die mit dieser lästerlichen Lüge nicht einverstanden waren, gingen zusammen mit ihren zahllosen Getreuen in den Chor der Märtyrer und Bekenner ein, welcher den Schmuck der russischen Kirche darstellt.
Das damalige Oberhaupt des ausländischen Teils der Russischen Kirche, der Selige Metropolit von Kiev Antonij, stellte mit großem Schmerz den neuen, von Metropolit Sergij eingeschlagenen Weg als einen Weg der Lüge bloß. Am 6. Mai 1933 schrieb Metropolit Antonij an ihn: "Ich flehe Sie als meinen früheren Schüler und Freund an: Widerstehen Sie dieser Versuchung, sagen Sie sich, so daß es alle hören, von dieser Lüge los, welche Tuçkov und andere Feinde der Kirche Ihnen in den Mund gelegt haben, schrecken Sie nicht zurück vor Qualen, die eventuell auf Sie zukommen . Wenn Sie die Märtyrerkrone gewinnen, dann werden sich die irdische und die himmlische Kirche vereinen im Lob Ihres Mutes und des Herrn, der Ihnen die Kraft dazu schenkte, aber wenn Sie auf dem breiten Wege, der zum Verderben führt, verharren (Mt. 7,13), auf dem Sie jetzt schon stehen, dann führt er Sie schmählich zur untersten Hölle, und die Kirche wird, solange sie auf Erden besteht, Ihren Verrat nicht vergessen."
Dennoch konnte die von Metropolit Antonij geleitete Hierarchie damals nicht mehr tun, als auf diese Weise die Verlogenheit des von Metropolit Sergij und seinen Anhängern eingeschlagenen Weges bloßzustellen, und der ganzen Welt anhand von Zeugenberichten die Wahrheit über die Glaubensverfolgung in Rußland zu eröffnen. Es gab dort bereits keine Bischöfe mehr in Freiheit, die von der atheistischen Regierung unabhängig waren. Die Deklaration von Metropolit Sergij stellte den Beginn für die Trennung zwischen dem Moskauer Patriarchat und den Teilen der Russisch-Orthodoxen Kirche, die ihre innere Freiheit bewahrt hatten und sowohl in Rußland als auch außerhalb seiner Grenzen lebten, dar. Dadurch, daß das Moskauer Patriarchat diesen Weg eingeschlagen hatte, geriet es in völlige Abhängigkeit von der gottlosen Sowjetmacht.
Ihre Hierarchen wurden zu gefügigen Werkzeugen der Unterdrücker der Kirche. Davon zeugt beredt der Vortrag des früheren Vorsitzenden des Rates für Religionsangelegenheiten Furov. Er bemerkt u.a., daß der Rat eine systematische "Erziehungsarbeit" an den Mitgliedern der Synode durchführe, wodurch er den "notwendigen Einfluß" auf den ganzen Episkopat ausübt. Weiterhin nimmt Furov in seinem Vortrag eine Bewertung der einzelnen Mitglieder des Episkopates in bezug auf den Grad ihrer Zuverlässigkeit vom kommunistischen Standpunkt aus vor. Auf den ersten Platz stellt er Patriarch Pimen und auf den zweiten - den jüngst zum Patriarchen erkorenen Metropoliten Aleksij.
Ihn rechnet Furov in seinem Vortrag der Gruppe der Hierarchen zu, "die sowohl in Worten als auch in Taten nicht nur ihre Loyalität, sondern sogar patriotische Gesinnung gegenüber der sozialistischen Gesellschaft bekundeten, die Gesetze über die Kulte streng beachten und die Geistlichen sowie die Gemeindeglieder in eben diesem Geiste unterweisen, die real erkennen, daß unser Staat an der Hebung der Rolle der Religion und der Kirche in der Gesellschaft nicht interessiert ist und aus diesem Verständnis heraus keine besondere Aktivität zur Ausweitung des Einflusses der Orthodoxie auf die Bevölkerung entwickeln."
Solch ein Mensch kann, was immer er auch unter den veränderten Umständen schreiben mag, niemals das Vertrauen der Gläubigen verdienen. Und wenn er uns nun mit dem Namen "Schismatiker" abstempeln will, wenn er versucht, uns die Verletzung eines angeblich bei der Bischofsweihe geleisteten Treueides auf die Moskauer Hierarchie anzulasten, dann müssen wir ihm zu allererst ins Gedächtnis rufen, daß es in unserer Mitte keinen einzigen Bischof gibt, der dem jetzigen Moskauer Patriarchat jemals solch einen Treueschwur geleistet hätte. Und was das "Schisma" anbelangt, so möge man wissen, daß dieses nicht von der Auslandskirche geschaffen wurde, sondern durch die berüchtigte Deklaration des Metropoliten Sergij, an die sich auch jetzt noch die an der Spitze des Moskauer Patriarchats Stehenden halten, und die von ihrem neu erwählten Oberhaupt verteidigt wird.
Und als zur Unterwerfung der Kirche unter die Atheisten auch noch - um der sowjetischen Politik willen - der Verrat an der orthodoxen Lehre über die Einheit der Kirche und ihre Verwicklung in den Weltrat der Kirchen kam, vertiefte sich unsere Trennung noch weiter. Es zeigte sich, daß das Moskauer Patriarchat in eine für die Geschichte der Kirche neue Häresie hineingezogen wurde, welche die Lehre des Glaubensbekenntnisses, der heiligen Apostel und der Ökumenischen Konzilien darüber, daß auf Erden nur eine einzige wahre Kirche (Eph. 4,5) vom Erlöser gegründet worden war, verwirft. Außerhalb ihrer gibt es verschiedenartige Häresien und etliche Religionen. Mit ihnen veranstalten die Vertreter des Moskauer Patriarchats nun - den Kanones zuwider - gemeinsame Gebetsgottesdienste, die als "ökumenisch" bezeichnet werden.
Uns scheidet auch die Frage über die Neomärtyrer, deren Leidensopfer und sogar die Tatsache deren Verfolgung vom Moskauer Patriarchat viele Jahre hindurch ganz geleugnet wurde.
Wenn der neu erwählte Patriarch tatsächlich die Vereinigung mit uns wünscht, dann soll er sich doch von den 1927 von Metropolit Sergij eingeführten Prinzipien lossagen, dann soll er zeigen, daß er sich jetzt tatsächlich von den Weisungen der Bevollmächtigten der bürgerlichen Macht frei macht, daß er Sorge trägt um die orthodoxe Erleuchtung des Volkes im Geist der patristischen Lehre, um die Einheit der Kirche und um den Kampf gegen die in Rußland immer mehr überhandnehmende Propaganda der Sittenlosigkeit. Aber insofern es ihm schwer fällt wegen seiner früheren Zusammenarbeit mit der Sowjetmacht das Zutrauen des Volkes zu gewinnen, täte er gut daran, die Kühnheit und Entschlossenheit aufzubringen, um zuzugeben, daß er zu sehr kompromittiert ist, um das allgemeine Vertrauen der gläubigen Kinder der Kirche zu genießen.
Entgegen den demagogischen Äußerungen des neuen Oberhauptes des Moskauer Patriarchats strebten wir, die Hierarchen der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland, niemals danach, eigene Gemeinden auf dem Territorium Rußlands zu gründen. Dennoch können wir nicht den Seufzer des gläubigen Volkes ungehört lassen, das sich mit der Bitte an uns wendet, es in die gesetzliche kirchliche Gemeinschaft aufzunehmen, gemäß den Worten des Erlösers: "Wo unter euch gibt es einen Vater, der seinem Kinde, das ihn um Brot anfleht, einen Stein geben würde? Oder wenn es ihn um einen Fisch bittet, ihm dann statt des Fisches eine Schlange reichen würde?" (Lk. 11,11). Eben auf diese Weise wird die Spaltung, die 1927 von Metropolit Sergij geschaffen wurde, wirksam überwunden.
Angesichts der anhaltenden sklavischen Unterordnung des Moskauer Patriarchats unter die atheistische Macht, der Verletzung der kanonischen und dogmatischen Grundlagen der Orthodoxen Kirche, der Nichtbereitschaft, sich der Wahrheit zu unterwerfen und der Hoffnung und Sehnsucht der Gläubigen der Russischen Kirche Genüge zu tun, sehen wir uns nicht in der Lage, die Ernennung des neuen Oberhauptes des Moskauer Patriarchats als eine konziliare Willensäußerung der Russischen Kirche anzuerkennen. Er und die Hierarchen, die ihn gehorsam "wählten", haben sich daran gewöhnt, sich nicht so sehr um die Verbreitung und Stärkung des Glaubens zu sorgen als um ihren Gehorsam den Bevollmächtigten der atheistischen Staatsmacht gegenüber.
In Erkenntnis unserer eigenen Schwäche rufen wir alle, denen das Schicksal unserer Kirche am Herzen liegt, dazu auf, sich von aller Sünde, Lüge und Boshaftigkeit zu reinigen, damit wir in Taten, und nicht nur in Worten "in einem neuen Leben" wandeln können, wobei wir bedenken müssen, daß das Werk Gottes nicht mit unwürdigen Mitteln in Angriff genommen werden kann. Dabei möge uns der Herr durch die Gebete der heiligen Neomärtyrer und aller Heiligen des Russischen Landes helfen. Amen.
Metropolit Vitalij
Erzbischof Antnonij (L.A.)
Erzbischof Antonij (S.F.)
Bischof Mark
Bischof Varnava
Bischof Ilarion
Bischof Daniil
Bote 1990-4
Aus dem Leben der Diözese
Lienz
Am 1. Juni (n.Stil) fand in Lienz in Österreich ein Totengottesdienst anläßlich des 40. Jahrestages der Auslieferung der Kosaken in die Hände der sowjetischen Henker durch die Engländer statt. An diesem nahmen Gläubige aus Österreich und aus Deutschland teil, ja es kamen sogar Gläubige aus Australien und England. Die Göttliche Liturgie auf dem Friedhof selbst wurde von den Erzpriestern Michail Protopopov aus Australien und Georgij Sidorenko aus Österreich zelebriert. Die Panichida vollzog Bischof Mark. Es sang der Kirchenchor aus Salzburg. Bei der Panichida war auch Nikolaj Tolstoj, der Verfasser des umfassendsten Werkes über die Auslieferung anwesend, der aus England herbeigereist war.
Reise von Bischof Mark nach Rußland vom 18. bis 24. Juni 1990
Wie wir in der letzten Nummer des "Boten" mitteilten, nahm der Bischofsynod der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland während der Großen Fastenzeit dieses Jahres die Kaiser-Konstantin-Gemeinde der Stadt Suzdal unter sein Omophorion.
Der Vorsteher dieser Gemeinde, Archimandrit Valentin (Rusancev) hatte Metropolit Vitalij eingeladen, an den Feierlichkeiten des Millenniums der Taufe der Region Suzdal, die auf den Gedenktag (8./21. Juni) des ersten Bischofs von Suzdal, des hl. Feodor, anberaumt waren, teilzunehmen. Seine Eminenz Metropolit Vitalij, der Ersthierarch der Russischen Auslandskirche legte diese Frage dem Bischofskonzil vor, das im Mai d.J. in Kanada tagte. Das Bischofskonzil beauftragte den hochgeweihten Bischof Mark von Berlin und Deutschland, sich um ein Visum zu bemühen, um zu diesen Feierlichkeiten nach Rußland zu fahren und dort gleichzeitig Gespräche mit anderen Priestern zu führen, die schon lange um die Aufnahme in die Gemeinschaft der Russischen Auslandskirche gebeten hatten. Da er durch anderweitige, lang zuvor eingegangene Verpflichtungen gebunden war, konnte sich Bischof Mark für die Reise nach Rußland nur ein Visum für eine Woche besorgen .
Vladyka Mark traf am 5./18. Juni in Moskau ein. Die ersten zwei Tage verbrachte er in der Hauptstadt, wo er mit verschiedenen Priestern und Laien Gespräche führte. Besonders wichtig waren für ihn die Begegnungen mit einer Reihe von Priestern aus Sibirien, die eigens nach Moskau gekommen waren, um mit Bischof Mark bekannt zu werden. Es sind dies Priester, die für die Reinheit des Glauben gelitten haben. Sie setzten sich besonders dafür ein, daß sowohl Kinder als auch Erwachsene nach dem vollständigen Taufritus getauft werden, wie er vom "Trebnik" (Ritualbuch) festgelegt ist und von der Russischen Orthodoxen Kirche als allgemein verbindlich angesehen wird. Dortige Hierarchen legten diesen Priestern dabei Hindernisse in den Weg. Einem der Priester gelang es trotzdem, ein Taufbecken zur Taufe von Erwachsenen durch vollständiges Untertauchen einzurichten, wie es von der Orthodoxen Kirche vorgeschrieben wird. Sie verteidigten ihr Recht auf eine ordnungsgemäße Durchführung der Taufe gegen die Meinung der Hierarchen. Dabei stand sogar der Bevollmächtigte für Religionsangelegenheiten auf ihrer Seite und forderte die Einhaltung der Satzungen und Regeln der Kirche. In der Folge wurden diese Priester jedoch erneut Verfolgungen unterworfen, einige von ihnen wurden in neue Gemeinden versetzt, die nur ihretwegen an Orten eröffnet wurden, an denen es praktisch gar keine Gläubigen gab. Sie versammelten dennoch eine kleine Herde um sich und widmeten sich weiterhin ihrer seelsorgerischen Tätigkeit. Andere wurden vollständig aus dem Dienst entfernt und konnten nur auf Einladung der Gläubigen kirchliche Amtshandlungen vornehmen. Um an der Reinheit des Glaubens festhalten zu können, sahen sich diese Priester schließlich gezwungen, sich der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland anzuschließen. Vladyka Mark hatte die Möglichkeit, sich eingehend mit diesen vortrefflichen Priestern zu unterhalten und sich von der Reinheit ihres Glaubens und ihrer Gesinnung zu überzeugen.
Indem wir sie in den Schoß der Freien Russischen Orthodoxen Kirche aufnehmen, wahren wir die Tradition unserer Kirche und reinigen sie von allem Sergianertum und Ökumenismus. Wie es in dem diesjährigen Sendschreiben des Bischofskonzils heißt, bringen wir keineswegs eine Spaltung in die Russischen Kirche, sondern umgekehrt unterstreichen wir, daß das Schisma vom Moskauer Patriarchat - durch die Annahme des Sergianertums - geschaffen wurde. Priester des Moskauer Patriarchats werden nur nach einem Reueakt aufgenommen, denn wenn sie auch nicht selber aktiv in das Sergianertum und den Ökumenismus verwickelt waren, tragen sie dennoch Verantwortung, besonders in den Fällen, in denen sie versäumten, ihre Stimme gegen die Äus-serungen und Schritte ihrer sowjetischen Hierarchen zu erheben.
Am 20. Juni fuhr Bischof Mark nach Suzdal'. Unterwegs besuchte er die historische Stadt Vladimir und hatte die Möglichkeit, einige ihrer bemerkenswerten Kirchen zu besichtigen.
In Suzdal' wurden Bischof Mark und unser örtlicher Hierarch, S.E. Lazar, Bischof von Tambov und Mor‚ansk, mit großem Jubel von den Priestern und Gläubigen der Kaiser-Konstantin-Gemeinde empfangen. Als Bischof Mark zum Gottesdienst kam, empfingen ihn Kinder und Erwachsene mit Blumen und hießen ihn in rührender Weise auf russischem Boden willkommen.
Die Vigil wurde von den Bischöfen Mark und Lazar unter Konzelebration von 12 Priestern gefeiert. Die Kirche war voll von Gläubigen, die sich anläßlich des Festes dort versammelt hatten. Vladyka Mark salbte das Volk. Einige Gläubige waren auch aus anderen Städten angereist. Gegen Ende der Vigil traf aus New-York S.E. Bischof Ilarion von Manhattan ein. Die vierstündige Vigil sang der Chor in der für die Region Suzdal' charakteristischen Weise. Während des Abendessens im Hause von Archimandrit Valentin hatten die Bischöfe die Möglichkeit, sich mit örtlichen und mit angereisten Priestern zu unterhalten.
Am Anfang der Göttlichen Liturgie wurde Bischof Mark am Eingang der Kirche von dem Vorsteher, Archimandrit Valentin, mit folgenden Worten empfangen: "Wir heißen Sie willkommen in unserer gottbefohlenen, fast wie ein Museum märchenhaften Stadt Suzdal', die vom Hauch der Chroniken umwoben ist. Diese heilige Erde, dieses heilige Rußland, seine heiligen Menschen begrüßen Sie, und in Ihrer Person begrüßen sie auch den ganzen Heiligen Synod der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland mit seinem Vorsitzenden, dem höchstgeweihten Metropoliten Vitalij. Wir bitten Sie, lieber Vladyka, diese heilige Erde zu segnen, damit wir alle zusammen nach Kräften unsere Gebete zu Gott emporsenden, daß Er uns die Gesundheit des Körpers und das Heil der Seelen schenken möge..."
Obwohl das Fest auf einen Arbeitstag fiel, war die Kirche auch zur Göttlichen Liturgie ganz voll. Es zelebrierten drei Bischöfe und zusammen mit ihnen 8 Priester. Auf die Liturgie folgte eine dreimalige Prozession um die Kirche. Nach dem Gottesdienst wurdendie auswärtigen Gäste und ein Teil der Gemeindeglieder zu einem Mittagsmahl in die Winterkirche geladen. Die Bischöfe Mark und Lazar begrüßten die Anwesenden, wobei sie auf die historische Bedeutung dieses Tages hinwiesen, an dem freie russische Hierarchen zum ersten Mal nach 70 Jahren auf russischem Boden zelebrierten. Kurze Ansprachen wurden auch von Priester Gleb Jakunin und der Schriftstellerin Zoja Aleksandrovna Krachmal'nikova gehalten.
Nur für diesen Tag wurde durch amtliche Verfügung eine Kirche, die als Museum dient, zu einem Gottesdienst des Moskauer Patriarchats geöffnet. Aus der Stadt Vladimir brachte ein Autobus Geistliche und einen Seminaristenchor. Aber dem örtlichen Bischof des Moskauer Patriarchats wurde vom Patriarchat selber nicht gestattet, zu zelebrieren. Wie darüber die sowjetische "Neue Suzdaler Zeitung" schreibt, "waren bei diesem Gottesdienst keine Suzdaler anwesend, sondern Gläubige aus anderen Städten, Mitarbeiter des Museums und 'Kulturschutzgebietes' (das Denkmal fällt unter seine Zuständigkeit) und Touristen."
Nach Moskau zurückgekehrt, besuchte Vladyka eine Gruppe junger Leute, die ein durch die Russische Auslandskirche eingerichtetes Fernstudium absolvieren möchten. Am Abend desselben Tages traf er erneut mit Bischof Lazar und einer Gruppe sibirischer Geistlicher zusammen.
Während der kurzen Zeit seines Aufenthaltes in Rußland sah Vladyka die schrecklichen Folgen der 70-jährigen Verfolgung der Kirche, die nicht nur im äußeren Bild der zerstörten oder halb-zerstörten Städte und Kirchen, sondern besonders auch in den Seelen der Menschen in Erscheinung tritt. Gleichzeitig gab es auch viele erfreuliche und hoffnungsversprechende Eindrücke.
Die wundertätige Ikone "Von-der-Wurzel" von Kursk in unserer Diözese
Als Bischof Mark am 6./19. Mai von dem Bischofskonzil aus Kanada zurückkehrte, brachte er die die wundertätige Ikone "Von-der-Wurzel" von Kursk - die Hodigitria (Wegweiserin) der Auslandskirche - mit nach Deutschland.
Beim Umsteigen auf dem Frankfurter Flughafen wurde die Ikone vom Vorsteher der dortigen Gemeinde, Erzpriester Dimitrij Ignatjev, und Vertretern der Gemeinde empfangen, die schon dort die Möglichkeit hatten, das Heiligtum zu verehren.
Auf dem Münchner Flughafen empfingen unsere Geistlichen in vollem Ornat die Ikone direkt am Flugzeug und brachten sie unter Polizeigeleit in einen besonderen Raum auf dem Flugplatz, wo sich schon viele Gläubige eingefunden hatten. Dort wurde das erste Moleben (Bittgebet) zelebriert. Am Abend kam die Ikone zur Vigil in die Kirche des Hl. Nikolaus, wo die Vigil wie auch die Liturgie am folgenden Tag sehr feierlich verliefen, und eine besondere Gnade spürbar war. Am Sonntag abend besuchte die Ikone die Kirche des Hl. Erzengels Michael in Ludwigsfeld. Vladyka Mark zelebrierte den Akathistos und berichtete dann den dort versammelten Gläubigen kurz über die Arbeit des Bischofskonzils und die neuen Ereignisse im Leben unserer Kirche in Rußland.
In den folgenden Tagen und Wochen besuchte die wundertätige Ikone unsere Kirchen in Erlangen, Bad Kissingen, Regensburg und Ingolstadt. Zu Pfingsten war sie wieder in der Kathedrale in München, und am Pfingstmontag auf dem Rotenberg und in Stuttgart. Weiterhin fuhr sie nach Wiesbaden, Köln, Mannheim, Saarbrücken, Baden-Baden, Darmstadt und Frankfurt. Sie war bei dem Patrozinium in Bad Homburg zugegen, von wo aus sie dann weiter nach Kassel, Hannover, Hamburg, Berlin und Kopenhagen gebracht wurde. Schließlich reiste sie nach England ab.
Überall strömten viele Gläubige zu ihrem Empfang herbei. Man fühlte sich in ihrer Gegenwart innerlich erhoben. Die Geistlichen, die die Ikone begleiteten, besuchten mit ihr auch die Häuser von Gläubigen. Ende Juli kehrte die Ikone nach New-York zurück. Wir hoffen, daß wir in einem oder in eineinhalb Jahren wieder des Besuches der Wundertätigen Ikone gewürdigt werden, aber dieses Mal für einen längeren Zeit-raum.
Jerusalem
Vom 26. Juni bis 5. Juli (n.Stil) weilte Bischof Mark in Jerusalem. Er wurde von dem Bischofsynod zusammen mit Erzbischof Antonij von Los Angeles mit dem Auftrag, eine Revision unserer Geistlichen Mission und Klöster durchzuführen, dorthin gesandt. Die ehrwürdigen Bischöfe, die während dieser Zeit viele Gespräche mit Geistlichen, Nonnen und Mönchen führten, informierten sich gründlich über das Leben und die Probleme unserer Klöster im Heiligen Land.
Sie wohnten im Christi-Himmelfahrt-Kloster auf dem Ölberg und besuchten die Klöster in Gethsemane, der Abrahams- Eiche zu Mambre bei Hebron, die Schule in Bethanien und den Garten in Jericho. Im Ölberg- und im Gethsemane-Kloster beeindruckte sie besonders der harmonische Gesang unser Nonnen und der eifrige Dienst der teilweise schon hochbetagten Geistlichen. Tief beeindruckend war auch die nächtliche Liturgie am Grab des Herrn und die Anbetung des Heiligen Golgotha.
Am Sonntag, dem 1. Juli zelebrierte Erzbischof Antonij im Ölberg-Kloster, und Bischof Mark im Gethsemane-Kloster. Beide Bischöfehileten nach der Liturgie Bekehrungen für alle Insassen beider Klöster und führten geistliche Gespräche mit ihnen.
Am Montag, dem 2. Juli wurden sie von Patriarch Diodoros empfangen. Nachdem sie ihm die Grüße des Ersthierarchen unserer Kirche überbracht hatten, drückten sie ihm ihr und unserer gesamten Kirche Mitgefühl für die schwere Lage der Jerusalemer Kirche aus, die an den Ereignissen des Großen Donnerstags klar ersichtlich ist. Unsere Hierarchen sagten ihm, daß unsere russische Kirche nun schon über 70 Jahre lang unter den gottlosen Verfolgern der Kirche leidet, und daß wir deshalb aufmerksam derartige Ereignisse verfolgen und voller Mitgefühl für den Episkopat und die Gläubigen der Jerusalemer Kirche sind. Der Patriarch hörte die Worte unserer Bischöfe mit sichtlicher Genugtuung und bat seinerseits, dem Ersthierarchen unserer Kirche, Metropolit Vitalij, seine Grüße und allen Gläubigen der Russischen Auslandskirche seinen Segen zu übermitteln.
Die beengte Lage der Christen im Heiligen Land macht sich in vielen Aspekten des täglichen Lebens bemerkbar. Unsere Mönche in Hebron sahen sich z.B. gezwungen, das ganze riesige Klostergrundstück mit einer an manchen Stellen bis zu 4 m hohen Mauer zu umgeben, um die ständige Verringerung unseres Grundstücks durch Übergriffe von Nachbarn zu verhindern und auch um sich vor Raub zu schützen. In das Territorium des Ölberg-Klosters dringen häufig arabische Jugendliche ein, und die sie verfolgende israelische Polizei scheut sich nicht, Handgranaten mit Tränengas zu werfen. Dieses Gas füllt bisweilen die Kirche während der Gottesdienste, so daß die Nonnen gezwungen sind, sich zu entfernen. Die Schule in Bethanien wurde wie alle arabischen Schulen erst im Januar d.J. wieder geöffnet, aber bis zum Ende des Schuljahres müssen die Schülerinnen Prüfungen über den Lehrstoff des gesamten Schuljahres ablegen. Natürlich kommen dabei solche Fächer wie Religion und Russische Sprache zu kurz. Wegen der gegenwärtigen Lage im Land besuchen diese Schule im Augenblick nur etwa 20 orthodoxe Mädchen, alle übrigen sind Mohammedanerinnen. Bei allen spürt man die angespannte Lage - es existiert keine Familie, in der es nicht Tote, Verhaftete, Verletzte oder spurlos Verschwundene gäbe.
Das Heilige Land berührt immer tief das Herz jedes Gläubigen, deshalb finden auch jetzt, ungeachtet der verwickelten Umstände, immer wieder Pilgerfahrten statt. In diesem Sommer besucht der hochgeweihte Erzbischof Lavr mit einer großen Gruppe von Gläubigen aus Amerika die heiligen Stätten. Obwohl die Pilger stets etwas Unruhe in unsere Klöster bringen, bedeutet ihre Anwesenheit doch eine moralische Stütze für die Nonnen und Mönche unserer Klöster im Heiligen Land.
Bote 1990-4
Nachrichten aus Jerusalem
In der weltlichen und religiösen Presse wurde mit seltener Einmütigkeit mitgeteilt, daß es am Großen Donnerstag der Karwoche einen internationalen Skandal in Jerusalem gab.
Gerade in diesen heiligen Tagen besetzte eine Gruppe radikaler orthodoxer Juden von etwa 150 Personen, von einem militärischen Konvoi begleitet, unerwartet mit Gesang und Händeklatschen das ehemalige Gästehaus des hl. Johannes, das sich in einer Entfernung von nur wenigen Schritten von dem Hauptheiligtum der ganzen christlichen Welt, nämlich der Auferstehungskirche des Herrn, befindet.
Das Gästehaus gehört dem Jerusalemer Patriarchat, und es war viele Jahre lang an den Armenier Madroz Matosjan vermietet. Dieses Gebäude beherbergt derzeit 72 kleinere Wohnungen, die der Armenier seinerseits weitervermietete. Die Ansiedelung orthodoxer Juden in unmittelbarer Nähe der Kirche der Auferstehung des Herrn, gerade in diesem Teil Jerusalems, in dem nur Christen und moslemische Araber wohnen, mußte einen sofortigen und stürmischen Protest hervorrufen. Über dem Eingang in den Wohnungskomplex war ein Kreuz und das Patriarchatswappen in Stein gemeißelt. Die in das Gebäude eingedrungenen Juden verhängten es mit einem Tuch, das Gebäude benannten sie "König-David-Palast", und sie hängten sogar ihren sechszackigen Stern auf. Ungeachtet der Heiligen Woche versammelte sich vor dem von den "Seminaristen" und ihren Familien besetzten Gebäude eine große Menge von Christen und Moslems, die lauthals gegen die unerwartete Besitzergreifung protestierten. Ein Mönch kletterte auf die Schultern einiger Männer aus der Menge und riß das Tuch mit dem Stern, der das Kreuz verdeckte, ab. In der Menge befanden sich sogar Patriarch Diodoros selber und der Sekretär des Synods, Bischof Timotheos, Mönche der Bruderschaft des Heiligen Grabes, Moslems und Kleriker verschiedener christlicher Bekenntnisse, die diesen Protest der orthodoxen Griechen unterstützten.
Die zum Schutz der übersiedelnden Juden abgeordneten Soldaten versuchten mit Gewalt die Protestierenden auseinanderzujagen, und da ihnen dies nicht gelang, wandten sie schließlich Tränengas an. Eine dieser Bomben platzte zu den Füßen von Bischof Timotheos, und er fiel bewußtlos zu Boden. Der Patriarch stützte zu seiner Hilfe herbei, wurde aber dabei zu Boden geworfen und erlitt Verletzungen. Jemand riß ihm die Panagia von der Brust und zertrampelte sie. Man mußte Bischof Timotheos in die griechische Klinik einliefern, wo er einige Tage verbrachte.
Die israelische Regierung behauptete, in diesen Skandal nicht verwickelt zu sein, mußte aber dann zugeben, daß sie fast 7 Millionen Dollar für den Zweck der Einquartierung der jüdischen Fanatiker in das christliche Gebäude ausgeben hatte. Natürlich braucht man sich bei solch einem Energie- und Geldaufwand keine besonderen Illusaionen über die endgültige Aussperrlung der "Mieter" aus dem Haus zu machen, obwohl der Oberste Gerichtshof beschlossen hat, daß sie das Gebäude räumen müssen. Der Armenier, der für dieses schmutzige Geschäft eine ungeheuere Geldsumme erhalten hatte, wurde aus seiner Kirche ausgestoßen und tauchte spurlos unter.
Bote 1990-4
Aus der Geschichte unserer Diözese
Hamburg** Dieser Text entstammt dem Buch des Erzpriesters Mal'cev,
Russische Kirchen im Ausland 1905
Die Kirche des hl. Nikolaus des Wundertäters in der freien Hansestadt Hamburg sieht von außen nicht wie eine Kirche aus, denn sie befindet sich im obersten Stockwerk des "Bruderschaftshauses". Dieser Steinbau wurde von der Berliner Fürst-Vladimir-Bruderschaft am 22. März 1902 um 30.000 Mark mit Löschung einer darauf lastenden Hypothek von weiteren 1.352 Mark erworben. Die unvermeidliche Aufstockung der Rück- und Seitenmauern des Gebäudes und verschiedene Vorrichtungen für die Kirche mit Anstrich des gesamten Hauses beliefen sich auf weitere 8.000 Mark, so daß die ganze Anlage etwa 40.000 Mark kostete.
In seinem Bericht über diesen Erwerb an den kaiserlich-russischen Botschafter in Berlin, Graf N.D. von Osten-Sacken schrieb Erzpriester Maltzev: "Im Laufe meines über 15-jährigen Wirkens in Berlin mußte ich jedes Jahr mehrere Male zur Ausführung geistlicher Amtshandungen und von Zeit zu Zeit zur Zelebration des allgemeinen Gottesdienstes (Liturgie) nach Hamburg fahren, wofür mir freundlicherweise ein privater Raum in der Wohnung der Angehörigen des Außenministeriums oder ein Raum in der Kanzlei des Generalkonsulats oder der Kaiserlich-Russischen Gesandtschaft zur Verfügung gestellt wurde. Diese häufigen Besuche mit der unbequemen Situation der Abhängigkeit von der Benutzung privater oder öffentlicher Räumlichkeiten überzeugten mich, daß es unbedingt notwendig war, früher oder später in Hamburg eine eigene, wenn auch nicht sehr große Kirche im Namen des hl. Nikolaus des Wundertäters zu bauen, denn diese Stadt zählte (ohne Altona) über 704.699 Einwohner und beherbergte eine Kaiserlich-Russische Gesandtschaft oder ein Generalkonsulat, sowie eine kleinere russische Gemeinde; darüberhinaus gab es dort etwa 150-200 griechische Glaubensbrüder, die in den örtlichen Tabakfabriken arbeiteten, schließlich eine Menge von Personen, die besonders seit der Eröffnung des in die Elbe mündenden Kaiser-Wilhelm-Kanals als russische Matrosen nach Hamburg kamen, und Kaufleute im allgemeinen, die mehrere Büros zum Handelsverkehr mit Sibirien und dem Fernen Osten geingerichtet hatten. Nachdem Metropolit Palladij über diese Notwendigkeit informiert worden war, erteilte Seine Exzellenz den bischöflichen Segen, auf den Namen des bei der Berliner Bruderschaft für diesen edlen Zweck gebildeten Baukomitees ein Baubuch mit Datum 7. September 1898 unter der Nummer 4125 auszustellen. Da man jedoch über keine besonders großen Geldmittel für den Bau einer solchen Kirche verfügte, und da man gleichzeitig die Durchführung dieser Sache nicht auf die lange Bank schieben wollte, wurde beschlossen, sich fürs erste auf die Einrichtung einer kleineren Hauskirche zu beschränken, und dazu eine geeignete Villa oder ein Gebäude, das nach Möglichkeit in der Nähe des Wohnsitzes des Ministerresidenten und Vizekonsuls gelegen sein sollte und auch Raum für deren Kanzleien bieten sollte, zu erwerben, was dann auch bestens durch den Kauf des obengenannten "Bruderschaftshauses" gelang. In seinem oberen Stockwerk wurde die Kirche und ein Zimmer für die Unterkunft des Priesters eingerichtet, das Parterre und der erste Stock wurden dagegen an den Sekretär bei der Russischen Gesandtschaft vermietet, so daß diese Kirche sofort in der Lage war, sich selbst zu unterhalten und keinerlei weitere Mittel zu ihrer Aufrechterhaltung und Sicherung benötigte.
Gegen 1904 wurde nicht nur die letzte Schuld der Hamburger Kirche an die Berliner Bruderschaft durch die Spende des Generaldirektors Ballin der Hamburg-Amerika Schiffahrtslinie beglichen, sondern es konnte sogar ein Sonderfonds der Nikolaus-Kirche Hamburg eingerichtet werden. Darüberhinaus wurde das Nachbarhaus in derselben Straße erworben, das genau die gleiche Fassade, die gleichen Fenster und Gesimse hat, denn die beiden Häuser stellten Teile eines einzigen Gebäudes dar. Dieses Haus wurde von der Witwe Schuman gekauft, die bis zum 1. Oktober 1905 das Wohnrecht in ihm hatte..."
Von besonderem Interesse in dieser Kirche ist die altertümliche, auf Seide gemalte Ikonostasis, die einst für die russische Großfürstin Alexandra Pavlovna nach Stockholm gebracht wurde, anläßlich ihrer geplanten Vermählung mit dem Schwedischen König Gustav IV., der vor dem 13. August 1796 unter dem Namen Graf Gaga in Sankt Petersburg eingetroffen war. Die Verlobung war für den 11. September im Winterpalais vorgesehen. Die tiefe Ergebenheit in den orthodoxen väterlichen Glauben verhinderte jedoch die Verwirklichung dieses Planes, und der Großfürstin war es beschieden, die Gattin des ungarischen Palatins, Herzog Josephs zu werden. Die Ikonostasis aber befand sich bis zuletzt in der russischen Gesandtschaftskirche in Stockholm; nach dem Umzug der russischen Gesandtschaft an einen anderen Ort, wo eine neue Ikonostasis eingebaut werden mußte, wurde sie jedoch überflüssig, und mit Genehmigung des Außenministeriums wurde sie durch die Vermittlung von Graf von Osten-Sacken der neu erbauten "Bruderschaftskirche" in Hamburg zur Verfügung gestellt.
Abgesehen von ihrer direkten und unmittelbaren Bedeutung stellt die Hamburger Kirche ein großes historisches Denkmal für die friedlichen Handelsbeziehungen dar, welche diese Stadt in der Frühzeit der russischen Geschichte mit unseren Hansestädten Novgorod, Pskov und Ladoga unterhielt. Bereits zur Zeit des Großfürsten Jaroslav I. im 11. Jh. hatten die Hamburger in Novgorod ihre eigene Apostel-Pe-trus-Kirche, während die Gothländer dort das Krankenhaus des hl. Olaf besaßen. Es ist auch bekannt, daß jeder deutsche Besucher, der aus Novgorod nach Gothland reisen wollte, einen Silbergroschen zu Ehren der hl. Paraskeva opferte. 1060 besaßen die deutschen Kaufleute, wie aus skandinavischen Erzählungen ersichtlich ist, schon ihre eigene Kirche in Ladoga, so wie die russischen die ihrige in Wisbi hatten, und gegenseitige Handelsabmachungen zwischen den Hamburgern und den Novgorodern entstanden schon in den Jahren 1209-1270.
Da die Hamburger Kirche keinen eigenen Klerus für die regelmäßige Zelebration der Gottesdienste hat, macht sie sich, abgesehen von den vom Berliner Klerus abgehaltenen Gottesdiensten, die Durchreise russischer Geistlicher zunutze, die sich von Hamburg aus zu ihrem Dienst nach Amerika einschiffen, oder die auf Urlaub oder für immer nach Rußland zurückkehren. Sie können unentgeltlich in dem Bruderschaftshaus in Hamburg unterkommen, wo sie mit dem Segen des Erzbischofs Tichon von Amerika und den Aleuten (der spätere hl. Patriarch und Bekenner) auch von Zeit zu Zeit zelebrieren. Die in diesem Hause wohnende russische Familie erweist ihnen gerne ihre Dienste, die sie in in der fremden Stadt und bei Nichtkenntnis der örtlichen Sprache besonders benötigen, z.B. beim Kauf von Dampfer- oder Eisenbahnfahrkarten, bei der Erledigung der Quarantänevorschriften und anderen Formalitäten.
Zur Erhaltung der Kirche in einwandfreiem Zustand, für den Fall von Reparaturen und für die Zelebration der Gottesdienste wurde ein besonderes "Kuratorium im Namen des Hl. und wundertätigen Nikolaus" gegründet, das mit der Zeit einen ständigen kirchlichen Fonds bilden konnte. Die "Russische Gesellschaft in Hamburg" wurde von der Hamburger Regierung bestätigt, und ihre Eröffnung fand am 8. Februar 1894 in Hamburg statt. Hier hatte jeder, der die russische Sprache, Literatur und Musik liebte, die Möglichkeit, sich damit zu befassen. Die Gesellschaft hatte wiederholt Gelegenheit, durch ihren Rat jungen Mitgliedern oder Kaufleuten, die mit den örtlichen Lebensgewohnheiten nicht vertraut waren, mit der Vermittlung eines Arbeitsplatzes in den Kontoren der Hamburger Handelshäuser zu helfen. So gelang es ihr, arbeitssuchende Russen unterzubringen, und sie war stets bereit, die sich mit der Bitte um Hilfe an sie wendenden Russen, soweit sie nur konnte, zu unterstützen.
Die Mitglieder der Gesellschaft pflegten sich freitags zu versammeln, wobei sie häufig musizierten und Rubinstein, Tschaikowskij und Glinka spielten. Sie wurden durch die Teilnahme eines hervorragenden Baritons der Moskauer Schule namens P.N. Sokolov unterstützt, dank dessen Bemühungen aus den Mitgliedern der Gesellschaft ein kleiner Kirchenchor gebildet werden konnte, der bei den Gottesdiensten in der orthodoxen Kirche in Hamburg sang. Die Gesellschaft selber reihte sich in die Zahl der ordentlichen Mitglieder des "Kuratoriums im Namen des hl. wundertätigen Nikolaus" ein.
Es wurde auch eine Bibliothek gegründet. Im Ausland ist es durchaus nicht einfach, passende russische Bücher zu finden, und sie aus Rußland zu bestellen, ist teuer und beschwerlich; deshalb leisteten jene Personen, die den Grundstein für diese Bibliothek legten, eine sehr nützliche Arbeit in der Fremde.
Bote 1990-4
Aus dem Leben der Diözese
Lienz
Am 1. Juni (n.Stil) fand in Lienz in Österreich ein Totengottesdienst anläßlich des 40. Jahrestages der Auslieferung der Kosaken in die Hände der sowjetischen Henker durch die Engländer statt. An diesem nahmen Gläubige aus Österreich und aus Deutschland teil, ja es kamen sogar Gläubige aus Australien und England. Die Göttliche Liturgie auf dem Friedhof selbst wurde von den Erzpriestern Michail Protopopov aus Australien und Georgij Sidorenko aus Österreich zelebriert. Die Panichida vollzog Bischof Mark. Es sang der Kirchenchor aus Salzburg. Bei der Panichida war auch Nikolaj Tolstoj, der Verfasser des umfassendsten Werkes über die Auslieferung anwesend, der aus England herbeigereist war.
Reise von Bischof Mark nach Rußland vom 18. bis 24. Juni 1990
Wie wir in der letzten Nummer des "Boten" mitteilten, nahm der Bischofsynod der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland während der Großen Fastenzeit dieses Jahres die Kaiser-Konstantin-Gemeinde der Stadt Suzdal unter sein Omophorion.
Der Vorsteher dieser Gemeinde, Archimandrit Valentin (Rusancev) hatte Metropolit Vitalij eingeladen, an den Feierlichkeiten des Millenniums der Taufe der Region Suzdal, die auf den Gedenktag (8./21. Juni) des ersten Bischofs von Suzdal, des hl. Feodor, anberaumt waren, teilzunehmen. Seine Eminenz Metropolit Vitalij, der Ersthierarch der Russischen Auslandskirche legte diese Frage dem Bischofskonzil vor, das im Mai d.J. in Kanada tagte. Das Bischofskonzil beauftragte den hochgeweihten Bischof Mark von Berlin und Deutschland, sich um ein Visum zu bemühen, um zu diesen Feierlichkeiten nach Rußland zu fahren und dort gleichzeitig Gespräche mit anderen Priestern zu führen, die schon lange um die Aufnahme in die Gemeinschaft der Russischen Auslandskirche gebeten hatten. Da er durch anderweitige, lang zuvor eingegangene Verpflichtungen gebunden war, konnte sich Bischof Mark für die Reise nach Rußland nur ein Visum für eine Woche besorgen .
Vladyka Mark traf am 5./18. Juni in Moskau ein. Die ersten zwei Tage verbrachte er in der Hauptstadt, wo er mit verschiedenen Priestern und Laien Gespräche führte. Besonders wichtig waren für ihn die Begegnungen mit einer Reihe von Priestern aus Sibirien, die eigens nach Moskau gekommen waren, um mit Bischof Mark bekannt zu werden. Es sind dies Priester, die für die Reinheit des Glauben gelitten haben. Sie setzten sich besonders dafür ein, daß sowohl Kinder als auch Erwachsene nach dem vollständigen Taufritus getauft werden, wie er vom "Trebnik" (Ritualbuch) festgelegt ist und von der Russischen Orthodoxen Kirche als allgemein verbindlich angesehen wird. Dortige Hierarchen legten diesen Priestern dabei Hindernisse in den Weg. Einem der Priester gelang es trotzdem, ein Taufbecken zur Taufe von Erwachsenen durch vollständiges Untertauchen einzurichten, wie es von der Orthodoxen Kirche vorgeschrieben wird. Sie verteidigten ihr Recht auf eine ordnungsgemäße Durchführung der Taufe gegen die Meinung der Hierarchen. Dabei stand sogar der Bevollmächtigte für Religionsangelegenheiten auf ihrer Seite und forderte die Einhaltung der Satzungen und Regeln der Kirche. In der Folge wurden diese Priester jedoch erneut Verfolgungen unterworfen, einige von ihnen wurden in neue Gemeinden versetzt, die nur ihretwegen an Orten eröffnet wurden, an denen es praktisch gar keine Gläubigen gab. Sie versammelten dennoch eine kleine Herde um sich und widmeten sich weiterhin ihrer seelsorgerischen Tätigkeit. Andere wurden vollständig aus dem Dienst entfernt und konnten nur auf Einladung der Gläubigen kirchliche Amtshandlungen vornehmen. Um an der Reinheit des Glaubens festhalten zu können, sahen sich diese Priester schließlich gezwungen, sich der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland anzuschließen. Vladyka Mark hatte die Möglichkeit, sich eingehend mit diesen vortrefflichen Priestern zu unterhalten und sich von der Reinheit ihres Glaubens und ihrer Gesinnung zu überzeugen.
Indem wir sie in den Schoß der Freien Russischen Orthodoxen Kirche aufnehmen, wahren wir die Tradition unserer Kirche und reinigen sie von allem Sergianertum und Ökumenismus. Wie es in dem diesjährigen Sendschreiben des Bischofskonzils heißt, bringen wir keineswegs eine Spaltung in die Russischen Kirche, sondern umgekehrt unterstreichen wir, daß das Schisma vom Moskauer Patriarchat - durch die Annahme des Sergianertums - geschaffen wurde. Priester des Moskauer Patriarchats werden nur nach einem Reueakt aufgenommen, denn wenn sie auch nicht selber aktiv in das Sergianertum und den Ökumenismus verwickelt waren, tragen sie dennoch Verantwortung, besonders in den Fällen, in denen sie versäumten, ihre Stimme gegen die Äus-serungen und Schritte ihrer sowjetischen Hierarchen zu erheben.
Am 20. Juni fuhr Bischof Mark nach Suzdal'. Unterwegs besuchte er die historische Stadt Vladimir und hatte die Möglichkeit, einige ihrer bemerkenswerten Kirchen zu besichtigen.
In Suzdal' wurden Bischof Mark und unser örtlicher Hierarch, S.E. Lazar, Bischof von Tambov und Mor‚ansk, mit großem Jubel von den Priestern und Gläubigen der Kaiser-Konstantin-Gemeinde empfangen. Als Bischof Mark zum Gottesdienst kam, empfingen ihn Kinder und Erwachsene mit Blumen und hießen ihn in rührender Weise auf russischem Boden willkommen.
Die Vigil wurde von den Bischöfen Mark und Lazar unter Konzelebration von 12 Priestern gefeiert. Die Kirche war voll von Gläubigen, die sich anläßlich des Festes dort versammelt hatten. Vladyka Mark salbte das Volk. Einige Gläubige waren auch aus anderen Städten angereist. Gegen Ende der Vigil traf aus New-York S.E. Bischof Ilarion von Manhattan ein. Die vierstündige Vigil sang der Chor in der für die Region Suzdal' charakteristischen Weise. Während des Abendessens im Hause von Archimandrit Valentin hatten die Bischöfe die Möglichkeit, sich mit örtlichen und mit angereisten Priestern zu unterhalten.
Am Anfang der Göttlichen Liturgie wurde Bischof Mark am Eingang der Kirche von dem Vorsteher, Archimandrit Valentin, mit folgenden Worten empfangen: "Wir heißen Sie willkommen in unserer gottbefohlenen, fast wie ein Museum märchenhaften Stadt Suzdal', die vom Hauch der Chroniken umwoben ist. Diese heilige Erde, dieses heilige Rußland, seine heiligen Menschen begrüßen Sie, und in Ihrer Person begrüßen sie auch den ganzen Heiligen Synod der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland mit seinem Vorsitzenden, dem höchstgeweihten Metropoliten Vitalij. Wir bitten Sie, lieber Vladyka, diese heilige Erde zu segnen, damit wir alle zusammen nach Kräften unsere Gebete zu Gott emporsenden, daß Er uns die Gesundheit des Körpers und das Heil der Seelen schenken möge..."
Obwohl das Fest auf einen Arbeitstag fiel, war die Kirche auch zur Göttlichen Liturgie ganz voll. Es zelebrierten drei Bischöfe und zusammen mit ihnen 8 Priester. Auf die Liturgie folgte eine dreimalige Prozession um die Kirche. Nach dem Gottesdienst wurdendie auswärtigen Gäste und ein Teil der Gemeindeglieder zu einem Mittagsmahl in die Winterkirche geladen. Die Bischöfe Mark und Lazar begrüßten die Anwesenden, wobei sie auf die historische Bedeutung dieses Tages hinwiesen, an dem freie russische Hierarchen zum ersten Mal nach 70 Jahren auf russischem Boden zelebrierten. Kurze Ansprachen wurden auch von Priester Gleb Jakunin und der Schriftstellerin Zoja Aleksandrovna Krachmal'nikova gehalten.
Nur für diesen Tag wurde durch amtliche Verfügung eine Kirche, die als Museum dient, zu einem Gottesdienst des Moskauer Patriarchats geöffnet. Aus der Stadt Vladimir brachte ein Autobus Geistliche und einen Seminaristenchor. Aber dem örtlichen Bischof des Moskauer Patriarchats wurde vom Patriarchat selber nicht gestattet, zu zelebrieren. Wie darüber die sowjetische "Neue Suzdaler Zeitung" schreibt, "waren bei diesem Gottesdienst keine Suzdaler anwesend, sondern Gläubige aus anderen Städten, Mitarbeiter des Museums und 'Kulturschutzgebietes' (das Denkmal fällt unter seine Zuständigkeit) und Touristen."
Nach Moskau zurückgekehrt, besuchte Vladyka eine Gruppe junger Leute, die ein durch die Russische Auslandskirche eingerichtetes Fernstudium absolvieren möchten. Am Abend desselben Tages traf er erneut mit Bischof Lazar und einer Gruppe sibirischer Geistlicher zusammen.
Während der kurzen Zeit seines Aufenthaltes in Rußland sah Vladyka die schrecklichen Folgen der 70-jährigen Verfolgung der Kirche, die nicht nur im äußeren Bild der zerstörten oder halb-zerstörten Städte und Kirchen, sondern besonders auch in den Seelen der Menschen in Erscheinung tritt. Gleichzeitig gab es auch viele erfreuliche und hoffnungsversprechende Eindrücke.
Die wundertätige Ikone "Von-der-Wurzel" von Kursk in unserer Diözese
Als Bischof Mark am 6./19. Mai von dem Bischofskonzil aus Kanada zurückkehrte, brachte er die die wundertätige Ikone "Von-der-Wurzel" von Kursk - die Hodigitria (Wegweiserin) der Auslandskirche - mit nach Deutschland.
Beim Umsteigen auf dem Frankfurter Flughafen wurde die Ikone vom Vorsteher der dortigen Gemeinde, Erzpriester Dimitrij Ignatjev, und Vertretern der Gemeinde empfangen, die schon dort die Möglichkeit hatten, das Heiligtum zu verehren.
Auf dem Münchner Flughafen empfingen unsere Geistlichen in vollem Ornat die Ikone direkt am Flugzeug und brachten sie unter Polizeigeleit in einen besonderen Raum auf dem Flugplatz, wo sich schon viele Gläubige eingefunden hatten. Dort wurde das erste Moleben (Bittgebet) zelebriert. Am Abend kam die Ikone zur Vigil in die Kirche des Hl. Nikolaus, wo die Vigil wie auch die Liturgie am folgenden Tag sehr feierlich verliefen, und eine besondere Gnade spürbar war. Am Sonntag abend besuchte die Ikone die Kirche des Hl. Erzengels Michael in Ludwigsfeld. Vladyka Mark zelebrierte den Akathistos und berichtete dann den dort versammelten Gläubigen kurz über die Arbeit des Bischofskonzils und die neuen Ereignisse im Leben unserer Kirche in Rußland.
In den folgenden Tagen und Wochen besuchte die wundertätige Ikone unsere Kirchen in Erlangen, Bad Kissingen, Regensburg und Ingolstadt. Zu Pfingsten war sie wieder in der Kathedrale in München, und am Pfingstmontag auf dem Rotenberg und in Stuttgart. Weiterhin fuhr sie nach Wiesbaden, Köln, Mannheim, Saarbrücken, Baden-Baden, Darmstadt und Frankfurt. Sie war bei dem Patrozinium in Bad Homburg zugegen, von wo aus sie dann weiter nach Kassel, Hannover, Hamburg, Berlin und Kopenhagen gebracht wurde. Schließlich reiste sie nach England ab.
Überall strömten viele Gläubige zu ihrem Empfang herbei. Man fühlte sich in ihrer Gegenwart innerlich erhoben. Die Geistlichen, die die Ikone begleiteten, besuchten mit ihr auch die Häuser von Gläubigen. Ende Juli kehrte die Ikone nach New-York zurück. Wir hoffen, daß wir in einem oder in eineinhalb Jahren wieder des Besuches der Wundertätigen Ikone gewürdigt werden, aber dieses Mal für einen längeren Zeit-raum.
Jerusalem
Vom 26. Juni bis 5. Juli (n.Stil) weilte Bischof Mark in Jerusalem. Er wurde von dem Bischofsynod zusammen mit Erzbischof Antonij von Los Angeles mit dem Auftrag, eine Revision unserer Geistlichen Mission und Klöster durchzuführen, dorthin gesandt. Die ehrwürdigen Bischöfe, die während dieser Zeit viele Gespräche mit Geistlichen, Nonnen und Mönchen führten, informierten sich gründlich über das Leben und die Probleme unserer Klöster im Heiligen Land.
Sie wohnten im Christi-Himmelfahrt-Kloster auf dem Ölberg und besuchten die Klöster in Gethsemane, der Abrahams- Eiche zu Mambre bei Hebron, die Schule in Bethanien und den Garten in Jericho. Im Ölberg- und im Gethsemane-Kloster beeindruckte sie besonders der harmonische Gesang unser Nonnen und der eifrige Dienst der teilweise schon hochbetagten Geistlichen. Tief beeindruckend war auch die nächtliche Liturgie am Grab des Herrn und die Anbetung des Heiligen Golgotha.
Am Sonntag, dem 1. Juli zelebrierte Erzbischof Antonij im Ölberg-Kloster, und Bischof Mark im Gethsemane-Kloster. Beide Bischöfehileten nach der Liturgie Bekehrungen für alle Insassen beider Klöster und führten geistliche Gespräche mit ihnen.
Am Montag, dem 2. Juli wurden sie von Patriarch Diodoros empfangen. Nachdem sie ihm die Grüße des Ersthierarchen unserer Kirche überbracht hatten, drückten sie ihm ihr und unserer gesamten Kirche Mitgefühl für die schwere Lage der Jerusalemer Kirche aus, die an den Ereignissen des Großen Donnerstags klar ersichtlich ist. Unsere Hierarchen sagten ihm, daß unsere russische Kirche nun schon über 70 Jahre lang unter den gottlosen Verfolgern der Kirche leidet, und daß wir deshalb aufmerksam derartige Ereignisse verfolgen und voller Mitgefühl für den Episkopat und die Gläubigen der Jerusalemer Kirche sind. Der Patriarch hörte die Worte unserer Bischöfe mit sichtlicher Genugtuung und bat seinerseits, dem Ersthierarchen unserer Kirche, Metropolit Vitalij, seine Grüße und allen Gläubigen der Russischen Auslandskirche seinen Segen zu übermitteln.
Die beengte Lage der Christen im Heiligen Land macht sich in vielen Aspekten des täglichen Lebens bemerkbar. Unsere Mönche in Hebron sahen sich z.B. gezwungen, das ganze riesige Klostergrundstück mit einer an manchen Stellen bis zu 4 m hohen Mauer zu umgeben, um die ständige Verringerung unseres Grundstücks durch Übergriffe von Nachbarn zu verhindern und auch um sich vor Raub zu schützen. In das Territorium des Ölberg-Klosters dringen häufig arabische Jugendliche ein, und die sie verfolgende israelische Polizei scheut sich nicht, Handgranaten mit Tränengas zu werfen. Dieses Gas füllt bisweilen die Kirche während der Gottesdienste, so daß die Nonnen gezwungen sind, sich zu entfernen. Die Schule in Bethanien wurde wie alle arabischen Schulen erst im Januar d.J. wieder geöffnet, aber bis zum Ende des Schuljahres müssen die Schülerinnen Prüfungen über den Lehrstoff des gesamten Schuljahres ablegen. Natürlich kommen dabei solche Fächer wie Religion und Russische Sprache zu kurz. Wegen der gegenwärtigen Lage im Land besuchen diese Schule im Augenblick nur etwa 20 orthodoxe Mädchen, alle übrigen sind Mohammedanerinnen. Bei allen spürt man die angespannte Lage - es existiert keine Familie, in der es nicht Tote, Verhaftete, Verletzte oder spurlos Verschwundene gäbe.
Das Heilige Land berührt immer tief das Herz jedes Gläubigen, deshalb finden auch jetzt, ungeachtet der verwickelten Umstände, immer wieder Pilgerfahrten statt. In diesem Sommer besucht der hochgeweihte Erzbischof Lavr mit einer großen Gruppe von Gläubigen aus Amerika die heiligen Stätten. Obwohl die Pilger stets etwas Unruhe in unsere Klöster bringen, bedeutet ihre Anwesenheit doch eine moralische Stütze für die Nonnen und Mönche unserer Klöster im Heiligen Land.
Bote 1990-5
“Wovon die Glocke schwieg”
Die Zeitung "Das Rote Banner" berichtet in einem Interview unter dem Titel "Wovon die Glocke schwieg" über die Ereignisse in Ussurijsk vom 24. August d. J. wie folgt:
"Die Glocken der Maria-Schutz-Kirche schwiegen, als der Bischof von Chabarovsk und Vladivostok Gavriil und der Dekan des Primorskij-Gebiets, Abt Amvrosij, vorfuhren. Auch die feierliche Zeremonie des bischöflichen Empfangs mit Blumen sowie Brot mit Salz blieb aus. Mehr noch, die hiesigen Gläubigen ließen sie nicht auf das kirchliche Territorium. Was ist geschehen? Diese und andere Fragen baten wir den Vorsteher der Maria-Schutz-Kirche, Abt Innokentij, zu beantworten.
- Einen Tag zuvor, - erzählte er, - hatten wir eine Gemeindeversammlung. Die Teilnehmer beschlossen einstimmig, die Jurisdiktion des Moskauer Patriarchats, die Diözese von Chabarovsk und das Dekanat Vladivostok zu verlassen und unter das Omophorion des Höchstgeweihten Metropoliten Vitalij zu wechseln, mit anderen Worten - in die Jurisdiktion der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland, deren geistig-administratives Zentrum sich in New-York befindet. Grund dafür war zuallererst das Verhalten des Diözesanbischofs Gavriil.
- Worin bestand dieses?
- Ein konkretes Beispiel. Ohne unser Wissen und Einverständnis legte er der Maria-Schutz-Kirche eine unverhältnismäßige Steuer von 80 Tausend Rubel auf. Und das zu einem Zeitpunkt, wo Restaurierungsarbeiten im Gange sind, und bald bauliche Arbeiten beginnen müssen. Man schämt sich, es laut auszusprechen, doch im nächsten Jahr feiert Ussurijsk sein 125-jähriges Jubiläum, auf dem Dach unserer Kirche aber gähnen immer noch schwarze Löcher.
Außerdem sind wir äußerst unzufrieden damit, daß man uns zwingt kirchliche Literatur und Kultgegenstände zu Wucherpreisen zu verkaufen. Früher, als wir durch die Diözesanleitung von Irkutsk mit Waren versorgt wurden, wurde nur drei Prozent aufgeschlagen. Offenbar fehlen dem Bischof Mittel, und er beschafft sie auf allen Wegen. So ist unser ganzer "Mehrwert" zum Wareneinkauf in der Diözese von Chabarovsk und zur Begleichung der von dort aus auferlegten Steuern dahingegangen. Bekanntlich kommt der Appetit beim Essen. Wo ist die Garantie, daß der Bischof uns, wenn wir in der Jurisdiktion der Diözese von Chabarovsk verbleiben, nicht noch höhere Steuern auferlegt? Wer, wenn nicht er, sollte wissen, daß die Gemeinde so viel Mittel für die Bedürfnisse der Diözese zu überweisen braucht, wie sie selbst für richtig hält. Gavriil kann bei uns bitten, auf keinen Fall aber mit Befehl Nr. 40 fordern: "Ich habe festgesetzt, als Beitrag ..."
Darüber hinaus ist der Bischof manchmal äußerst grob, grausam gegenüber der Geistlichkeit und den Gläubigen, was Verletztheit und Bitterkeit in den Herzen der gläubigen Menschen hervorruft.
- Hat sich die Gemeinde etwa nur wegen der persönlichen Eigenschaften Gavriils zu so einem verzweifelten Schritt entschlossen?
Natürlich nicht. Ein Bischof kann auch gewechselt werden. Wie steht es jedoch mit dem Bruch der Satzungen der Heiligen Kirche? Viele Fakten zeugen vom Fehlen des Konziliarsprinzip unseres früheren Patriarchats.
Im Juni fand das Landeskonzil (Sobor) der Russischen Orthodoxen Kirche statt. Diese Bezeichnung entspricht dem Wort "Sobornost’", d.h. Gemeinschaft, Einheit, nicht aber Willkür. Vor dem Konzil mußten Gemeindeversammlungen stattfinden, dann eine Versammlung des Dekanatsumkreises und schließlich die Diözesanversammlung, um die Vertreter zu wählen. Tatsächlich aber "wählten" sich der Bischof mit dem Dekan auf eigene Faust, und ohne daß der Klerus oder die Laien etwas davon wußten, zu Teilnehmern am Konzil...
- Vater Innokentij, wenn ich Sie richtig verstanden habe, so haben die Gläubigen der Maria-Schutz-Kirche die kanonische Gemeinschaft mit dem Moskauer Patriarchat aufgekündigt als einer Organisation, die sich in den letzten Jahren komprommettiert hat?
- Ja. Aber dies kann in keiner Weise als politischer Akt gewertet werden. Dies sind unsere innerkirchlichen Meinungsverschiedenheiten. Wenn wir die administrative Unterordnung unter das Moskauer Patriarchat aufkündigen, so bleiben wir wie bisher orthodoxe Christen, wir wechseln, wenn man so sagen darf, einfach die Obrigkeit. Und alle unsere Gemeindemitglieder waren und bleiben auch Söhne und Töchter unserer Heimat...
- Bringt Ihnen das irgendwelche Vorteile?
- Ich habe verstanden. Finanzielle Hilfe aus dem Ausland erwarten wir nicht. Wir haben genügend eigene Einkünfte. Was die Versorgung der Kirche mit Waren betrifft, so beabsichtigen wir diese vorerst vor Ort zu produzieren..."
Die Redaktion des "Boten" erhielt einen Brief aus Vladivostok: "In dem Artikel ist beiweitem nicht alles beschrieben". Aber es fragt sich, ob unser kirchlicher "Bote" alles schreiben soll, was in dem Artikel nicht steht, was aber alle vor Ort wissen? Im übrigen ist der ehemalige Vorsteher des Höhlenklosters von Pskov, der unlängst vom Moskauer Patriarchat zum Bischof geweihte Gavriil (Stebljuçenko) allen kirchlichen Menschen Rußlands traurig bekannt durch solche Handlungen, für die jeder andere vor Gericht stehen würde - vor einem geistlichen wie einem weltlichen. Wie sollte man sonst das Verprügeln von Mönchen und Geistlichen einschätzen? Aber in dem funktionierenden System des Moskauer Patriarchats, das mit den entsprechenden Organen eng verflochten ist, stehen solche "Vorsteher" nun einmal "über dem Gesetz". Einen Mann, der die Priesterwürde in den Schmutz zieht, machte man zum Bischof.
Freilich, manche sehen darin lediglich eine "ehrenvolle Verbannung" - die Beseitigung einer komprommettierten Person ins berühmte Sibirien. Aber wie ergeht es dann den Sibiriern - leichter?
Im Rahmen des existierenden Systems des Moskauer Patriarchats mag das vielleicht verständlich erscheinen. Aber solches zu akzeptieren, würde bedeuten, daß man vergessen hat, was Kirche ist und sein muß. Die wahre Vollmacht des Bischofs ist der allerhöchste Dienst, sogar im fernen Sibirien und wo auch immer. Das Wiederkommen dieses Bischofs führte allerdings in diesem Fall dazu, daß die Kirchenwachen dem Vertreter der kirchlichen Obrigkeit mit Stöcken entgegentraten. Soll man empört sein über den Mangel an Geduld, über das Fehlen der Demut?
Ja, gar oft erklingt der Hinweis auf solche kirchenväterliche Tugenden, wenn es dem eigenen Nutzen dienlich ist. Trägt etwa die Synode, die einen so odiösen Mann zum Bischofsamt in Sibirien "verbannt", etwa keine Verantwortung für die Konfliktsituation in der fernen sibirischen Gemeinde, und noch mehr - für die Erniedrigung der Bischofswürde? Es ist Zeit zu verstehen: die Kirche ist ein ganzheitlicher Organismus.
Und was hilft es hier, daß man sich an Ausflüchte und Kompromisse gewöhnt hat? Ganz Rußland spricht längst von dem Ausweg: Umkehr, Buße. In der Kirche aber braucht man die nicht? Die Reue ist eine der Bedingungen zum Übertritt eines Priesters aus dem Moskauer Patriarchat in die freie Russische Kirche. Wir können hier nicht sämtliche Listen der Erklärung vom 18.07.1990 analysieren, die durch die Presseagentur "Novosti" (APN) verbreitet wurde. Nur so viel: der neugewählte Patriarch Alexij behandelt die Aufnahme von Gemeinden in Rußland in die Freie Russische Kirche als Abrücken von irgendeinem "Beschluß, sich nicht in die Angelegenheiten des Moskauer Patriarchats einzumischen" (den es im übrigen nie gab). Des weiteren behauptet er, daß die Auslandskirche irgendein "Ultimatum" mit der Forderung "alle Priester des Patriarchats sollten ein öffentliches Reuebekenntnis ablegen", verkündet habe. Noch dazu sind, nach seinen Worten, solche "Bedingungen" - "schlicht und einfach unethisch".
Doch das ist eine weltliche, unkirchliche Sprache. Ist die Umkehr ethisch? Ist es ethisch Zeugnis für die Wahrheit abzulegen? In der Frage der Umkehr (Buße, Reue) ist nicht einfach von einer Gruppe Menschen die Rede, sondern von der Wahrheit selbst. Und es ist ja nicht die Auslandskirche, die zur "Bedingung" macht, daß man vor ihr "büßt", sondern es ist die kirchliche Wahrheit selbst, die Anerkennung fordert. Diese Wahrheit anerkennen, bedeutet aber, jener "Wahrheit" eine Absage erteilen die bisher behauptet wurde: das heißt bereuen - die Umkehr bekennen.
Auch soll die kirchliche Sicht nicht einer falschen Individualisierung geopfert werden. Es geht nicht nur darum, daß die Zugehörigkeit eines Geistlichen zum Moskauer Patriarchats mehr oder weniger ein - sei es auch unfreiwilliger - Dienst an dessen "Wahrheit" ist, die um der Wahrheit willen in aller Ohr zu verwerfen ist. Sondern es geht auch noch darum, daß die eucharistische Gemeinschaft keinesfalls eine äußerliche, bedeutungslose Handlung ist. Aber über dieses Thema werden wir in Zukunft noch sprechen müssen, hier ist nur zu unterstreichen: die Kirche ist ein einheitlicher Organismus, und nur indem wir in der Umkehr leben, gehen wir den christlichen Weg. Die Umkehr ist nicht etwas, wovon man sich möglichst freireden und schützen sollte, sondern man sollte sie aufnehmen in ihrer ganzen Tiefe als lebendige Verantwortung für das Leben des kirchlichen Organismus. Ja, gewiß, Reue und Umkehr geschehen vor Gott. Aber auch bei jeder persönlichen Beichte in der Kirche ist ein Priester zugegen, der "Zeuge" genannt wird, und über dem Beichtenden heißt es im Gebet: "versöhne und einige ihn mit Deiner Heiligen Kirche". Die Versöhnung und Angliederung an die Heilige Kirche geschieht immer und ausschließlich durch diese Umkehr.
Über einen weiteren Begriff sollte man sich noch verständigen. Das Moskauer Patriarchat mit seinem Sergianertum ist für uns mit dem echten Organismus der Russischen Kirche keinesfalls gleichzusetzen. Die Vermischung dieser beiden Begriffe fügt der Kirche schweren Schaden zu, weil unter der Maske, die "Moskauer Patriarchat" heißt, sich seit Jahrzehnten eine Krake verbirgt, die unsere Russische Mutterkirche würgt und aussaugt.
Mitten in Deutschland fiel die Berliner Mauer, der Stacheldraht verschwand. Aber diesen Stacheldraht fühlte nicht nur das deutsche Volk. Er riß auch das Fleisch unserer deutschen Diözese auf. Die Gemeinden und Kirchen, die sich in der sowjetisch besetzten Zone wiederfanden, wurden an das Moskauer Patriarchat angeschlossen. Auch die Berliner Kathedrale, die sich im Westsektor befand. Es entstand eine Hierarchie des Moskauer Patriarchats auf deutschem Territorium, die ihre Tätigkeit auch auf Westdeutschland ausdehnte. Aber diese Teilung (Schisma?) der deutschen Diözese nach dem Zweiten Weltkrieg war nur eine späte und vergleichsweise wenig bedeutende Folge der Tatsache, daß es der Sowjetmacht im Jahre 1927 gelang, mit Hilfe des Metropoliten Sergij (Stragorodskij) eine Art "Berliner Mauer" mit ihren geläufigen Attributen - Stacheldraht und Schießbefehl - mitten durch die Russische Orthodoxe Kirche zu ziehen. Und wenn man schon das Wort "Schisma" aussprechen will, hierin besteht es. (Und das war nicht ein Schisma zwischen dem im Ausland befindlichen, dem freien Teil der Russischen Kirche und dem Teil der Kirche, die sich in der UdSSR befand; denn viele in der Heimat verwarfen diesen Schritt und fühlten - als erste - die Dornen dieses Stacheldrahts am eigenen Leib. Wir nennen sie Neomärtyrer.) All das weitere sind nur die Folgen dessen.
Stacheldraht und Mauer störten jedoch die Tätigkeit der besagten Krake überhaupt nicht. Das Moskauer Patriarchat verkündete im Westen, es sei das einzige, das für die Russische Kirche sprechen kann. Und noch gestern wurde in ihrem Namen von der vollkommenen Problemlosigkeit der Beziehungen zwischen Kirche und Staat gesprochen, über die vollkommene Freiheit des Glaubens in der UdSSR, die Märtyrer wurden zu politischen Verbrechern gestempelt, wir aber wurden beschuldigt zu übertreiben, zu lügen, zu politisieren... Heute sind es die gleichen Vertreter, die von ihrer Märtyrerin-Kirche sprechen, die sie selbst - nahezu durch das eigene "Martyrium" - "gerettet haben", für die jetzt (natürlich nur durch deren Hände) Finanzhilfe nötig sei. Und so erhielt der Metropolit Pitirim von einer westdeutschen Landesregierung 22,5 Millionen D-Mark für sein Volokolamsk-Kloster. Derselbe Pitirim, der seinerzeit Religionsunterricht für Kinder mit der Begründung zurückwies, dieser bedeute eine Vergewaltigung des kindlichen Gewissens. Derselbe Pitirim, der unsere Kirche in der Broschüre "Mein Glaube ist frei" für die Verherrlichung der Neomärtyrer angriff.
Wir halten es für eine Erniedrigung der Russischen Kirche, wenn solche Menschen als Zeugen für unsere Mutter-Kirche angenommen werden. Wir wissen, wie sie im Ausland gegen uns arbeiteten und wie die klangvolle Bezeichnung "Moskauer Patriarchat" die Bestrebungen der Machthaber bei ihrem Zerstörungswerk gegen die Russische Kirche tarnte, deren Leiden auch unser Schmerz sind.
Möglicherweise ist die Perspektive einer kleinen Gemeinde fernab in Rußland ein wenig anders, verteilen sich die Akzente anders. Aber die Stunde naht, da die ganze Wahrheit ans Licht kommt.
Welche Bedeutung soll denn für uns die Tatsache haben, daß bei den "freien Wahlen" gerade derjenige Mann zum Patriarchen von ganz Rußland wird, den seinerzeit - im Jahre 1974 - Furov, der stellv. Vorsitzende des "Rates für Religionsangelegenheiten" in einem Geheimbericht als den hervorragendsten Kandidaten vorausverkündete? Und daß er von Furov so geschätzt wurde, ist noch nicht das Schlimmste, was man ihm vorwirft.
In Deutschland ist nach dem Fall der Mauer viel Geheimes ans Licht gekommen, was nicht rechtzeitig vernichtet worden war. Und da erwies es sich als wichtig, daß es Menschen gegeben hatte, die sich nicht täuschen ließen, die der widerlichen Krake widerstanden, und zwar grundsätzlich und bis zum Schluß. Die Mauer fiel, und die Wahrheit erwarb Kraft. Die Zusammenarbeit mit dem Stasi erwies sich nicht als Tugend, sondern als Laster. So begann die Reinigung. Eine spezielle Kommission, die die Stasi-Akten studierte, legte fünfzehn ostdeutschen Parlamentariern, die alle Filter des Wahlkampfes passiert hatten und in wirklich freien Wahlen gewählt wurden, den Rücktritt nahe. Wenn eine solche Reinigung in der Politik notwendig ist, um wieviel notwendiger ist sie in der Kirche! Dem Leib Christi ist jeder Makel fremd, und das Licht der kirchlichen Wahrheit nahm ihn nie an. So dürfen wir ihn auch nicht annehmen.
Dieses furchterregende Wort - Schisma! Zu dem Zeitpunkt, da das Konziliaritätsprinzip (SobornostÝ) und das kirchliche Gericht aufleuchtet, wird niemand vom Schisma reden, sondern es wird zu Ende sein. Unmöglich nicht an den Fall dieser unserer "Mauer" zu glauben, an die Aufhebung der Barrieren, die nicht wir errichteten. Unmöglich, nicht dafür zu beten, nicht zum Herrn zu schreien um diese Erlösung von der bitteren Qual. Aber die Mauer wird nicht auf Kommando des "Rates für Religionsangelegenheiten" überwunden, nach Art der letztmaligen Moskauer "Annäherungsversuche" - wenig verwunderlich, daß sie wieder darin endeten, uns des "Schismas" zu beschuldigen und Schwankende einzuschüchtern... Die unsichtbare, geistig sichtbare Mauer steht noch. Man muß der Versuchung scheinbarer Vereinigungen widerstehen.
Es lag nicht in unserer Macht, die Berliner Mauer zu zerstören, auch die Zerstörung der unseren liegt nicht in unserer Macht. Wir nahmen und nehmen keine der beiden an. Deshalb ist für uns die Russische Kirche, zu der wir uns als untrennbaren Teil zählen, nicht dasselbe, wie das "Moskauer Patriarchat". Ebensowenig identifizieren wir mit dem letzteren all die, die, selbst nicht glücklich unter dieser "Leitung", dennoch sich für das Wohl der Russischen Kirche mühen, und den "Fall der Mauer" in irgendeiner Weise erwarten.
Allerdings fiel in Deutschland die Mauer auch nicht von selbst. Nicht nur die Demonstrationen, sondern auch die massenweise Grenzübertretung überwanden sie, und dies zu einer Zeit, da viele in Westdeutschland dieses "Schisma" schon als verewigt ansahen. In kürzester Zeit brach für sie ein Weltbild zusammen. Wir wußten, daß es früher oder später so kommen mußte. Und doch ist es sogar für uns, die es wußten, irgendwie seltsam mit dem Auto durch die ehemalige "Sowjetzone" zu fahren, die wir bisher immer überfliegen mußten, um unsere Berliner Gemeinde zu besuchen. Auch ist es seltsam, daß in den Kirchen, die zu unserer Diözese gehören, Priester des "Moskauer Patriarchats" zu finden sind und uns des "Schismas" beschuldigen.
Vor zwanzig, vor zehn, ja vor einem Jahr, sah ich diese unüberwindliche Mauer, den Stacheldraht, wußte, daß unter Wasser in den Kanälen Stahlgitter mit messerscharfen Spitzen in alle Richtungen vorbereitet sind, für die, die es wagen wollen, hindurchzutau-chen... Ich wußte: auch mir ist der Weg "dorthin" verwehrt. Jetzt gehe ich mit meinem Freund, einem Priester aus Moskau, verwundert zwischen den beiden Zäunen den Kanal entlang spazieren. Die Wachtürme sind leer. Kein Anruf erschallt, kein Schuß.
Was ist es denn anderes als ein solcher Anruf, ist es nicht dasselbe wie ein Schuß, dieses Wort: "Schisma"?
In Moskau öffnete der neugewählte Patriarch die Lippen, und es fiel dieses Wort. Ich aber, ein einfacher Priester, weiß: das ist ein Schuß, der umlegen soll, gleich hier, an dieser unserer, immer derselben Mauer.
Um dieses Wort so auszusprechen - in unserer Zeit und für unsere vielleidende Kirche - , muß das Herz vergessen, daß der Herr auferstanden ist. Die wahre Kirche Christi, die auf Golgotha leidet und in Herrlichkeit aufersteht, will von diesem eurem "Schisma" nichts wissen.
Noch dauert die Nacht, die von unserem Heiligsten Patriarchen, dem Hl. Bekenner Tichon, in der Todesstunde vorausgeschaute und vorausgesagte "lange, lange Nacht". Wie Christus auferstanden ist - das wissen weder die Myrrhenträgerinnen, noch die Jünger, noch die Wachen... Aber wenn man Seine Wunden berührt hat, dann gibt es keinen Zweifel: Er ist auferstanden! Und unsere Kirche, unsere Mutter-Kirche mit Ihm, in Ihm, sie lebt in seiner Auferstehung.
Genau das ist es, wovon die Glocken schweigen am Karsamstag. Das ist es, wovon sie künden an jedem Auferstehungstag.
Priester Nikolaj Artemoff
Bote 1990-5
Noch einmal: Görlitz
Noch einmal: Görlitz
Im "Bote" Nr. 3/90 brachten wir einen Artikel aus dem Buch des Erzpriesters A. Mal'cev "Orthodoxe Kirchen und russische Einrichtungen im Ausland", Petrograd 1906, über die Kirche des Hl. Georg in Görlitz zum Abdruck. In der Folge erhielten wir Zuschriften aus Görlitz, aus denen hervorgeht, daß die von Erzpriester Mal'cev für diesen Beitrag benutzten Vorlagen nicht den wahren Stand der Dinge darstellen. Eine Reihe von historischen Fakten ist falsch wiedergegeben, ebenso stimmen einige geographische Angaben nicht. Da der Artikel jedoch die geschichtliche Entwicklung des Christentums in Schlesien zum Thema hatte, und es in Görlitz keine russische Kirche gibt, führen wir die uns zugesandten Berichtigungen nicht im Detail an. Sie würden für unsere Leser von untergeordneter Bedeutung bleiben. Natürlich tut es uns leid, daß wir durch die Wiedergabe eines Aufsatzes aus einem alten Buch falsche Informationen verbreitet haben, und wir bitten unsere Leser dafür um Nachsicht. Red.
Bote 1990-5
Aus dem Leben der Diözese
Zum Feiertag der Heiligen Kaiserlichen Neomärtyrer zelebrierte Bischof Mark am 16. und 17. Juli neuen Stils die Gottesdienste in der vom Märtyrer-Zaren Nikolaus II. erbauten Kirche der Hl. Maria Magdalena in Darmstadt. Neben Gläubigen aus Darmstadt und der weiteren Umgebung hatten sich auch Angehörige unserer Kirche aus Rußland zu dem Fest eingefunden. Aus Jekaterinburg wurde uns mitgeteilt, daß sich dort an diesem Tag unsere freie Gemeinde am Ort der Ermordung der kaiserlichen Märtyrer versammelt und gebetet hatte. Während der Vigil vollzog die Geistlichkeit angesichts des schönen Wetters die Litia um die Kirche. Das wurde besonders von dem hervorragenden Chor erleichtert, der sich zu diesem Fest in Darmstadt eingefunden hatte.
Am 5./18. Juli beging die Kirche des Hl. Sergij von Radoneœ in Bad Kissingen ihr Patrozinium. Die Vigil am Vorabend sowie die Göttliche Liturgie am Feiertag selbst zelebrierte Bischof Mark mit Priester Josef Wowniuk aus Erlangen. Nach der Liturgie wurde eine Prozession um die Kirche veranstaltet, wie es zum Fest des Kirchenpatrons üblich ist.
Unsere Kirche in Hamburg ist dem Hl. Prokopius, dem Narren in Christo und Wundertäter von Ustjug und Novgorod geweiht, der aus Lübeck stammte. Sein Fest wird zusammen mit dem Fest der Ikone der Allerheiligsten Gottesmutter von Kazan' am 8./21. Juli gefeiert und entfiel in diesem Jahr auf einen Sonnabend. Die Gemeinde wurde zu diesem Fest vom Diözesanbischof besucht, der die Festgottesdienste mit dem Erzpriester Ambrosius Backhaus, den Priestern Benedikt Lohmann aus Hamburg und Seraphim Korff aus Hannover und dem Archidiakon Agapit zelebrierte. Die Kirche in Hamburg wird seit einiger Zeit mit großem finanziellem Aufwand restauriert, wozu auch die Diözese beiträgt. Bereits am Vortag des Festes machte sich Bischof Mark in Gesprächen mit dem Gemeinderat und einzelnen Gemeindegliedern mit dem Leben und den Sorgen der Gemeinde vertraut. Am Festtag berichtete der Bischof bei der festlich gerichteten Tafel nach der Liturgie über seine Reise nach Rußland und ins Heilige Land und über andere Fragen aus dem Leben unserer Kirche.
Von Hamburg aus reiste Bischof Mark zum ersten Mal mit dem Wagen durch Ostdeutschland nach Berlin, das er bisher nur per Flugzeug erreichen konnte. In Berlin zelebrierte er die sonntäglichen Gottesdienste und konnte sich nach der Liturgie am Sonntag einem ausführlichen Gedankenaustausch mit den Gemeindemitgliedern widmen. Da sich unsere Diözese niemals die Auffassung eines geteilten Deutschland zu eigen machte, und das Oberhaupt der Diözese stets den Titel des Bischofs von Berlin und Deutschland beibehielt, kommt unserer Gemeinde in Berlin jetzt wieder eine größere Bedeutung zu, da sie verkehrsmäßig für unsere Geistlichen leichter zugänglich ist, als bisher. Unser Diözesanbischof wird in Zukunft wieder häufiger in Berlin selbst anwesend sein und sich auch um unsere Kirchen in Berlin und dem bisher für uns nicht zugänglichen Teil Deutschlands kümmern.
Zum Fest des Heiligen Wundertäters und Heilers Panteleimon zelebrierte Bischof Mark die Gottesdienste am 26. und 27. Juli/ 8.u.9. August in der diesem Heiligen gewidmeten Gemeinde in Köln. Die Vigil fand in der Kirche des Hl. Großmärtyrers Demetrios statt, die Liturgie am Feuertag selbst aber in der Trinitatiskirche, in der sich unsere Gemeinde gewöhnlich sonntags versammelt. Seit langen Jahren war es das erste Mal, daß die Gemeinde mit dem Bischof an der Spitze dieses Fest an dem Tag selbst feierte. Obwohl es ein Wochentag war, hatte sich eine große Zahl von Gläubigen versammelt. Mit dem Diözesanbischof zelebrierten der Vorsteher der Gemeinde, Vater Boœidar Patrnogic, einer unserer Priester der Freien Russischen Kirche aus Sibirien, der gerade in Deutschland weilte, und Diakon Nikolaus Wiese. In seiner Predigt ging Vladyka auf die Bedeutung des Glaubens an Wunder gerade in unserer technologisierten und entmythologisierten Welt ein und warnte vor einer Überbetonung der menschlichen Kräfte gegenüber der Allmacht Gottes, die auch in Fragen der persönlichen Gesundheit vom zeitgenössischen Menschen allzu leicht vergessen oder durch halbherzigen Glauben in den Hintergrund geschoben wird. Während des geselligen Beisammenseins nach der Liturgie berichtete Bischof Mark der versammelten Gemeinde über das Bischofskonzil im Mai dieses Jahres und über seine Reise nach Rußland. Dabei betonte er, daß unsere Kirche in keiner Weise "Mission" betrieben habe, sondern durch die Ereignisse und das Flehen der gläubigen Menschen dazu geführt wurde, Geistliche und ihre Gemeinden in Rußland in den Freien Teil der Russischen Kirche aufzunehmen, da das Moskauer Patriarchat in solcher Weise durch seine liebedienerische Haltung gegenüber dem atheistischen Regime kompromittiert ist, daß sich viele Gläubige und Geistliche schamvoll von diesem abwenden. In dieser Situation können wir als Teil der Russischen Kirche nicht beiseite stehen und ein Vakuum entstehen lassen, das dann nur von Uniaten oder Sektanten aufgefüllt würde, sondern wir sind es unserer Kirche schuldig, unsere Verantwortung zu tragen. So wie unsere Kirche zunächst in den Jahren nach der Revolution ihre Aufgaben im Süden Rußlands wahrnahm, bevor sie in die Emigration gezwungen wurde, so kehrt sie heute auf ihr historisches Territorium zurück. Somit leisten wir einen aktiven Beitrag zur geistlichen Gesundung des russischen Volkes und seiner Kirche, die durch sieben Jahrzehnte kommunistischen Terrors in äußerste Bedrängnis geraten ist.
Am Abend des 27. Juli/ 9. August machte Bischof Mark auf der Rückreise in Frankfurt Station, um vor der dortigen Gemeinde einen Vortrag zu dem gleichen Thema zu halten.
Am 2. und 3. August n.St. besuchte Bischof Mark das Pfadfinderlager, das wieder wie in den vergangenen Jahren im Bayerischen Wald zwischen Passau und der tschechischen Grenze durchgeführt wurde. Am Abend zelebrierte Bischof Mark mit einem Priester den Abendgottesdienst und nahm danach fast allen Teilnehmern des Lagers die Beichte ab. Danach saß er noch mit den Pfadfindern am Lagerfeuer und nahm an dem abendlichen Gespräch teil. Als Gäste dieses Abends waren auch einige Pfadfinder mit ihrem orthodoxen Priester über die unweite Grenze aus der Tschechei gekommen. Am nächsten Morgen versammelten sich alle in der im Wald von den Pfadfindern selbst errichteten Kirche zur Liturgie. Nach dem Frühstück führte Bischof Mark und der mit ihm angereiste Priester ein ausführliches geistliches Gespräch mit den Pfadfindern.
Mit Gottes Hilfe erhielt unsere Diözese im August einen neuen Priester. Der Hypodiakon Ilya Limberger wurde am 5. August n.St. in der Münchener Kathedralkirche des Hl. Nikolaus zum Diakon geweiht. Die Priesterweihe nahm Bischof Mark dann am 12. August in der Nikolaus-Kirche zu Stuttgart vor. Hier wird der neue Priester in Zukunft die Gemeinde betreuen.
Vater Ilya schloß im Mai dieses Jahres sein Studium der Informatik und Mathematik an der Universität München ab und ist als Fernstudent an der Theologischen Fakultät in Belgrad eingeschrieben. Im Laufe der letzten Jahre nahm er regelmäßig und aktiv an den theologischen Kursen teil, die unter der Leitung des Diözesanbischofs am Kloster des Hl. Hiob von Poçaev in München durchgeführt wurden. Im Kloster erhielt er auch seine praktische Ausbildung nach der Weihe.
Vater Ilya ist verheiratet und Vater von zwei Töchtern. Wir wünschen ihm und seiner Familie Gottes Segen und Beistand für die neu übernommene Aufgabe.
Zum Fest der Verklärung des Herrn, dem 6./19. August zelebrierte S.E. Bischof Mark die Göttliche Liturgie in der Christi-Verklärungs-Kirche in Baden-Baden. Am Abend zuvor hatte er die Vigil in Stuttgart mit dem neugeweihten Priester Ilya Limberger durchgeführt. In Baden-Baden konzelebrierten ihm der Vorsteher der Gemeinde, Erzpriester Miodrag Gli‚ic´, und Priester Joakim Lapkin, sowie Diakon Georg Kobro.
Bote 1990-5
Unsere Kirchen in Rußland
Während der Diskussionen über die Aufnahme von Geistlichen und Gemeinden in Rußland in den freien Teil der Russischen Kirche lag dem diesjährigen Bischofskonzil der Entwurf einer Satzung vor, den Geistliche in Rußland selbst ausgearbeitet hatten. Dieser Entwurf wurde mit geringfügigen Veränderungen vom Bischofskonzil angenommen. Er stellt sicherlich kein endgültiges Dokument dar. Viel mehr ist hierin ein Arbeitspapier zu sehen, das in Laufe der Zeit auf Grund der praktischen Erfahrung modifiziert werden wird. Als Dokument, das aus Rußland selbst stammt spiegelt es jedoch wesentlich die Haltung unserer Geistlichen dort wider. Deshalb wollen wir es unseren Lesern zugänglich machen. Red.
Satzung der Gemeinden der Freien Rußländischen Orthodoxen Kirche
angenommen vom Bischofskonzil der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland am 2/15. Mai 1990
I.Die Rußländischen Orthodoxen Gemeinden stellen keine selbständige oder neue hierarchische Struktur dar, sondern befinden sich in eucharistischer Gemeinschaft, in der Jurisdiktion und der Unterordnung der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland, geleitet von ihrem Ersthierarchen Metropolit Vitaly, die die Bewahrerin der unverfälschten Orthodoxie und der Traditionen der Russischen Orthodoxen Kirche ist.
II.Sie sollen nicht in eucharistische Gemeinschaft mit dem Moskauer Patriarchat treten, solange dieses sich nicht von der Deklaration des Metropoliten Sergij lossagt; nicht die Verirrungen bereut, die dann darauf gefolgt sind; von seiner Leitung nicht jene Hierarchen entfernt, die sich durch antikanonisches und amoralisches Verhalten kompromittiert haben, die in Korruption und Diebstahl verwickelt sind, die durch Einmischung der weltlichen Machthaber eingesetzt wurden und außerdem Entstellungen der gottesdienstlichen Praxis der Russischen Orthodoxen Kirche zugelassen haben.
III.Sie dürfen nicht für die Staatsgewalt beten, solange deren führende und lenkende Kraft die KPdSU ist, die ein atheistisches antikirchliches Statut besitzt. Zugelassen ist nur das Gebet für die vom Glauben entfernten bei der Litanei "Doch offenbare Dich auch Denen, die von Dir abfielen und Dich nicht suchen", nicht aber bei der Proskomedie.
Gründe der Entstehung
Die Rußländischen Orthodoxen Gemeinden sind wegen des zum gegenwärtigen Zeitpunkt gelähmten und reuelosen Zustandes der Hierarchie und des Klerus des Moskauer Patriarchats entstanden, die sich von der Reinheit der Orthodoxie durch die Annahmne der Loyalitätserklärung des Metropoliten Sergij gegenüber der atheistischen kommunistischen Sowjetmacht im Jahr 1927 entfernt haben und die kirchliche Macht in Rußland usurpiert haben.
Grundlegende Verirrungen des Moskauer Patriarchat von 1927 sind:
1.Die Ausschaltung der Hierarchen, Geistlichen, Mönche und Laien, die diese Deklaration nicht annahmen, was Massenterror und Mord an ihnen seitens der atheistischen Macht hervorrief.
2.Die Mißachtung des Gedächtnisses der heiligen Neomärtyrer und Bekenner.
3.Die Zusammenarbeit mit der gottlosen Macht sogar bei der Schließung von Kirchen, Liebedienerei ihr gegenüber und öffentliches Gebet für die Stärkung der Machthaber, die gegen den Glauben und die Kirche kämpfen.
4.Entstellung der Sakramente, Rituale, Predigt und Vernachlässigung der Verbreitung des Wortes Gottes, Unterlassung der Kathechese was die Massen der Laien in Unwissenheit und zu einer oberflächlichen Annahme des Christentums geführt hat.
5.Teilnahme an der ökumenischen Bewegung, an der Schaffung einer "Weltkirche", die alle Häresien und Religionen vereint, und die Zugehörigkeit zum Weltkirchenrat.
6.Die Unterwerfung unter die weltlichen atheistischen Machthaber und Zulassung ihrer Teilnahme an der Leitung des innerkirchlichen Lebens bis hin zur direkten Leitung durch sie selbst mit dem Ziel der Zerstörung des Glaubens.
7.Die Trennung der Hierarchie und des Klerus von den Gläubigen, herablassende und überhebliche Behandlung der Laien unter Mißachtung des Gebotes des Apostels an die Geistlichen: herrsche nicht, sondern sei Vorbild.
8.Die weit verbreitete Sittenlosigkeit und Geldgier der Geistlichkeit.
9.Antikanonische und willkürliche Versetzungen von Diözesanbischöfen und auch Priestern.
Kirchliches Gemeindeleben
Als grundlegende Regeln und Gesetze der Rußländischen Orthodoxen Gemeinden gelten die wirksamen:
-Erlasse der Russischen Orthodoxen Kirche vor der Deklaration des Metropoliten Sergij des Jahres 1927
-die Erlasse und Bestimmungen des Bischofskonzils und Synods der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland.
Kontakte mit der Staatsmacht hinsichtlich ziviler Rechte und gesellschaftlicher Fragen schließen jegliche Kompromisse, Abhängigkeit und Rechenschaft in Fragen des Ausüben des Glaubens aus.
Die Rußländischen Orthodoxen Gemeinden haben das Recht ihre unabhängige Meinung zu gesellschaftlichen und politischen Ereignissen abzugeben ausschließlich vom Standpunkt des Evangeliums und der christlich-orthodoxen Sittlichkeit, lehnen es aber ab an politischen Angelegenheiten teilzunehmen.
Sie schließen eine respektlose Einstellung gegenüber den Vertretern anderer Religionen aus. Gemeinsame Gebete mit Andersgläubigen sind kategorisch ausgeschlossen.
Kleriker der Rußländischen Orthodoxen Gemeinden sind Geistliche der Russischen Orthodoxen Kirche, die durch schriftliche und öffentliche Buße in die Jurisdiktion der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland übergetreten sind, wie auch diejenigen, die das geistliche Amt von deren Hierarchen empfangen haben. Alle Kleriker der Rußländischen Orthodoxen Gemeinden leisten einen Eid über Nichtdenunziation.
Ein Geistlicher, der wegen antikanonischer oder amoralischer Verstöße im Ruhestand oder suspendiert ist, kann nicht in die Gemeinschaft aufgenommen werden. Dies trifft nicht zu für Disziplinarmaßnahmen als Folge der Hinwendung von Geistlichen zur Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland oder für solche, die auf unkanonischer Grundlage für die Kritik an der Abtrünnigkeit der Hierarchie des Moskauer Patriarchats erfolgt sind.
Gegenüber Klerikern des Moskauer Patriarchats muß das Verhältnis so sein wie gegenüber abtrünnigen, verirrten Brüdern, - sie können nicht zur Konzelebration aufgenommen werden, wie solche, die "bis zur Reue" suspendiert sind, wobei jedoch kein überhebliches Verhalten zugelassen werden darf. Gegenüber Laien muß das Verhältnis nachsichtig sein, wie gegenüber solchen, die von der wahren Orthodoxie nicht absichtlich, sondern durch von diesen nicht zu vertretenden Umständen abgewichen sind.
Die Rußländischen Orthodoxen Gemeinden bringen ihre Gebete "für die Vereinigung aller" dar und hoffen auf die Reue des in seiner Abtrünnigkeit verstockten und versteinerten Moskauer Patriarchats, sie beten und hoffen auf eine baldige Vereinigung aller Kinder der Russischen Orthodoxen Kirche sowohl in Rußland als auch in der Zerstreuung, was ein freudiges Ereignis sein wird.
Mögliche Formel für den Übertritt von Klerikern aus den Verirrungen des Moskauer Patriarchats.
1.Gesuch eines Klerikers an einen Bischof der Russischen Auslandskirche mit der Bitte um Aufnahme in die kirchliche Gemeinschaft durch die Reue über das Sergianertum und entsprechende Resolution des Bischofs der Auslandskirche.
2.Buße des Klerikers vor dem Volk vom Ambo während der Stundenlesungen.
3. Ansprache an seine Gemeinde mit Darlegung der Verirrungen der Patriarchie.
4.Buße der Gemeindemitglieder für die Befolgung der Verirrungen der Moskauer Patriarchie und für mögliche eigenen kirchliche Übertretungen.
5.Angebot des Geistlichen an willige Laien, ihrem Seelsorger zu folgen und Treueeid gegenüber der kirchlichen Obrigkeit durch Küssen von Kreuz und Evangelium.
6.Abschluß eines neuen Arbeitsvertrages des Klerikers mit der Gemeinde nach Vorbild des früheren.
7.Unterrichtung der Diözesanverwaltung des Moskauer Patriarchats und der weltlichen Staatsgewalt über den Vollzug des Übertritts.
Bote 1990-5
Interview mit Erzpriester Joachim Lapkin
Im Sommer dieses Jahres weilte einer der Priester unserer Kirche aus Sibirien in der Deutschen Diözese. Er besuchte verschiedene Gemeinden, um mit dem kirchlichen Leben unter freiheitlichen Bedingungen bekannt zu werden. Wir baten ihn, von seinem Leben in Rußland und seinen Eindrücken während des Aufenthaltes in Deutschland zu erzählen:
Frage: Vater Joachim, in Ihrem Leben fand in diesem Jahr ein wichtiges Ereignis statt. Sie schlossen sich der Russischen Auslandskirche an. Erzählen Sie uns bitte, was Sie zu diesem verantwortungsvollen Schritt bewegte.
Antwort: Schon lange bevor wir unser Aufnahmegesuch an die Synode der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland einreichten, suchten wir, d. h. die Priester aus Sibirien, die sich jetzt der ROKA angeschlossen haben, schon immer einen Ausweg aus der Krisensituation, in der sich die Russische Orthodoxe Kirche in Rußland befindet, wenn die Mehrzahl der Kanones verletzt wird, angefangen vom ersten Sakrament, der Taufe, die nicht einmal durch Übergießen, sondern lediglich durch Anfeuchten der Stirn geschieht. Ich habe mich immer bemüht, diesem zu widerstehen, wenigstens annähernd die kanonischen Normen zu beachten, doch ich stieß immer auf den Widerstand des leitenden Bischofs und der älteren Geistlichen. Ich widersetzte mich dem natürlich. Ich glaubte weniger an menschliche Autorität als an die Autorität Gottes und die Autorität der Hll. Väter, die für uns die Regeln aufstellten, doch es ist sehr schwer, gegen eine solche Kraft anzukämpfen, und ich habe mir in den Jahren meines priesterlichen Dienstes, wie man sagt, viele Beulen geschlagen. Bis 1987 wurde die Diözese von Omsk und Tjumen' von Erzbischof Maxim geleitet. Das war ein Bischof, der sich im allgemeinen um die Kirche sorgte, um die Reinheit der Kirche, den moralischen Zustand der Geistlichen. Deshalb konnte man zu seiner Zeit noch leben. Man konnte sich mit ihm zusammensetzen und verschiedene Fragen besprechen. In manchen Fragen half er sogar, d. h. er brachte Verständnis für unsere Sorgen auf. Aber die Bischöfe leben bei uns, wie man sagt, wie gebratene Karpfen auf der Bratpfanne: sie müssen sowohl den Machthabern gefällig sein, als auch die verdienten Erzpriester ehren, die vor Ort mit den Machthabern Hand in Hand arbeiten, denn wenn diese sich gegen den Bischof auflehnen, so kann er auf einen schlechteren Bischofssitz versetzt werden. Und wenn der Bischof auch noch Gottesfurcht besitzt, wenn er ein Gläubiger ist, so muß er ja versuchen, auch Gott irgendwie gefällig zu sein. 1987 wurde auf den Bischofssitz von Omsk und Tjumen' der Erzbischof Feodosij geschickt. Er hatte kurze Zeit hier in Deutschland gedient, wurde aber kurzfristig für irgendetwas weggeschickt und auf unseren Bischofsstuhl gesetzt. Die sibirischen Diözesen werden eben als Diözesen zur Verbannung von Bischöfen angesehen, und gewöhnlich werden dorthin solche Bischöfe geschickt, die sich etwas haben zu Schulden kommen lassen, die vor den Machthabern schuldig geworden sind, oder aber gegen kanonische oder moralische Grundsätze verstoßen haben. Unter Feodosij wandelte sich die Situation im Gegensatz zum vorherigen Bischof grundsätzlich. Es kam ein gewisser Widerstand auf. Bald zeigte sich auch sein moralisches Verhalten. Da erhob sich der Beichtvater unserer Diözese, Vater Evtichij Kuroçkin, ein Priestermönch. Er sandte einen Brief an die Synode über das moralische Verhalten des Erzbischofs. Aber aus der Synode wurden diese Dokumente an Feodosij geschickt. Mit Vater Evtichij rechnete man natürlich schnell ab. Aus der Gemeinde, in der er in der Stadt Ischim zelebrierte, wurde er in eine neueröffnete Gemeinde versetzt. Diese Gemeinde wurde nur eröffnet, weil sich dort eine gute Kirche der Großmärtyrerin Katharina befand, aber die ganzen Jahre der Sowjetherrschaft war sie vernachläßigt, sie diente als Lagerschuppen, nun und jetzt muß man sie als Architekturdenkmal bewahren, man kann sagen dafür wird eine kleine Gemeinde von etwa 20 Personen organisiert, der die Kirche übergeben wird. Vater Evtichij wurde dorthin versetzt, obwohl er eine schwer kranke Mutter hat, die er pflegen muß. Was mich betrifft, so sandte ich 1988 eine Erklärung an die Synode über die Verletzung der kanonischen Regeln beim Vollzug der Taufe. Eine Antwort erfolgte nicht. Der Erzbischof fing natürlich an, auch mich zu verfolgen. Er beschuldigte mich der Kirchenspaltung. Tatsächlich handelte es sich darum, daß wir zwei Priester, d. h. der Vorsteher der Kirche, Vater Michael, und ich, ein großes Taufbecken bauten und anfingen nur mit vollem Untertauchen zu taufen und mit vorheriger katechetischer Unterweisung der Erwachsenen bis zu einem Monat. Außerdem fingen wir an, sonntags abends nach dem Gottesdienst Aussprachen über die Auslegung der Heiligen Schrift durchzuführen und gleichzeitig auf Fragen der Gläubigen zu antworten. Zu uns kamen auch Kinder. Das wurde von den kirchlichen Behörden nicht gern gesehen. Die weltlichen Behörden schauen heute auf viele Seiten des kirchlichen Lebens durch die Finger. Obwohl das Gesetz von 1929, das die liturgische Predigt und katechetische Unterweisung sowie karitative Tätigkeit der Kirche verbietet, bis zum heutigen Tage nicht außer Kraft gesetzt ist, so wird es heute doch gewissermaßen nicht durchgesetzt. Übrigens, als unsere Tätigkeit öffentlicher wurde, sagte der Vorsitzende für Religionsangelegenheiten Samjatin direkt, daß wir aufhören sollten, außergottesdienstliche Unterweisung durchzuführen, die vom Gesetz verboten ist, welches nicht außer Kraft gesetzt ist. Außerdem schrieb ich einen Brief an den Erzbischof und alle Vorsteher der Kirchen der Diözese. Darin führte ich auf Grundlage der Heiligen Schrift, der Konzilsentscheidungen und der alten Praxis der Kirche alle Argumente hinsichtlich des Sakraments der Taufe an. Diesen Brief zeigte ich dem Erzbischof. Er nahm ihn positiv auf und sagte, daß bei mir alles gut argumentiert sei und er mich unterstütze. Ich schickte den Brief an alle Gemeindevorsteher, und diese nahmen ihn als Beleidigung auf, d. h. wie konnte ich, als junger Priester ihnen einen solchen Vorwurf machen, obwohl in diesem Brief keinerlei persönlicher Vorwurf enthalten war. Es war nur beschrieben, wie das Sakrament der Taufe zu vollziehen ist und ebenso die ihm vorausgehende Katechisierung. Gleichzeitig wurde zum zweitenmal, und zwar dieses Mal mit den Unterschriften mehrerer Geistlicher, ein Schreiben an die Synode geschickt, in dem das amoralische Verhalten und die antikanonischen Handlungen von Erzbischof Feodosij beschrieben wurden. Dieses Schreiben wurde getrennt an jedes Mitglied der Synode geschickt, und erst daraufhin erfolgte eine Reaktion. Aus der Synode wurde zu uns eine Kommission entsandt, geführt von Metropolit Gedeon von Novosibirsk und Barnaul und Erzbischof Johann von Kujby‚ev. Ich befand mich zu dem Zeitpunkt im Urlaub. Das war im September vorigen Jahres. Die Kommission lud meine Amtsbrüder vor, die das Schreiben unterzeichnet hatten. Es wurden nicht nur Priester vorgeladen, sondern auch alle, die von dem Erzbischof gelitten hatten, darunter auch Frauen. Ich hatte das Schreiben nicht mitunterzeichnet. Schriftlich und mündlich setzte ich mich nur für die Frage der Taufe und anderer kanonischer Regeln ein, die offen von dem Erzbischof bei der Weihe verletzt wurden: ein allen bekannter dreimal verheirateter Mann, von dessen Frauen eine noch lebt, wird zum Mönch geschert und geweiht. Und ähnliche andere Vorgänge. Darüber sprach ich nur mündlich, aber auch das wurde mir zum Vorwurf gemacht, daß ich angeblich dem Bischof Vorschriften mache und man wollte mich sogar suspendieren oder laisieren. Es gibt so einen Kanon: "Wenn jemand einen Bischof beleidigt..." Damit hatte ich also den Bischof beleidigt. Als ich hörte, daß diese Kommission da war, telephonierte ich aus Novosibirsk und fuhr nach Tjumen', wo mich Erzbischof Johann im Hotel empfing. Wir sprachen mit ihm, aber ich warf nur meine Fragen über sie Sakramente und die kirchlichen Kanones auf. Darin bekräftigte er mich: ja, du hast recht, daß du diese Frage so stellst. Als jedoch am folgenden Tag eine Versammlung in der Kathedralkirche von Omsk stattfand, an dem die Dekane und Gemeindevorsteher teilnahmen, war ich zwar nicht eingeladen, ging aber trotzdem hin. Da waren auch andere Geistliche aus den Gemeinden eingeladen. Diese Versammlung war dafür einberufen worden, um den Erzbischof irgendwie zu schützen, ihn zu verteidigen, seine guten Seiten zu zeigen. Und all das, was da geschrieben wurde, entsprach angeblich nicht der Wahrheit, es war Lüge, er ist ja gar nicht so schlecht. Doch dies ging nicht so, und auf der Versammlung konzentrierte sich die Aufmerksamkeit mehr auf meinem Brief. Wir diskutierten über zwei Stunden. Ich verteidigte mich. Am häufigsten wurde als Argument die heute übliche Praxis angeführt. Zur Verteidigung dieser heutigen Praxis der Taufe wurde allerdings weder die Heilige Schrift noch Konzilsbeschlüsse angeführt noch kanonische Regeln; nur die heutige Praxis. Es habe vor mir der oder jener Priester so gehandelt, und so handle ich auch. Ich wurde bei der Gelegenheit auch verschiedentlich angeklagt, aber diese Anklagen hatten keinen Grund und wurden schnell zerstreut. Von allen Priestern verteidigte mich nur einer, es war der Sekretär des Erzbischofs, Vater Alexej Sidorenko. Er sagte Vater Joachim spreche doch eine wichtige Frage an und habe sie auch früher schon angesprochen, und wir konnten sie in drei Jahren noch nicht einmal diskutieren, obwohl ich wirklich den Erzbischof darum gebeten habe, eine Versammlung über diese Frage einzuberufen. Es folgten jedoch nur Versprechungen, diese Diskussion würde bei nächster Gelegenheit stattfinden. Und einen Monat vor Eintreffen der Kommission rief der Erzbischof und Diözesanrat mich, und sie sagten schon drohend, daß es besser sei ich würde im Guten um Entlassung bitten. Andernfalls würde es mir nicht gut gehen. Hier, sagten sie, ist sowohl der Bischof als auch der Beauftragte des Rates für Religionsangelegenheiten, und wir alle, die Geistlichen, dagegen. Ich dachte nach, holte Rat ein und beschloß, um Beurlaubung zu bitten, denn es war ganz offensichtlich gefährlich, sich mit ihnen in einen solchen Streit einzulassen. Von ihnen konnte man alles Mögliche erwarten. Sie waren zu allem fähig. Deshalb schrieb ich ein Gesuch, und sie unterschrieben es sofort. Ich schrieb ein Gesuch um Beurlaubung und Versetzung in den Ruhestand, weil ich meinte, noch irgendwo eine Stelle zu finden. Ich dachte, in eine andere Diözese zu fahren. Nach mir luden sie den Kirchenvorsteher Vater Michael vor, und der Vorsteher der Kathedralkirche von Tjumen' zusammen mit dem Diözesanrat forderten ihn auf, ebenfalls ein Gesuch um Versetzung in den Ruhestand zu schreiben. Solange du nicht unterschreibst, kommst du hier nicht raus. Auch verschiedene Drohungen wurden gebraucht: vergiß nicht, daß du eine Familie hast u. ä. Er unterschrieb genauso wie ich ein Gesuch um Versetzung in den Ruhestand. In die Gemeinde, die wir betreut hatten, die Kirche Allerheiligen in der Stadt Tjumen', wurden andere Priester entsandt. Unsere Verfolgung begann natürlich in erster Linie wegen des Neids der älteren Amtsbrüder, die in der Kathedralkirche dienten, weil dort die Taufe einfach in Massenabfertigung vollzogen wird. Wie am Fließband. Das wichtigste bei der Taufe ist eben, daß man 5 Rubel in die Kasse bezahlt hat. Der Priester kommt und fragt: haben alle bezahlt? - Alle. - Aufstellen. Das ist das Wichtigste bei der Taufe. Nun, und so geht es weiter. Der Priester liest irgendetwas, hier schwatzen die Leute, dann treten sie herbei, und er befeuchtet ihnen etwas den Kopf, und damit ist die Taufe abgeschlossen. Als Vater Michael und ich in unserer Kirche anfingen, mit vollem Untertauchen zu taufen, lenkte man natürlich sofort die Aufmerksamkeit darauf. Es ist ja eine Stadt, und sie ist nicht groß. Und die Leute kamen und fragten: was ist das bei euch, ein anderer Glaube, oder was? Ich habe in der Kathedralkirche mein erstes Kind taufen lassen, oder meine Freundin hat dort taufen lassen und das Kind wurde nicht einmal ausgezogen und hier badet ihr sie ganz. Also ist das bei euch ein anderer Glaube? Wir versuchten natürlich zu erklären, daß es ebenso wie bei uns gemacht werden muß, d. h. mit vollem Untertauchen. Warum ist es in der Kathedrale anders? Da waren einige Umstände. Wir versuchten, den Widerspruch irgendwie zu überdecken, um keine scharfe Polemik hervorzurufen. Die anderen aber waren sehr eifersüchtig und warfen uns vor, daß wir die Leute und unsere Gemiendemitglieder gegen die Kathedrale aufwiegeln. Mir sagte man, daß ich angeblich Vorsteher der Kathedrale werden möchte und deshalb das Volk und die Gemeinde der Kathedrale gegen den Vorsteher der Kathedrale aufwiegele.
Frage: Fanden Sie bei Ihren Gemeindemitgliedern Verständnis dafür, daß man das Sakrament der Taufe mit völligem Untertauchen vollziehen muß, d. h. gemäß den Kanones?
Antwort: Natürlich. Bevor wir in unserer Gemeinde diese Praxis einführten, besprachen wir das im Kirchenrat. Hier muß man wohl sagen, daß heute in Rußland in den Kirchenräten gewöhnlich Vorsitzende eingesetzt werden, die die rechte Hand des Beauftragten des Rates für Religionsangelegenheiten sind. Nicht selten geschah es sogar, daß der Vorsitzende des Kirchenrates eine völlig ungläubige Person war und sogar nicht nur ungläubig sondern militanter Atheist. Aber er wird durch den Beauftragten eingesetzt, d. h. ohne den Staatsbeauftragten wird niemand als Starosta bestätigt. Es passiert, daß die Gemeindeversammlung einen Starosta wählt, aber der Beauftragte erklärt: ob ihr wählt oder nicht wählt, ich bestätige ihn nicht; müht euch nicht ab, sondern wählt einen anderen. Doch in unserer Gemeinde war die Vorsitzende des Gemeinderates eine gläubige, gottesfürchtige Frau. Nun kämpft man jedoch bei uns überall um die Einnahmen, und als wir anfingen, richtig zu taufen, fürchtete der Gemeinderat, daß niemand zu uns zur Taufe kommt und sich deshalb die Einnahmen verrringern. Vater Michael und ich bestanden jedoch auf unserer Ansicht. In jeder Predigt sprachen wir davon, wie es sein muß, d. h. wie die Taufe erfolgen muß und warum. Wir erklärten, daß es so immer gemacht wurde, in der ganzen Kirche, seit den ersten Jahrhunderten, und nur in letzter Zeit aus Nachläßigkeit wurde es anders gemacht. Und obwohl sie am Anfang skeptisch waren, neigten die Mitglieder des Gemeinderates schließlich doch zu unserer Überzeugung. Den Anfang allerdings machte Vater Michael und ich selbst aus eigener Kraft. Wir bauten einen Taufbecken, hoben eine Grube aus, legten sie mit Kacheln aus, leiteten heißes Wasser zu ihr und bauten einen Abfluß in die Erde. Und als wir anfingen zu taufen, zeigte sich, daß die Zahl der Täuflinge nicht abnahm, sondern im Gegenteil wuchs, und so auch die Einkünfte nicht geringer wurden. Da beruhigte sich auch der Gemeinderat und unterstützte uns ganz.
Frage: Zeigten die Täuflinge Verständnis für die Notwendigkeit Ihrer sozusagen "Neuerungen"?
Antwort: Selbstverständlich. Seitens der Täuflinge haben wir keine einzige Absage erlebt, obwohl solche Befürchtungen existierten. Hier muß man sagen, daß die meisten von denen, die zur Taufe kommen, im Glauben nicht gefestigt sind. Häufig wissen sie nur, daß das nötig ist. Überhaupt sind sie nicht vorbereitet. Wenn wir sie auch 2-3 Monate lang vorbereiten, so erreichen sie doch nicht das Stadium, das eigentlich nötig wäre. Doch sie wissen, daß das alles so gemacht wird, wie es sein soll. Sie sehen, wie in der Kathedrale getauft wird und wie es hier geschieht und sagen in den meisten Fällen: nein, wenn meine Freundin die Taufe annimmt oder jemand anderes, dann sage ich, daß sie hierher kommen, denn es ist zu sehen: hier wird alles vollständig gemacht, wie es sich gehört. Das bedeutet, daß den Menschen, die eigentlich noch weit vom Glauben entfernt sind, eine solche Einstellung zum Sakrament gefällt. Ihnen gefällt es wenn es mit Eifer und Frömmigkeit vollzogen wird. So, wie es richtig ist. Nur einmal gab es eine Absage - das war jemand, der das Sakrament möglichst schnell haben wollte, obwohl er eigentlich nicht vorbereitet war. Er ging dann zur Kathedrale und wurde dort getauft.
Frage: Ich hätte gern noch die Frage der Taufpaten angeschnitten. Oft werden doch als Taufpaten Leute ausgesucht, die unkirchlich sind oder gar Ungläubige.
Antwort: Ja, solche Fälle gibt es viele.
Frage: Achten Sie irgendwie darauf?
Antwort: Natürlich achten wir darauf. Es passiert tatsächlich, daß der Taufpate gar nicht glaubt. Wir fragen, ob er wenigstens einen Funken von Glauben besitzt. Wenn der Betreffende völlig ungläubig ist, dann lassen wir ihn nicht zu. Doch wenn er sagt, daß er glaubt, aber über den Glauben nichts weiß und die kirchlichen Traditionen nicht kennt, dann versuchen wir, ihm entgegenzukommen, geben ihm das Neue Testament zu lesen und andere Literatur. Wir erläutern den Menschen, was die Aufgabe eines Taufpaten ist und in welchem Verhältnis er zum Täufling stehen wird. Wir bringen folgendes Beispiel: nehmt einmal an, sagen wir, ihr gebt euren Sohn auf eine Schule, wo der Kenntnisstand der Lehrkräfte unter dem der Schüler liegt. Seid ihr dann zufrieden, daß ein solcher Lehrer eure Kinder unterrichtet? Nein, antworten sie, natürlich nicht. Wir entgegnen: aber so verhält es sich auch in diesem Fall. Die Aufgabe des Taufpaten ist es, seinen Täufling im Glauben zu erziehen, ihm beizubringen, was es heißt, christlich zu leben, bzw. das Himmelreich zu erlangen. Wenn aber der Pate selbst diesen Weg nicht kennt, wie soll er es eurem Sohn beibringen? Das ganze wird dann lediglich zur reinen Formalität degradiert. Wir müssen aber auch zugeben, daß Menschen sozusagen mit utilitaristischen Vorstellungen zur Taufe kommen: Wenn ich mein Kind taufen lasse, argumentieren sie, wird es sicherlich gesund aufwachsen und das Glück wird ihm im Leben hold sein. Oder es kommt beispielsweise ein junges Mädchen, dem seine Oma gesagt hat: laß dich taufen, dann wir dein Zukünftiger kein Trunkenbold sein, er wird dich nicht prügeln, und du wirst im Leben Glück haben. Es gibt nur allzu viele Fälle, in denen Menschen mit derartigen Vorstellungen zur Heiligen Taufe kommen. Solchen Taufkandidaten pflegen wir erst einmal den Sinn des Sakramentes zu erläutern und taufen sie nicht sofort. Sie müssen erst einmal mehrmals zu uns in den Unterricht kommen, jeder von ihnen erhält von uns ein Neues Testament, damit der Taufkandidat es zumindest einmal im Leben bereits gelesen hat. Sie müssen ja Jesus Christus erst einmal kennenlernen und begreifen, daß Er der Sohn Gottes ist, ihr Heiland, und kein außerirdisches Ufo-Wesen, wie manche meinen. Das Glaubensbekenntnis - was ist das? Wir halten es unbedingt für notwendig, zu jedem Abschnitt des Glaubensbekenntnisses ein gesondertes Gespräch zu führen.
Frage: Läßt Ihre gottesdienstliche Erfahrung die Aussage zu, daß das allgemeine Niveau der Erwacheenen, die nicht allein in Ihrer Gemeinde, sondern überhaupt in Rußland zur Taufe kommen, recht niedrig ist?
Antwort: Von einem Niveau kann man überhaupt nicht sprechen. Deshalb sage ich so bestimmt, daß eine vorherige Katechisierung notwendig ist. Man entgegenet mir: er wird aber nicht wiederkommen. Nun, was soll's, dann kommt er eben nicht wieder. Aber wenn er schon einmal gekommen ist, dann muß er die Taufe so empfangen, wie es sich gehört. Hier findet ja ein Sakrament statt, zu einem Sakrament wird aber ein Mensch immer nur dann zugelassen, wenn er zuvor eine Prüfung bestanden hat. Denn auch im weltlichen Leben wird man nicht so ohne weiteres in ein Geheimnis eingeweiht, sondern ersteinmal einer Prüfung unterzogen, ob man das Geheimnis auch wirklich zu wahren weiß. Die Taufe aber ist ein großes Sakrament. Wenn wir nicht so verfahren, wie wir es tun, dann kann es geschehen, daß sich jemand gerade erst mit Christus vereint hat, d.h. es ist zu einer Vermählung der menschlichen Seele mit Christus gekommen, - die Seele aber bleibt in völliger Unkenntnis in bezug auf Christus, wobei die Schuld hierfür mich als Seelsorger trifft, - und , kaum aus dem Taufbecken gestiegen, verfällt sie erneut der Unzucht. Mit anderen Worten: der christliche Weg wird von ihr gar nicht beschritten. Ich möchte so etwas mit einem Beispiel aus dem weltlichen Leben vergleichen: was würden wir sagen, wenn eine jungvermählte Braut schon in der Hochzeitsnacht ihrem Bräutigam untreu wird? - Hier aber haben wir eine Seele, die gerade erst mit Christus vermählt wurde, und sofort wieder in die alte bisherige Lebensweise zurückverfällt. So etwas ist doch geistige Unzucht ? Und dies ist furchtbar. Denn: war sie zuvor frei von dieser Todsünde, jetzt wird sie von ihr begangen.
Frage: Gab es in den letzten zwei-drei Jahren irgendwelche Veränderungen in der Anzahl der Erwachsenentaufen?
Antwort: Allerdings. Wir verzeichnen eine wachsende Zahl von Taufkandidaten, und auch im geistigen Niveau dieser Menschen sind Veränderungen eingetreten. Viele betrachten die Taufe nicht mehr nur als "glücksbringendes Omen", sondern sie kommen, weil sie von der Ideologie, mit der man sie all diese Jahre gefüttert hat, enttäuscht sind. Ich will irgendwie anders leben, sagen sie. Mit anderen Worten, sie suchen in der Kirche nach einer bestimmten Erneuerung ihres Lebens, sie suchen nach einer geistigen Grundlage für ihr Leben, die sie bisher im Leben nicht finden konnten. Heute sehen die Menschen ein, daß das, was man ihnen in der Schule bzw. auf der Hochschule beibrachte, nur Lüge war. Die dürstende Seele aber bleibt, sie sucht und forscht. Deshalb kommen heute viele in die Kirche und stellen an uns die Frage: was sollen wir tun? Wie sollen wir weiterleben? Mit dieser Fragestellung werden wir Priester heute am häufigsten konfrontiert. Daraufhin versuchen wir, solchen Menschen Christus irgendwie zu zeigen bzw. zu öffnen. Obgleich ich persönlich all das, was wir als Vorbereitung des Taufkandidaten zum Sakrament der Taufe unternehmen, nach wie vor für ungenügend halte. Wir sollten die Katechisation wesentlich ernsthafter betreiben. Heutzutage achtet man bei uns wesentlich mehr auf die Quantität denn aufdie Qualität der Getauften. Mit anderen Worten, viele haben nur im Sinn, die 5 Rubel Taufentgelt von möglichst vielen Taufkandidaten einzuziehen, sie denken nur an die Einnahmen. So etwas führt doch zum Untergang! Wir müssen doch zuvorderst auf Qualität achten. Ein Mensch muß auf seine Taufe vorbereitet sein. Er muß eigentlich bereits ein Christ sein. Ich finde es schade, daß das Katechumenat als Institution allmählich außer Gebrauch gekommen ist. Heute können wir ja sehen, wozu dies geführt hat.
Frage: Sind Sie sich auch zu Beginn ihres seelsorgerlichen Wirkens der Tatsache bewußt geworden, daß beim Vollzug des Taufsakraments eine eklatante Mißachtung der kanonischen Normen stattfindet? Diese Verzerrungen des Taufritus sind heutzutage im modernen kirchlichen Leben in Rußland ja schon beinahe zur Norm geworden.
Antwort: Das Priesterseminar habe ich im Fernstudium absolviert. Ich war bereits Kleriker, als ich dort die Aufnahme beantragte. Selbstverständlich stellte ich solche Fragen im Seminar. Zur Taufe gab mir der für die praktische Anleitung zuständige Dozent zur Antwort, eine Taufe wie sie heute bei uns praktiziert wird - mittels Benetzung der Stirn - würde die Orthodoxe Kirche nicht kennen, und wenn so etwas geschehe, so sei es eine Profanierung des Taufsakraments. Das war seine Antwort. Ähnlich äußerte er sich auch über die anderen Sakramente. Der Vollzug der Hl.Sakramente müsse den kanonischen Forderungen genügen. Etwas anderes würde die Orthodoxe Kirche nicht kennen bzw. nicht anerkennen. Allerdings, sagte er, sei dies alles Theorie. In der Praxis würden wir dagegen erleben, daß dies nirgendwo eingehalten werde. Und in der Tat, als Vater Michael und ich bei uns in der Gemeinde damit begannen, die Taufe so, wie es sich gehört, zu praktizieren, mußten wir erleben, daß zunächst die älteren Priester, später auch der Bischof sich gegen uns auflehnten, und zwar mit dem Argument: "Ihr fördert damit eine Kirchenspaltung! Es wird nur bei euch so praktiziert, sonst nirgendwo. Das ist euer eigenes Machwerk."
Frage: Wird es in der UdSSR wirklich sonst nirgendwo mehr praktiziert?
Antwort: Doch. Zwar nicht so oft, aber stellenweise doch noch. So z.B. in einigen Kirchen in Moskau - ich nenne hier nur Peredelkino, aber auch anderswo. Was Sibirien angeht, so weiß ich es mit Sicherheit von der Stadt Jenissejsk im Gebiet Krasnojarsk. Der dortige Seelsorger heißt Vater Gennadij Fast, er ist der einzige dort, mit einer nicht sehr großen Gemeinde. Dort finden monatlich eine bis zwei Taufen statt und er vollzieht sie , wie es sich gehört, ohne dafür von irgendjemandem angefeindet zu werden. Hat aber eine Stadt zwei Kirchen mit unterschiedlicher Taufpraxis, so kommen Neid und Mißgunst auf.
Bei uns bieten wir jetzt Gesprächsabende an, die auch von Gläubigen der Kathedralkirche besucht werden, weil dort so gut wie nie gepredigt wird. Bei uns hingegen war jeder Gottesdienst von einer Predigt begleitet. Wir feierten tägliche Gottesdienste. Natürlich rief dies bei den anderen Neid und Mißgunst hervor, sie befürchteten eine Minderung ihrer Einnahmen. Eine recht typische Geschichte ereignete sich in der Stadt Frunse in Kirgisien.
Dort bauten zwei Priester - Vater Wladimir Zwetkow und der Priestermönch Leonid - ein Taufbecken und vollzogen Erwachsenentaufen mit vollem Eintauchen. Dies währte jedoch nicht sehr lange - nur zwei Jahre. Sie wurden dafür vom zuständigen Bischof Lew zunächst suspendiert. Später, nachdem er seine Suspendierung aufgehoben hatte, erhielt der ein Entlassungsschreiben und zog weg, soviel ich weiß, in die Diözese von Nowgorod. Den zweiten verbannte der Bischof nach Krasnowodsk in Turkmenistan, ein Wüstengebiet am Kaspischen Meer. Die neuen Priester aber, die ihre Gemeinde in Frunse übernahmen, verschlossen den Taufraum und vollzogen keine Taufen mit vollem Eintauchen mehr. Das Taufbecken wurde später von ihnen zerstört.
Viele bemühen sich etwas Positives zu tun. Manche können dem Druck, den der Ortsbischof ausübt, auf die Dauer nicht standhalten und geben nach. Freilich machen sie sich in der Folgezeit harte Gewissensbisse, weil sie die Taufe ohne Eintauchen spenden; ihr eigenes Gewissen verurteilt sie. Doch wo sollen sie hin ? Wenn man sich widerspenstig zeigt, wird man letztlich "weggeräumt", - ein Priester aber hat zumeist Familienanhang mit vier bis fünf Kindern. Wo soll er dann hin ? Die materiellen Überlegungen erweisen sich als schrecklicher Hemmschuh: auch aus dem Pfarrhaus wird er dann hinausgeworfen, eine eigene Bleibe aber hat er nicht. Unseren Priestern geht es nämlich nicht besonders gut. Nur wenige besitzen z.B. ein Auto.
Frage: Wollen Sie damit sagen, daß sich die Bischöfe selber dem Vollzug der Taufe unter vollständigem Eintauchen, so wie dies von der Kirche vorgeschrieben wird, widersetzen ?
Antwort: Eben, das ist es ja. Wir suchten im Synod nach Unterstützung und meinten, sie würden irgendetwas unternehmen, um eine Zersetzung der Kirche durch die Bischöfe aufzuhalten. Bald aber mußten wir erkennen, daß der Synod zwar über die antikanonischen Handlungen beispielsweise des Erzbischofs Feodosij informiert ist und über sein moralisches Verhalten Bescheid weiß - seine Sünde ist ja vor aller Augen und alles spottet darüber - und dennoch wird dieser Oberhirte unterstützt bzw. in Schutz genommen. Von seiner Versetzung war nicht einmal die Rede. Da mußten wir erkennen, daß auch dort die Leute offensichtlich nicht besser sind. Es galt nach irgendeinem Ausweg zu suchen. An die Auslandskirche haben wir auch schon früher gedacht, fanden aber zunächst keine Möglichkeit, mit ihr Kontakt aufzunehmen.
Wir waren zuerst zu dritt, später schlossen sich uns andere Kleriker an und wir wurden schon sechs. Daraufhin schrieben wir ein gemeinsames Gesuch an den Synod der Auslandskirche und baten um Aufnahme . Das war ungefähr Ende November des vergangenen Jahres; im April ließ man uns dann wissen, daß über unser Gesuch positiv entschieden wurde. Was den Anschluß an die Auslandskirche betrifft, so suchten wir ihn, konnten aber damals keinen Weg zu seiner Verwirklichung finden. Hätte man uns eine Absage erteilt, so wäre ich persönlich nicht mehr bereit, unter den bisherigen Umständen noch irgendwo zu zelebrieren. Zum Beten würde ich schon noch in die Kirche gehen, aber als Priester würde ich nicht mehr in Erscheinung treten. Als ich vom aktiven Dienst zurücktrat, da hatte ich noch die Hoffnung, in eine andere Diözese hinüberwechseln zu können. Bald mußte ich aber einsehen, daß man mich nirgends mehr so zelebrieren lassen wird, wie ich es mir bereits vorgenommen hatte. Daher entschloß ich mich solange dem aktiven Kirchendienst fernzubleiben, bis sich eine Möglichkeit ergeben würde, wieder so zu zelebrieren, wie es sich gehört. Als nun von der Synodalverwaltung der Auslandskirche die positive Antwort eingegangen war, da teilten es die mir gleichgesinnten Priester - zwei von ihnen betreuen eine größere Gemeinde und einer eine weitere - ihren jeweiligen Gemeinden diese Möglichkeit mit und fanden deren volle Unterstützung. Freilich stießen sie bei manchen anfangs auf Unverständnis, das auf Nichtwissen basierte: was ist das - die Auslandskirche? Man nennt sie bei uns zumeist "die Karlowitzer Kirche". Es war natürlich schwierig, den einfachen Omas die ganze Geschichte eingehend zu erläutern und so sagte einer von den Priestern - Vater Feofan - , der selber ein einfacher Mann aus dem Volk ist:- Wie soll ich es euch erklären? Nun, wißt ihr, es ist die zarentreue Kirche! - Daraufhin kam von den Omas zur Antwort: -Ja, wenn es die zarentreue Kirche ist, dann sind wir dafür! - Das war sein eigener Ausweg bei der Suche nach einer prägnanten Erläuterung!
Und als der Bischof seinen Repräsentanten in diese Gemeinde hinkommandierte, da ließ man diesen einfach nicht herein und sagte ihm klipp und klar: Wir brauchen niemanden. Wir haben schon einen Priester.
Frage: Und wo werden Sie jetzt selbst zelebrieren?
Antwort: Vater Michael und ich sind z.Zt. ohne Gemeinde. Doch alle unsere Gemeindemitglieder sind bereit, uns nachzufolgen, waren doch die meisten unter ihnen unsere geistlichen Kinder. Außerdem sind sie mit jenen Priestern, die an unserer Statt in den betreffenden Gemeinden eingesetzt worden sind, außerordentlich unzufrieden. So ist der Gemeindevorsteher nur am Geld interessiert. Die Gemeinde aber, die es zuvor anders erlebt hatte, ist unzufrieden. Wir könnten praktisch schon heute mit dem Zelebrieren beginnen, und wir haben keine schlechte Gemeinde. Doch wollen wir uns an die Gesetze halten und ganz offiziell vorgehen.
Frage: Das heißt, Sie werden praktisch die Öffnung einer neuen Kirche beantragen?
Antwort: Genau. Vater Michail hat bei uns in Tjumen' bereits die Papiere für eine amtliche Registrierung der Kirchengemeinde eingereicht. Doch das war vor einem Monat,- über den gegenwärtigen Stand der Dinge bin ich nicht informiert. Ich gehe aber davon aus, daß die behördliche Entscheidung positiv ausfallen wird. Ob es zu einer Zulassung kommen wird oder nicht - auf alle Fälle sind die Behörden von uns benachrichtigt worden. Soviel dazu.
Frage: Wenn ich Sie richtig verstehe scheint Ihre Gemeinde von der Existenz der Russischen Auslandskirche überhaupt nichts gewußt zu haben? Vermutlich sind sie auch über die Situation, die nach 1927 entstand, nur ungenügend informiert? Wie gut kennt man bei ihnen überhaupt die Geschichte der Kirche zur Sowjetzeit?
Antwort: Es ist richtig, daß die einfachen Leute die ganze Geschichte der Auslandskirche nicht kennen. Ich selbst habe sie erst vor kurzem, vor etwa sechs Jahren, erfahren, nachdem vereinzelte Publikationen aus dem Westen, uns gelangt waren. Zuvor hatte ich den Begriff "Auslandskirche" nur dann und wann gehört und nicht weiter beachtet, ich war sogar der Meinung, "Auslandskirche" wäre jene Abteilung in unserer Kirche, die unsere Bischöfe ins Ausland schickt (= Kirchliches Außenamt. - Anm. d. Übers.). Daß die Auslandskirche etwas anderes ist, konnte ich gar nicht vermuten. - Die einfachen Menschen wissen natürlich gar nichts. Allerdings gist es bei uns Orthodoxe, die sich "Tichonowcy" (= Anhänger des Hl. Patriarchen Tichon) oder "Iosifljane" (= Anhänger des Metropoliten Iosif von Petrograd) nennen, doch sie führen ein völlig abgesondertes Dasein. In den Kirchen des Moskauer Patriarchats kommunizieren sie nicht, aber ich glaube nicht, daß sie von der Existenz einer Auslandskirche wüßten. Sie wissen, daß die Kirche, die es heute gibt, die sowjetische Kirche ist, die ganz mit den Machthabern kollaboriert und daher keine Gnade mehr besitzt. Folglich sagen sie, hat man dort das Heiligtum durch den Greuel der Verwüstung entweiht. So entschieden lehnen sie das Moskauer Patriarchat ab. In den 60-er Jahren sind ihre letzten Priester gestorben, und sie sind jetzt ohne Sakramentspende geblieben. Ich spreche natürlich von Sibirien. Soviel ich weiß haben manche von ihnen die Hl. Kommunion auf folgende Weise empfangen: die nach den verstorbenen Priestern verbliebenen Reservegaben zerkleinerten sie, fügten die Partikel in frisch angesetzten Teig, vermischten alles, buken daraus prosphorenähnliche Brote, verschickten sie sogar und empfingen auf diese Weise die Kommunion. Weiter gibt es bei uns noch die sogenannten "wahren Orthodoxen Christen". Diese sind von noch größerem Glaubenseifer erfüllt. Sie weigern sich sogar, den sowjetischen Personalausweis zu akzeptieren und betrachten jeden Arbeitseinsatz in staatlichen Betrieben oder in Kolchosen als Sünde.
Frage: Im Verlaufe Ihres Deutschland-Aufent-haltes konnten Sie das Leben eines Klosters und zahlreicher Gemeinden der Auslandskirche kennenlernen. Haben Sie dabei das vorgefunden, was Sie erwarteten?
Antwort: Ehrlich gesagt, haben mich einige Seitens des Gemeindelebens erstaunt.
Frage: Wovon sprechen Sie? Konnten Sie irgendwelche kanonischen Fehler entdecken?
Antwort: Nein. Die Taufe z. B. wird hier so vollzogen, wie es sein soll. Ich konnte erleben, wie Vater Nikolaj eine Erwachsenentaufe vollzog, und es gefiel mir. Mir gefiel auch seine Art zu zelebrieren: nicht nur nach dem Trebnik, sondern vom ganzen Herzen. So etwas kann man nur als nachahmenswertes Beispiel empfehlen. Zur Beichte: ich habe nur gesehen, wie Vladyka selbst die Beichte abnahm, und einmal als ich selbst zelebrierte, nahm Vater Alexander die Beichte ab. Sicher, eure Gemeinden sind nicht sehr groß, und zur Beichte kommen im Schnitt zwei oder drei Personen, die in einem besonderen Raum bei Vladyka die Beichte ablegen. Das ist alles richtig so. Doch das äußere Aussehen... Wie die Gemeinde gekleidet ist, wie sie sich in der Kirche benimmt, - hier sind mir andere Dinge aufgefallen. So stehen bei euch in der Kirche sogar ältere Frauen ohne Kopftuch... Natürlich kann ich verstehen, daß die Lebensumstände der Menschen vollkommen anders sind. Und dennoch sollten die Seelsorger dieses Problem irgendwie immer wieder ansprechen. Vielleicht in einer nicht so scharfen Form, wie wir es bei uns zu Hause tun, aber ansprechen sollten sie es doch. Und ich möchte meinen, daß jene, die es mit ihrem Heil aufrichtig meinen, die Bedeutung dieser scheinbar äußeren Seite des christlichen Lebens verstehen werden. In der Heiligen Schrift ist ja geschrieben, wie man sich kleiden soll. Kleidet euch, heißt es, wie es den Heiligen geziemt. Ja habt ihr denn irgendwo gesehen, daß eine ältere Heilige mit Hose und ohne Kopftuch abgebildet wäre? Diejenigen, die eher aus Traditionsgründen in die Kirche kommen, brauchen uns da kein Beispiel zu sein. Auch zu Johannes Chrysostomos pflegte man zu sagen: Johannes du prangerst oft in viel zu scharfer Form an, sodaß viele in verschiede Sekten abfallen können. Er aber gab zur Antwort: Wer will kann gehen, ich aber werde nicht aufhören zu sprechen, weil Gott mich dafür eingesetzt hat und mir anbefohlen hat: posaune es laut in die Welt hinaus. - Ich meine überhaupt begriffen zu haben, daß es die hiesigen Seelsorger viel schwerer haben als wir. Bei uns ist das Material, d. h. die menschlichen Seelen, wesentlich weicher und nachgiebiger. Das Wort eines Priesters bedeutet bei uns der Gemeinde viel mehr als hier.
Bote 1990-5
VI. Russisch-Orthodoxer Jugendkongreß
Vom 4. bis 11. August 1990 fand in Montreal auf Initiative des Bischofskonzils der Russischen Orthodoxen Auslandskirche der VI. Russisch-Orthodoxe Jugendkongreß statt. An der Arbeit des Kongresses nahmen 250 Vertreter aus allen Ländern der russischen Emigration teil. Im Gegensatz zu vergangenen Kongressen waren in diesem Jahr viele Gäste aus den verschiedensten Teilen Rußlands anwesend: aus Moskau, Petersburg, Novosibirsk, Donezk, Simferopol u. a.
Das übergreifende Thema des Kongresses - "Der Weg zur Wahrheit" - fand in den folgenden Vorträgen seinen Niederschlag: "Verkirchlichung des Lebens" (Erzpriester Valerij Lukjanov USA); "Die russische Idee und die Gegenwart" (M. V. Nazarov, Deutschland); "Das Weiße Rußland - Ideologie der religiösen und nationalen Wiedergeburt" (A. Kasakov, Rußland); "I. A. Ijin über die Grundlagen der russischen christlichen Kultur" (Prof. N. P. Poltorazkij, USA); "Litija - Orthodoxie in der Welt" (Erzpr. Viktor Potapov, USA); "Das geistliche Antlitz des russischen Bauerntums" (V. A. Solouchin, Rußland). Jedes Thema wurde unter der bischöflichen Leitung des Ersthierarchen der Russischen Auslandskirche, Metropolit Vitalij, ausdiskutiert.
Täglich fanden in der Kathedralkirche des Hl. Nikolaus Gottesdienste statt, bei denen die Myronspendende wundertätige Ikone der Gottesmutter von Iveron anwesend war.
Dank der geschickten Leitung (P. P. Paganuzzi) wurden die Unkosten für den Kongreß vollkommen gedeckt: die Teilnehmer aus den USA und Kanada beglichen durch ihre Beiträge und persönliche Arbeit alle Ausgaben - für die aus anderen Ländern angereisten Teilnehmer war der Aufenthalt kostenlos. Außerdem wurde mit gesammelten Mitteln eine Satz- und Verfielfältigungsausrüstung für eine orthodoxe Gruppe in Novosibirsk gekauft.
Der Kongreß nahm eine Verlautbarung an, die im folgenden veröffentlicht wird.
Der nächste Kongreß für orthodoxe Jugendliche aus dem Ausland und Rußland ist für August 1991 in Argentinien geplant.
Informationen erteilt:
Alexis Popov, Laria 923, 7 - P, 1117 Buenos Aires, Argentina.
Verlautbarung des VI. Russisch-Orthodoxen Jugendkongresses
an die Öffentlichkeit Rußlands, der russischen Emigration und des Westens.
Mit großer Hoffnung verfolgen wir die befreienden Veränderungen im heutigen Rußland. Für uns ist dies von immenser Bedeutung: wir erlangen unsere historische Heimat, von der wir lange Zeit nur träumen konnten. Doch viele der Vorgänge rufen Zweifel hervor, von denen wir sprechen möchten.
Wir wenden uns zunächst an unsere Landsleute in Rußland: heute ist es nicht nur wichtig, wogegen der Kampf geführt wird, sondern auch wofür. Zur Durchführung heilsamer Reformen ist es notwendig das Geschehene nicht im Rahmen der letzten 73 Jahre zu verstehen, sondern im Maßstab unserer tausendjährigen christlichen Staatlichkeit - unter Einbeziehung fremder Erfahrung. Diese Erfahrung ist lehrreich: beim Verlust der absoluten Werte kann die Degradierung der Gesellschaft auch unter den Bedingungen der Freiheit erfolgen. Wir meinen, daß Rußland nicht fremde Modelle mit den ihnen eigenen Fehlern kopieren soll, sondern die eigenen orthodoxe Tradition wiederbeleben. Angelpunkt des rußländischen Staates und seiner Kultur war immer die Kirche, weshalb wir die Gesundung des kirchlichen Lebens als Grundlage für jegliche Veränderung ansehen.
Wir freuen uns darüber, daß sich ein bedeutender Teil unseres Volkes diesen Werten zuwendet. Doch nach so vielen Jahren der Ausrottung der orthodoxen Tradition können bei weitem nicht alle ihre Lebensnotwendigkeit begreifen. Gegenüber solchen Menschen müssen wir Langmut beweisen. Von uns wird nicht nur schöpferische Suche auf staatlichem Niveau verlangt, sondern ebenso die Verwirklichung christlicher Grundsätze im täglichen und politischen Leben: im Nächsten, in den Verbündeten und sogar in den Gegnern das Gute zu suchen, das in jedem Menschen ist, und zu versuchen, sich auf dieser Grundlage zur Rettung des Heimatlandes zu vereinigen. Rußland kann nur dadurch wiedererstehen, was das Volk vereint, nicht aber auf dem, was es entzweit.
Wir wenden uns an die Öffentlichkeit der westlichen Länder und besonders an die einflußreichen Kreise mit dem Aufruf zu verstehen: Rußland ist ein Teil der europäischen christlichen Zivilisation, doch ein besonderer Teil. Man sollte nicht danach streben, Rußland nach westlichem Muster zu verändern. Rußland muß der Vorsehung Gottes für dieses Land entsprechen - nur ein solches, orthodoxes Rußland kann die Welt bereichern. Das Bestreben, die eingetretene Krise zur Zerstückelung und Verwestlichung Rußlands auszunützen, droht lediglich, zu allgemeinen Erschütterungen zu führen.
In diesen Umständen fällt es der russischen Emigration, die die Erfahrung beider Gesellschaftssysteme besitzt, zu, die Rolle einer Brücke zwischen den beiden verschiedenen Welten zu spielen. Die Aufgabe der Emigration - die russische Idee zu bewahren und zu entwickeln - tritt in ihr abschließendes Stadium ein: ihre Erfahrung Rußland zu übergeben. Wie wenige wir auch in der Emigration sein mögen - nur dies rechtfertigt unseren Aufenthalt außerhalb Rußlands in den für dieses Land schweren Zeiten.
"Selig die nach der Gerechtigkeit hungern und dürsten, denn sie werden gesättigt werden" (Mt. 5, 6). Wir, die Teilnehmer des VI. Russisch-Orthodoxen Jugendkongresses, suchen diese Gerechtigkeit in der Kirche Christi und in unseren orthodoxen Vorfahren. Gleichzeitig dürfen wir nicht außer Acht lassen, daß die Mehrzahl unserer Altersgenossen, die in der Emigration geboren wurden, ihren ständigen Aufenthalt nicht in der historischen Heimat einrichten werden. Zu viele Wurzeln sind hier geschlagen. Doch wir hoffen, daß auch dem künftigen freien Rußland Träger des russischen Geistes außerhalb seiner Grenzen nötig sein werden. Das russische orthodoxe Ideal der Heiligen Rus' hat universelle Bedeutung, denn so ist das Wesen des Christentums. Die russische Emigration, die diesem Ideal die Treue bewahrt hat, wird auch in den neuen Bedingungen der Welt von Rußland als einer geistlichen Erscheinung Zeugnis ablegen und an seinem Leben teilhaben.
Je enger die Wechselwirkung zwischen den gesunden Kräften Rußlands, des Westens und der russischen Emigration sein wird, umso schneller erlangen wir jenes orthodoxe Rußland, das wir und die Welt brauchen. Wir rufen alle auf, mit dem Gebet die Anstrengungen in der gemeinsamen Sache zu vereinen.
Montréal, 10.8.1990
Bote 1990-5
Neue Bischöfe der Russischen Auslandskirche
Der Bischofssynod der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland fand es möglich, jetzt offiziell von der Existenz des Hochgeweihten Bischofs Varnava in seinem Episkopat Kenntnis zu geben. Im Laufe mehrerer Jahre war Bischof Varnava (seinerzeit im sogenannten "weißen Klerus" Vater Vladimir Prokofieff), Vorsteher der Kirche der Ikone der Gottesmutter "Trost aller Trauernden" in Menton in Frankreich. In 1982 wurde er heimlich zum Mönch geschert und auf Erlaß des Bischofskonzils zum Bischof geweiht. Zum Nutzen der Kirche war es nötig, seine hohe bischöfliche Würde zeitweise geheim zu halten. Auf diese Weise konnte er unserer Kirche in Rußland unersetzliche Dienste leisten. Jetzt ist diese Notwendigkeit entfallen, und der Bischofssynod macht freudig davon Mitteilung, daß unsere Kirche noch einen würdigen Nachfolger des apostolischen Dienstes in der Person des Hochgeweihten Bischofs Varnava hat, dem der Titel eines Bischofs von Cannes verliehen wurde.
Im Juli 1990 nahm er erstmals an der Sitzung des Bischofssynods in New York teil, wobei er offiziell vorgestellt wurde. Danach besuchte er das Dreifaltigkeitskloster in Jordanville und nahm am Jugendkongreß in Montreal teil. An verschiedenen Stellen zelebrierte er mit dem Ersthierarchen unserer Kirche, Metropolit Vitalij, und anderen Bischöfen.
Auf Beschluß des gleichen Bischofssynods fand am Freitag den 11./24. August 1990 im Dreifaltigkeitskloster in Jordanville die Mönchsweihe des Protopresbyters Ioannn Legky statt. Sein Name wurde bei der Mönchsweihe beibehalten, allerdings mit dem Unterschied, daß er jetzt zu Ehren des Neomärtyrers Ioannn, des Bischofs von Riga genannt ist, den er zu Lebzeiten kannte und sehr verehrte und der ihn zunächst zum Diakon und daraufhin zum Priester weihte. Am 15./28. August 1990 wurde die Weihe des Archimandriten Ioannn zum Bischof von Buenos Aires und Argentininen und Paraguay vollzogen.
Bischof Ioannn wurde am 29. April 1907 in Dvinsk in der Familie des Erzpriesters Sabba Legky geboren. 1926-27 schloß er seine Bildung im russischen Gymnasium ab und absolvierte in Riga einen einjährigen Kurs für Lehrer und war von 1927 bis 1931 als Lehrer in einer russischen Schule in Lettland tätig. 1930 schloß er das Fernstudium am Geistlichen Seminar von Riga ab.
Vom September 1937 bis September 1940 setzte er seine Ausbildung an der theologischen Fakultät fort, die er jedoch nicht abschließen konnte, da die theologischen Lehranstalten von den Bolscheviken geschlossen wurden.
Am 26. August/8. September 1931 wurde er in der Kathedralkirche in Riga von Erzbischof Johannes von Lettland, dem späteren Neumärtyrer, zum Diakon geweiht, und am 1./14. September 1931 zum Priester.
Von 1936 bis 1944 war Vater Ioannn Mitglied des Litauischen Diözesanrates und der Verwaltung der Exarchien. Im Oktober 1944 wurde er zusammen mit dem Bischof Johannes von Riga nach Deutschland evakuiert, wo sie zusammen im Sudetenland blieben. Im September 1945 wurde Vater Ioann in die Jurisdiktion der Bischofssynode der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland aufgenommen und vom Metropoliten von Deutschland Seraphim als Religionslehrer und Priester in das Flüchtlingslager München-Freimann geschickt. 1946 erhielt Vater Ioann die Ernennung zum Dekan unserer Kirchen in Schleswig-Holstein.
Im Juli 1949 kam Vater Ioann in den USA an und wurde hier sofort zum zweiten Priester an der Himmelsfahrtkathedrale in Bronx ernannt. In der Folge war Vater Ioann Vorsteher der Erzengel Michael Kirche in Patterson im Staat New Jersey und Dekan dieses Kreises.
1965 wurde Vater Ioann mit dem Recht zum Tragen der Mitra ausgezeichnet, und 1972 in den Rang eines Protobpresbyters erhoben. Am 15./28. August 1990, dem Tag des Entschlafens der Allerheiligsten Gottesmutter, wurde von dem Höchstgeweihten Metropoliten Vitalij, dem Hochgeweihten Erzbischof Laurus von Syracuse und Dreifaltigkeitskloster, den Bischöfen Hilarion von Manhatten, Daniel von Erie und Grigorij in der Kirche des Hl. Seraphim von Sarov im Neuen-Jungfrauen-Entschlafenskloster die Weihe des Archimandriten Ioann zum Bischof von Buenos-Aires und Argentinien und Paraguay vollzogen.
Bote 1990-5
Aus den anderen Kirchen
In Erklärungen ökumenischer Gremien sind immer wieder schmeichelhafte Worte über die "brüderliche ekklesiologische Gemeinschaft" zu lesen, Vertreter der Römisch-Katholischen und Orthodoxen Kirche bezeichnen sich gegenseitig als "Schwester-Kirche" u. ä.. Hinsichtlich der derzeitigen Situation z.B. in der West-Ukraine wird dann lediglich von "Spannungen zwischen den Römisch-Katholischen Kirchen des byzantinischen Ritus und der Orthodoxen Kirche" gesprochen. Solche Communiqués sind keineswegs geeignet, die Wirklichkeit der ökumenischen Beziehungen in unserer Zeit wiederzuspiegeln. Die Ereignisse in der West-Ukraine haben traurige Berühmtheit erlangt. Sie resultieren wohl im gleichen Maße aus der sowjetischen Politik des Moskauer Patriarchats wie aus dem erbittersten Kampf der Uniaten. Über ähnliche Ereignisse berichten uns Gläubige aus den orthodoxen Gemeinden in Polen und in der Tschechoslowakei.
Orthodoxe in der Tschechoslowakei
Auf dem Gebiet der heutigen Tschechoslowakei war die Orthodoxe Kirche im Laufe vieler Jahrhunderte ständigen Verfolgungen ausgesetzt. Infolge der sogennanten Union von Uœgorod vom Jahre 1646 rottete der österreichisch-ungarische Adel gewaltsam und folgerichtig alle Lebenssäfte der bodenständigen Orthodoxie aus. Nach dem Tod des letzten Bischofs Dosifej (1734) und der letzten orthodoxen Priester fand sich das orthodoxe Kirchenvolk in der Gewalt der uniatischen Hierarchie. In ihren Herzen bewahrten die Gläubigen jedoch die Treue zur Heiligen Kirche. Auf diese Weise erfolgte in den Jahren vor und nach dem ersten Weltkrieg eine starke Belebung der Orthodoxie insbesondere in der Karpaten. Zwischen den beiden Weltkriegen entwickelte die Serbische Orthodoxe Kirche, zu der die tschechoslowakische Diözese gehörte, enorme Aktivitäten. Einer der hervorragensten Prediger der Orthodoxie unter dem slowakischen Volk war der große serbische Theologe Vater Justin Popoviç, der von der Serbischen Kirche sogar als Bischof für diese Diözese vorgesehen war. Die Bestrebungen zur Rückkehr in die heilige Orthodoxie unter dem slowakischen Volk erhielten immensen Auftrieb durch die verlegerische und homiletische Tätigkeit der zur Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland gehörenden Bruderschaft des Hl. Hiob von Poçaev in Ladomirová. Dieses Kloster war mit seiner Druckerei ein Zentrum und Sammelpunkt der Orthodoxie für die Karpaten. Seine Priestermönche betreuten eine große Zahl von Gemeinden in der Umgebung. Zur Festigung der Orthodoxie in der Slowakei trug auch der damalige Priestermönch Averkij viel bei, der seine theologische Ausbildung in Bulgarien erhalten hatte und später Erzbischof von Syracuse und Vorsteher des Dreifaltigkeitsklosters in Jordanville wurde. Große Schwierigkeiten entstanden damals aus der Tatsache, daß Kirchen und Gemeindehäuser überwiegend weiterhin in den Händen der sogenannten griechisch-katholischen Kirche, d. h. der Uniaten blieben. Während des 2. Wetlkrieges war die Orthodoxe Kirche in der Slowakei schweren Verfolgungen ausgesetzt, in der Tschechei wurde sie überhaupt verboten. Der Bischof der Tschechei und von Mähren und Schlesien, Gorazd, wurde mit seinen Gleichgesinnten hingerichtet, die Geistlichen in Zwangsarbeitslager geschickt, und das Eigentum der Kirche wurde beschlagnahmt. In den fünfziger Jahren veboten die komunistischen Machthaber in der Tschechoslowakei die griechisch-katholische Kirche. Doch das verhältnismäßig friedliche Dasein der Orthodoxen Kirche war täuschend und nicht sicher. Neue Angriffe auf die Orthodoxe Kirche und ihr Eigentum setzten 1968 ein, als die Machthaber, die die Tätigkeit der griechisch-katholischen Kirche wieder zugelassen hatten, viele Kirche und Gemeindehäuser der Orthodoxen konfiszierten. An vielen Orten wurde das Kircheninventar zerstört; der physische und psychische Druck auf die Gläubigen stieg. Den Orthodoxen wurde nicht gestattet, eigene Kirchen zu bauen, sie wurden der Gunst oder Ungunst der griechisch-katholischen Kirche ausgeliefert. So kam es zu dem absurden Zustand, bei dem Orthodoxen und Uniaten gemeinsam die gleichen Kirchen nutzten.
Die politischen Veränderungen des Jahres 1989 führten zur Demokratisierung des öffentlichen Lebens in der Tschechoslowakei. Die griechisch-katholische Kirche nutzt die neuen Möglichkeiten intensiv und besteht auf der Rückgabe des gesamten Kirchenbesitzes, gleich ob es sich heute in Händen der Unierten oder der Orthodoxen befindet. In der ostslowakischen Stadt Pre‚ov besetzten die Unierten die Bischofsresidenz und erreichten die Übergabe des Gebäudes der Theologischen Fakultät. Eine ähnliche Situation ist in vielen Städten und Dörfern der Slowakei anzutreffen. Wie uns orthodoxe Gläubige berichten, beschloß die slowakische Regierung kürzlich, alle orthodoxen Kirchen den Uniaten zu übergeben. In vielen Fällen treten versteckte Verfolgungen zutage. So z. B. im Falle der orthodoxen Fakultät in Pre‚ov. Nach den neuen Gesetzen der tschechoslowakischen Republik muß jede theologische Fakultät einer Universität angeschlossen sein. Deshalb beschloß die orthodoxe theologische Fakultät in Pre‚ov, sich der Íafarik-Universität in Ko‚ice anzuschließen. Doch der Rektor der Universität (dessen Bruder der römisch-katholische Bischof von Nitra ist) lehnte die Aufnahme der Orthodoxen Fakultät ab mit dem Hinweis, daß er diese nicht aufnehmen kann "weil die Orthodoxen keine guten Beziehungen zu den Uniaten unterhalten". In einem verzweifelten Brief schreiben orthodoxe Gläubige aus der Tschechoslowakei an alle Christen der Welt: "Tatsächlich stehen wir vor der Gefahr der völligen Ausrottung. Die griechisch-katholische Kirche will 300-400 Kirchen und Gemeindehäuser der Orthodoxen in Beschlag nehmen".
Zweifellos sind die Beziehungen, die sich im Laufe vieler Jahrhunderte zwischen Orthodoxen und Uniaten auf dem Territorium der heutigen Ukraine, Polens und der Tschechoslowakei entwickelt haben, äußerst kompliziert. Doch aus allen Informationen, die uns aus diesen Gebieten erreichen, wird deutlich, daß die unierte Kirche, die in allen Fällen von der Staatsmacht unterstützt wird, ungeachtet der kleinen Zahl oder mitunter des völligen Fehlens von Anhängern rücksichtslos die orthodoxen Christen aus ihren Kirchen vertreibt, die von Generationen derer Vorfahren erbaut, ausgeschmückt und gepflegt wurden.
Die Orthodoxe Kirche in Polen
Aus Kreisen orthodoxer Christen in Polen wird uns mitgeteilt, daß am 12. Juli die Christi-Verklärungskirche auf dem Berg Grabarka , wo sich das einzige Frauenkloster der Hll. Martha und Maria in Polen befindet in Brand gesteckt wurde. Dieses ist gleichsam das Zentrum der Orthodoxie in dem überwiegend römisch-katholischen Polen. Hier versammeln sich zum Feiertag der Verklärung Christi bis zu 20-30.000 orthodoxe Gläubige. Die Kirche wurde um 11.00 nachts angezündet. Im März d. J. wurde die orthodoxe Kirche in Krakau Opfer der Flammen; am 12. April, dem Großen Donnerstag, brannte die Kirche in dem Städtchen Narew, ca. 35 km von Bjelostok, ab. In den letzten Jahren brannten die Kirchen in: Klejniki - am 6. 4. 73; Kruszynany - am 11. 12. 83; in Czyze - am 28. 8. 84 (Entschlafung der Gottesmutter); in Jaczno - am 14. 11. 85 ; in Narew - 12. 4. 90 (Großer Donnerstag); Grabarka - 12. 7. 90 (Tag der Hll. Aposteln Peter u. Paulus). Alle Daten sind nach dem neuen Kalender zitiert. Es brennen die Kirchen, die von der jahrhundertelangen Anwesenheit orthodoxer Christen in diesem Gebiet zeugen. Sie sind alle aus Holz. "Es fällt schwer zu glauben, - schreibt man uns aus Polen, - daß das alles zufällig geschieht, wenn man sieht, wieviel Angriffe auf die Orthodoxie in den letzten Jahren in unserer Gegend erfolgten. Fenster wurden eingeworfen, Baumaterial für neuzubauende Kirchen in Brand gesteckt. Als die orthodoxe Gemeinde in Sedlce die Genehmigung zum Bau einer Kirche einholen wollte, wandten sich die nicht-orthodoxen Bewohner mit Beschwerden an die Regierung - nach ihrer Meinung würde die Ansicht dieser Kirche das Stadtbild stören". Diese Ereignisse erinnern die orthodoxen Einwohner Polens and die Geschehnisse der jüngeren Vergangenheit. Vor dem 2. Weltkrieg wurden in zwei Monaten (Juni-Juli) des Jahres 1938 im Gebiet von Cholm 107 orthodoxe Kirchen zerstört und drei niedergebrannt. Die Menschen dort fragen, wo die christliche Liebe ist, wo Demokratie? Die westlichen Staaten unterstützen die "Solidarnost"-Bewegung, und das Schicksal der verfolgten Christen interessiert sie wenig.
Die Photographien des Klosters auf dem Berg Grabarka wie auch die Berichte über die traurigen Ereignisse, die dort stattfinden, wurden uns von verfolgten Christen aus Polen zugesandt.
Bote 1990-6
Weihnachtsbotschaft
Deine Geburt, o Christus unser Gott, ließ der Welt das Licht der Erkenntnis erstrahlen, in dem die, die den Sternen dienten, vom Stern belehrt wurden, Dich als Sonne der Gerechtigkeit zu verherrlichen und Dich als den Aufgang aus der Höhe zu erkennen, Herr, Dir sei Ehre!
Christus ist "die Sonne der Gerechtigkeit". Doch was ist Gerechtigkeit? Für uns Christen ist dies nicht eine Frage philosophischer Spitzfindigkeiten, sondern ein Thema, das das Wesen unseres Glaubens berührt.
Die menschliche Geschichte ist die Geschichte der Entfernung von der Gerechtigkeit und Wahrheit Gottes. Der Mensch, der sich vom wahren Gott der Gerechtigkeit entfernte, identifizierte sich mit der Lüge, der Sünde. Und wie kann man sich von dieser Identifizierung befreien - diesem Fluch, den die Menschheit sich mit ihrer unwahren Ungerechtigkeit auflädt? Wahrlich, nach dem Wort des Apostels wurde der Mensch und die Sünde eins, und eben deshalb "machte Gott Seinen Einziggeborenen Sohn, der die Sünde nicht kannte, für uns zur Sünde" (2.Kor. 5,21), d.h. zusammen mit dem menschlichen Körper nahm unser Herr in Seiner Geburt von der Allerreinsten Jungfrau alles Menschliche an, alle Sünde der ganzen Welt. Doch so unsere Gesetzlosigkeiten nachfühlen, so die ganze Sünde der Welt auf Sich nehmen, um vollständig von der Sünde zu befreien, konnte nur Der, Der von der Sünde frei war, Der "keine Sünde tat", und in Dessen Munde "keine Lüge war" (Jes. 53, 4-12). Auf die Erde kam der sündlose Gottmensch "auf daß wir Gottes Gerechtigkeit würden in Ihm" (2.Kor. 5,21). Er wurde in solchem Maße Mensch, daß viele Seiner Zeitgenossen dies als unmöglich erachteten, nicht an Seine Sündlosigkeit glaubten und deshalb meinten, Er lästere Gott, wenn Er den Menschen ihre Sünden erließ. Tatsächlich nahm das Wort Gottes in Seiner Geburt von der Jungfrau unsere menschliche Natur an, um uns Seine Natur mitzuteilen, uns über die Einheit mit Ihm auf die Stufe von Teilhabern an der göttlichen Natur und damit an der göttlichen Wahrheit und Gerechtigkeit zu erheben. Durch diese wahre Gerechtigkeit werden wir geistlich aus dem Gottmenschen Christus geboren, denn "jeder, der die Gerechtigkeit tut, ist aus Ihm geboren" (1. Joh. 2,29).
Deshalb bedeutet der Festtag der Geburt Christi auch für uns das Fest unserer eigenen Geburt, unserer Geburt im Geiste, unserer Geburt in der Wahrheit und zur Gerechtigkeit. Durch die Gerechtigkeit Christi sind wir gerechtfertigt, befreit vom Gesetz der Sünde und des Todes (Röm. 8,2), und durch Seine Wahrheit und Gerechtigkeit führt uns Christus vom geistlichen Tod zum Leben. Durch Seine Gerechtigkeit söhnte Christus in Sich Selbst die Menschheit vollkommen mit Gott aus. Doch damit diese Aussöhnung für uns wirklich und wirksam werde, müssen wir im Gegenzug in Ihm "von der Sünde befreit, zu Sklaven der Gerechtigkeit" (Röm. 6,18), werden, in Seiner Gerechtigkeit leben - "um Gottes Gerechtigkeit in Ihm zu werden". In Christus Jesus nehmen wir nicht nur äußerlich die Gerechtigkeit Gottes an, gleichsam als etwas uns Fremdes, nein, in Ihm und durch Ihn werden wir zur Gerechtigkeit Gottes. Eine höhere Vollkommenheit kann man sich für den Menschen nicht vorstellen, als zur Gerechtigkeit Gottes zu werden. Der Mensch, der sich mit der Sünde identifiziert hatte, wird nicht nur von der Sünde befreit, sondern erhält ein neues Antlitz, ein neues Wesen: er wird mit der Gerechtigkeit Gottes identifiziert - und darauf wird er wahrhaft zur "neuen Schöpfung" in Christus (2. Kor. 5,17).
Doch wie leicht wird man verführt und vollzieht den zweiten Teil der Heilsordnung Gottes nicht vollständig! Im Wissen darum warnt uns der Hl. Johannes der Theologe wie ein liebender Vater: "Kinder, daß euch niemand verführe! Wer die Gerechtigkeit tut, ist gerecht, gleich wie Er gerecht ist" (1.Joh. 3,7).
Es gibt eine solche Verführung: der Mensch, der zunächst die göttliche Wahrheit durch Lüge besudelt, macht sich selbst gleichsam zum Herrn und Besitzer der Gerechtigkeit, ersetzt sie durch seine vermeintliche Gerechtigkeit, d.h. durch Unwahrheit und Ungerechtigkeit. Versuche solchen Ersatzes und deren tragische Folgen haben wir in unserem Jahrhundert übergenug gesehen. Doch wir sehen, wie dieseVerfälschungen gewöhnlich zur Vernichtung alles Göttlichen im Menschen führen, zur unumgänglichen Entehrung des heiligen Antlitzes Gottes in ihm, und schließlich - zur Vernichtung des Menschen selbst.
Der Übergang vom Verlust der Gerechtigkeit Christi im Menschen, vom Verlust der Sonne der Gerechtigkeit, zum völligen Verlust der Freiheit und des Lebens selbst, - ist ein organischer und gesetzmäßiger Übergang: die Sonne der Gerechtigkeit, Christus unser Gott, ist wirklich Das Leben; und folglich ist der Verlust dieser Sonne wirklich Finsternis und Tod. Dort, wo der Verlust der Sonne der Gerechtigkeit noch nicht oder nicht mehr zum offensichtlichen physischen Tod führt, hält doch die Wirkung dieses Todes - geistlich - an. Dies muß uns besonders im wiedervereinten Deutschland dieses Jahrs 1990 bewußt werden. Die Vereinigung des über vierzig Jahre widernatürlich geteilten Volkes fiel uns ohne große Erschütterungen gleichsam in den Schoß. Umso mehr müssen wir daher bemüht sein, die geistlichen Signale dieses Jahres nicht zu übersehen. In vielen Ländern Osteuropas erfolgte die Befreiung vom Totalitarismus, der auch bei uns im freien Teil Deutschlands, nur allzu gerne verschwiegen oder verschönert wurde, durch heftige und blutige Auseinandersetzungen. In unserem Land sind die offenen Wunden vielfach noch gar nicht angesprochen, geschweige denn, daß an ihre Überwindung zu denken wäre. Hier sind auch wir als orthodoxe Christen gefordert, die Gerechtigkeit Christi zum tragenden Element der kommenden Jahre zu machen. Einheit kann kein äußeres Merkmal gefallener Schlagbäume und Todesstreifen sein, sondern Wahrheit und Gerechtigkeit Gottes müssen uns zum Aufarbeiten der rückliegenden Zeit verhelfen. Auch die Frage nach der Einheit unserer Deutschen Diözese wird hier vor dem Hintergrund der Einen Russischen Orthodoxen Kirche neue Qualität erlangen müssen. Um der Einheit der Kirche willen müssen wir uns ganz entschieden jedem Versuch der Teilung etwa nach kleinlichen nationalistischen Gesichtspunkten - wie jetzt im Moskauer Patriarchat vollzogen - widersetzen. Die Kirche muß über kleinlichen Streitigkeiten das nahtlose Gewand Christi bewahren!
Es gibt noch eine Verblendung, von der der Hl. Apostel Paulus schreibt: "Israel aber, einem Gesetz der Gerechtigkeit nachstrebend, ist nicht zu diesem Gesetz gelangt. Warum? Weil es nicht im Glauben suchte, sondern in den Werken des Gesetzes" (Röm. 9, 31-32). Auch in unseren Tagen empfiehlt man uns die Gerechtigkeit nur in Werken des Gesetzes zu suchen, in Werken der Mildtätigkeit und Barmherzigkeit, wobei man vergißt, daß auch diese nur dann gerecht sind, wenn sie aus der Gerechtigkeit Gottes erwachsen, wenn sie wie Strahlen aus unserer Sonne der Gerechtigkeit - Jesus Christus - hervorgehen. Diese Verblendung ist so stark, daß sie viele aus dem Schoße der Kirche entfremdet - die einen unmerklich und zunächst nur innerlich, die anderen auch schon äußerlich. Auch in unserer Zeit nutzt der Verführer des Menschengeschlechtes dieses Trugbild, um unsere Aufmerksamkeit von den wichtigsten und größten Dingen abzulenken.
Die Gerechtigkeit Gottes ist eine der Vollkommenheiten Gottes: "Der Herr, Gott, ist barmherzig und gnädig, langsam zum Zorn und groß an Güte und Wahrheit, der Gerechtigkeit bewahrt auf Tausend Geschlechter hin und Güte erweist" (Ex. 34, 6-7) - unter solchen Eigenschaften nennt der Hl. Prophet die Gerechtigkeit Gottes. Und welches große Schicksal ist uns durch die Teilnahme an ihr bereitet! Doch erreichen können wir diese nicht anders als in Christus, denn Er ist wahrhaftig unsere ganze Gerechtigkeit (1 Kor. 1, 30). Um uns nach der Gerechtigkeit Gottes zu sehnen, müssen wir ihre ganze himmlische Schönheit erkennen, die Wärme ihrer Sonne empfinden. Sie wird uns nur im Werk der Erlösung durch Christus zugänglich (Röm. 3, 22-24), und nur durch den Glauben, nicht aber durch eigenwillige Werke, die unumgänglich das Siegel menschlicher Eigenliebe tragen. Die äußeren Werke können unseren Blick so sehr verstellen, daß wir die Wahrheit, die Sonne der Gerechtigkeit, Christus, nicht sehen können. Auf dem Weg zur Gerechtigkeit ist reiner Glaube unumgänglich.
Wer im wahren Glauben steht, entfernt sich von der eigenen Verblendung, der Verblendung durch alles Äußere und Irdische, und wird "durch die Gerechtigkeit Gottes erhöht werden" (Ps. 88, 17), erhöht in den Himmel, zu der alles durchdringenden Wärme der Sonne der Gerechtigkeit. Und in Ihm wird er leben.
Einen solchen Glauben wünschen wir Ihnen allen, liebe Brüder und Schwestern, indem wir uns gemeinsam in diesen Tagen der Einen Sonne der Gerechtigkeit verneigen, dem vorewigen Gottessohn Jesus Christus. Amen.
MARK, Erzbischof von Berlin und Deutschland
München, zum Fest der Geburt Christi 1990.
Bote 1990-6
Aus dem Leben der Diözese
Der 5./18. September ist der Feiertag des Hl. Propheten Zaccharias und seiner Gattin, der gerechten Elisabeth, der Eltern des Hl. Johannes des Täufers. Dieser Tag ist das Patrozinium unserer Kirche zu Ehren der Hl. Elisabeth in Wiesbaden. Am Vortag des Festes traf der Hochwürdige Bischof Mark in Wiesbaden ein, um den Abendgottesdienst und die Liturgie zu zelebrieren. Bei dem bischöflichen Gottesdienst konzelebrierten Erzpriester Sergij Poukh aus Luxemburg, Priester Michail Artzimovitsch aus Paris, und Priester Slawomir Iwaniuk.
Am 8. /21. September beging die Gemeinde der Geburt der Allerheiligsten Gottesgebärerin in Nürnberg ihr Patrozynium. Die Göttliche Liturgie vollzog S. E. Bischof Mark unter Konzelebration der Priester Iosif Wowniuk und Witalij Gawryluk und des Diakons Georg Kobro. Zu dem Fest waren Gläubige nicht nur aus Nürnberg und Erlangen gekommen, sondern auch aus anderen nahe gelegenen Gemeinden.
Am 17./30. September feierte die Hl. Prokopius Gemeinde in Hamburg das 25. Jubliläum der Einweihung ihrer Kirche. Die neue Kirche war seiner Zeit unter Leitung des Höchstgeweihten Erzbischofs Philotheos gebaut worden. Näheres dazu siehe in dem Artikel über Hamburg in dieser Nummer des "Boten". Das Jubiläum wurde durch einen festlichen Gottesdienst begangen, dem Bischof Mark vorstand. Nach der Liturgie lud die Gemeinde zu einem Empfang, bei dem Vertreter des städtischen Instanzen und andeerer Organisationen anwesend waren, die mit der derzeitigen Restaurierung der Kirche beschäftigt sind. Vertreter des Gemeinderates gaben einen Übeerblick über die bereits durchgeführten Arbeiten, für die bisher über 300.000,- DM aufgebracht wurden, sowie über die noch bevorstehenden Arbeiten.
Vom 2. bis 5. Oktober hielt sich Bischof Mark zur Sitzung des Synods in New York auf.
In der Deutschen Diözese sind zwei Kirchen dem Fest des Schutzes der Allerheiligsten Gottesgebärerin geweiht - in Berlin und in Regensburg. Am 1./14. Oktober d. J. zelebrierte Bischof Mark daher aus Anlaß des Patronatsfestes die Gottesdienste in Berlin. Nach der Liturgie unterhielt sich Bischof Mark mit den Gläubigen, während der Festtafel. Die freundschaftliche Atmosphäre in der Gemeinde zeugt von der erfolgreichen seelsorgerlichen Tätigkeit ihres Vorstehers, des Priesters Evgenij Sapronov.
Aus Berlin zurückgekeht, flog Bischof Mark am nächsten Tag nach London, wo er sich vom 16. bis 25. Oktober afhielt. in diesen Tagen vollzog er bischöfliche Gottesdienste in der Allerheiligen Kirche in London und ebenso im Frauenkloster und in dem Kloster in Brookwood.
Ein festlicher Empfang wurde von der Schwesternschaft der Kathedralkirche in dem neugekauften Haus gerichtet. Während des Empfangs sprach Bischof Mark zur Gemeinde über seine Eindrücke von seiner Reise nach Rußland, sowie über andere Fragen unseres kirchlichen Lebens. Unter Vorsitz des Bischofs beriet der Gemeinderat Fragen der Finanzierung der neu zu bauenden Kirche auf dem bereits erworbenen Grundstück und Vorschläge zur Architektur der geplanten Kirche.
Nach einer langen Pause besuchte der Hochgeweihte Bischof Mark die Sankt-Nikolaus Gemeinde in Düsseldorf am 22. Oktober/4. November. Am Ende der göttlichen Liturgie ehrte er den Vorsitzenden des Gemeinderates Dr. Konstantin von Karmasin mit eines Segensurkunde. Der Starosta war vor kurzem 80 Jahre alt geworden. Lange Jahre trug er auch die Aufgaben eines Chorleiters in der Hl. Nikolaus Gemeinde. Mit Bischof Mark zelebrierte der Vorsteher der Gemeinde, Vater Boœidar Patrnogic und Archidiakon Agapit. Der Chor sang unter der erfahrenen Leitung von Viktor Gerassimetz.
Am 5./18. November zelebrierte Bischof Mark in der deutschsprachigen Gemeinde des Hl. Demetrios von Saloniki in Köln unter Konzelebartion von Priester Boœidar und Diakon Nikolai Wiese. Während des auf die Liturgie folgendnen Empfangs konnte sich der Bischof in Gesprächen mit Gemeindemitgliedern über das Leben, die Sorgen und Nöte dieser kleinen Gemeinde informieren.
Auf der Rückreise von Köln leitete Bischof Mark am 19. November in Wiesbaden eine Sitzung des Diözesanrates. Bei dieser Gelegenheit konnten sich die Mitglieder des Diözesanrates vom Fortschritt der Renovierungsarbeiten an der Kirche und dem Gemeindehaus in Wiesbaden überzeugen.
Zum Fest des Hl. Erzengels Michael und aller körperlosen Kräfte besuchten zwei Geistliche der Gemeinde der Auslandskirche in Suzdal - Archimandrit Walentin (Rusanzov) und Abt Fjodor - München. Am Vortag des Festes trafen sie sich im Kloster des Hl. Hiob von Poçaev mit dem Höchstgeweihten Erzbischof Antonij von Genf und Westeuropa und Bischof Mark. Danach nahmen beide Geistliche am 7./20. und 8./21. November an den bischöflichen Gottesdiensten in der Kirche des Hl. Erzengels Michael inLudwigsfeld teil, wo außer ihnen Erzpriester Wadim Melniçukovskij und Priester Anastasij Drekopf zelebrierten. Bischof Mark übertrug Archimandrit Walentin nach einem kurzen Begrüßungswort die Predigt zum Feiertag. Außerdem sprach Vater Walentin während des Empfangs zu der versammelten Gesellschaft über die Ereignisse, die zur Aufnahme der Gemeinde in Suzdal' in die Freie russische Kirche führten.
Am 23. November weilte der Hochgeweihte Bischof Mark wieder in Hamburg, um eine Sitzung des Gemeinderates zu leiten.
Am 24. und 25. November zelebrierte er den abendlichen Gottesdienst und die Göttliche Liturgie in Hannover unter Konzelebration des Vorstehers der Christi-Geburt-Gemeinde, des Priester Seraphim Korff, und des Diakons Johannes Kaßberger aus Stuttgart. Während der Liturgie zeichnete der Bischof beim Kleinen Einzug Vater Seraphim mit dem Recht zum Tragen des Skuphia aus. Nach der Entlassung überreichte er Segensurkunden an das treue und vielseitig aktive Gemeindemitglied Dr. Irina Spak-Dolt und an die langjährige und aufopfernde Chorleiterin Frau Eichner. Beim Empfang nach der Liturgie sprach Bischof Mark zu den anwesenden Gemeindemitgliedern über neue Entwicklungen im Leben unserer Kirche und unterhielt sich mit einzelnen Gläubigen.
Vom 7. bis 9. Dezember hatte die russische Orthodoxe Gemeinde in Kopenhagen ihren Oberhirten zu Besuch. In der prachtvollen Kirche des Hl. Alexander Nevskij zelebrierten zum Fest des Hl. Innokentij von Irkutsk mit dem Hochgeweihten Bischof Mark der Priester Andrej Biron und die Priestermönche Benjamin Forbes (aus England) und Innokentij Venjaminov (aus St.-Petersburg). Am Ende der Göttlichen Liturgie wurde Fjodor S. Ladyœenskij und Elisabeth Møller mit Segensurkunden ausgezeich-net. Beide haben sich sehr aktiv um die Renovierung der Kirche bemüht, die seinerzeit von Kaiser Alexander II. aus Anlaß der Heirat mit der dänischen Prinzessin Dagmar, der späteren Kaiserin von Rußland Maria Feodorovna, erbaut.
Vom 11. bis 17. Dezember hielt sich Bischof Mark erneut zur Sitzung des Bischofssynods in New York auf.
Bote 1990-6
Zum 40. Todestag von Metropolit Serafim (Lade):
Wahrheit und Lüge
Am 1./14. September 1990 jährte sich der 40. Todestag von Metropolit Serafim (Lade). Metropolit Serafim war seit 1931 Vikarbischof der deutschen Diözese, von 1938 bis 1950 oblag ihm die Leitung der deutschen Diözese, seit 1942 im Rang eines Metropoliten. Er trug damit in den schweren Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft, im II. Weltkrieg und nach dem Zusammenbruch Hitlerdeutschlands die Hauptverantwortung für das Wohl der Diözese und ihrer Gemeinden.
Im Zusammenhang mit dem Tod des Metropoliten im September 1950 wurden in den letzten Jahren verschiedentlich unhaltbare Spekulationen in deutschen Publikationen geäußert, die jeglicher Grundlage entbehrten und einer Überprüfung nicht standhalten.
So behauptet die Ostberliner Historikerin K. Gaede über die letzten Lebensmonate von Metropolit Serafim, daß dieser sich angeblich dem Moskauer Patriarchat unterstellte, doch sei "die Aufnahme (des Metropoliten) ... nicht mehr wirksam geworden. Er starb an den Folgen eines auf ihn verübten Anschlages". Als Urheber dieser Informationen nennt Gaede Erzpriester Sergij Poloœenskij. Sie hat aber (wie bedauerlicherweise auch andere deutsche Ostkirchenkundler) diese ungeheuerliche Behauptung vermutlich ohne weitere Prüfung bei W. Günther abgeschrieben, der zwar Poloœenskij nur indirekt nennt, dafür aber in seinen Unterstellungen wesentlich weiter geht. So schreibt Günther: "In der Folgezeit wandte sich der Metropolit Seraphim insgeheim dem Moskauer Patriarchat zu. Im Jahre 1950 wurde er persönlich wieder in die Russisch-Ortho-doxe Kirche unter dem Moskauer Patriarchat aufgenommen, jedoch fiel noch keine Entscheidung über seine weitere Verwendung. Kurz darauf wurde auf ihn ein geheimnisvoller Überfall durch drei maskierte Täter in seiner Wohnung verübt. An den Folgen dieses Überfalls ist der Metropolit am 14. September 1950 gestorben. Für das Ende desselben Monats war eine Diözesanversammlung ... angesetzt."
Das Ziel dieser Sätze ist klar: nachdem der Metropolit sich dem Moskauer Patriarchat unterstellte, bestand die Gefahr, daß auf der bereits anberaumten Diözesanversammlung die Gemeinden dem Schritt ihres Bischofs folgen könnten, also blieb nur die Beseitigung des Metropoliten durch einen geheimnisvollen Überfall mit Todesfolge! Faktum war: zu dieser Zeit gab es noch etwa 150 Gemeinden und Geistliche der ROK in Westdeutschland, nur eine Gemeinde und ein Priester (!) unterstanden dem Moskauer Patriarchat, wenn man von West-Berlin absieht. Metropolit Serafim selbst ließ auch nicht den leisesten Verdacht aufkommen, sich Moskau anzuschließen, dies belegen eindeutig seine Korrespondenzen aus den Jahren 1945-1950 im Münchner Diözesanarchiv und dem New Yorker Synodalarchiv.
Günther, den man laut Urteil des Landgerichts Stuttgart einen "Verfechter der nationalsozialistischen Rassen- und Wirtschaftspolitik" nennen kann, fühlt sich seit seiner Unterstellung unter das Moskauer Patriarchat allerdings dazu berufen, die Auslandskirche der Kollaboration mit den Nazis zu bezichtigen! Doch wie das Zitat zeigt, schreckt dieser Autor auch vor weitergehenden Behauptungen nicht zurück, deren Lächerlichkeit deutlich wird, wenn man die letzten Wochen zwischen Überfall und dem Tod des Metropoliten erhellt.
Der Überfall auf den Metropoliten fand in der Nacht vom 26. auf 27. Juli (9. August 1950) statt, der Metropolit starb am 1./14. September 1950, also 5 Wochen später. Der wenige Wochen nach dem Überfall erfolgte Tod inspiriert Günther (nach Gaede auch Erzpriester Polozenskij!) zu ihrer ungeheuerlichen Unterstellung, daß zwischen dem Überfall und dem Tod des Metropoliten ein direkter Zusammenhang besteht. Beide behaupten, der Metropolit sei an den Folgen dieses Überfalls gestorben. Wäre dies der Fall, so müßte man annehmen, daß der Metropolit geschwächt von dem Überfall seine Amtsgeschäfte niedergelegt oder das Krankenlager gehütet hätte. Dies war aber nicht der Fall, sondern eher das Gegenteil!
Metropolit Serafim wollte am 27. Juli a.St. (Fest des Hl. Panteleimon) am Patronatsfest in der Kirche in Lüttensee (bei Mittenwald) zelebrieren. Da er bereits gegen 5.00 morgens am 27. Juli aufbrechen wollte, übernachteten in seinem Haus in München Solln außer ihm noch vier weitere Geistliche, die in Lüttensee konzelebrieren sollten. Gegen 2.00 früh wurden diese im Obergeschoß schlafenden Geistlichen durch Lärm aus dem Zimmer des Metropoliten geweckt, das sich im Erdgeschoß befand. Über die offene Terrassentür waren vier Männer ins Haus gedrungen, von denen zwei den Metropoliten festhielten, während die beiden anderen hastig das Zimmer durchwühlten. Als sie bemerkten, daß der Metropolit nicht allein im Hause war, ergriffen sie die Flucht und ließen auch die Wertgegenstände, die sie ergriffen hatten, zurück. Der Metropolit hatte keinerlei Verletzungen erlitten und war mit dem Schrecken davon gekommen!
Die sofort alarmierte Polizei traf wenig später ein und nahm ein Protokoll auf. Die Befragung dauerte bis gegen 5.00 morgens, dann verließ die Polizei erst das Haus. (Unterlagen und Protokolle liegen bei der zuständigen Staatsanwaltschaft I in München nicht mehr vor).
Trotz der Aufregung und Befragung bestand Metropolit Serafim aber darauf, sofort im Anschluß nach Lüttensee zu fahren. In Lüttensee zelebrierte Metropolit Serafim noch am gleichen Tag den bischöflichen Gottesdienst zusammen mit über 10 Geistlichen, die in Mittenwald, Garmisch und Lüttensee Gemeinden betreuten. Den Tag verbrachte er in der großen Lagergemeinde. Am folgenden Tag reiste er nach Mittenwald und zelebrierte in der dortigen Kirche. Über Garmisch-Partenkirchen, wo er ebenfalls die Gemeinde besuchte, kehrte er dann nach München zurück. Am 1. August (Fest Kreuz des Herrn) zelebrierte er in seiner Hauskirche in München Solln. Am 6. August (Fest Verklärung des Herrn) fand ein feierlicher Gottesdienst in der Kirche des Erzengels Michael im Lager München-Schleißheim statt. Die Michaels Kirche war die Hauptkirche des Lagers und zugleich Kathedralkirche der Diözese. Im Lager lebten ursprünglich 7000 Flüchtlinge, drei Bischöfe und etwa 15 Geistliche, es gab 3 Kirchen. Die Gottesdienste an Festtagen dauerten in der Regel bis zu 6 Stunden, da Hunderte von Gläubigen zur Kommunion gingen. Nach dem Gottesdienst verbrachte der Metropolit die Stunden bei den Gläubigen des Lagers.
In den Tagen zwischen diesen Feiertagen nahm der Metropolit alle Verpflichtungen der mit der Diözesanverwaltung verbundenen Aufgaben wahr, zahlreiche Akten und Schriftstücke, die seine Vermerke und Unterschrift tragen, belegen dies. Doch der angeblich an den Folgen des Überfalls verstorbene Metropolit reiste am 13. August nach Stuttgart, wo am 15. August (Fest Entschlafen der Gottesmutter) die wiederaufgebaute Kirche des Hl. Nikolaus geweiht werden sollte. Allein die Anreise mit dem Auto dauerte damals etwa 4 bis 5 Stunden, so daß Igumen Georg (Sokolov) später in seinen Erinnerungen nicht zu Unrecht von einer "bevorstehenden beschwerlichen Reise nach Stuttgart" spricht. Den Wiederaufbau der im Krieg völlig zerstörten Kirche hatte Metropolit Serafim seit 1946 mit besonderem Interesse verfolgt, so war diese Reise für ihn auch zugleich eine Krönung seiner langjährigen Bemühungen.
Nach Stuttgart reise Metropolit Serafim zusammen mit Bischof Aleksandr (Lovcij) und Igumen Georg. Am 14. August machten alle drei auf Einladung der Stadt einen Flug mit einem Freiluftballon über Stuttgart (!), sicher ein "Abenteuer", das auch für einen gesunden und jüngeren Menschen - wie den Metropoliten Serafim - nicht ohne Aufregung verlaufen sein würde. Eine Ballonreise wäre aber sicher nicht einem durch einen Überfall geschwächten 68-jährigem und dazu noch kränkelndem Mann zugemutet worden!
Den Abendgottesdienst am 14. August zelebrierte Metropolit Serafim allein. Die Liturgie und die Weihe der Kirche am folgenden Tag zelebrierte er zusammen mit Bischof Aleksandr. Seine Kräfte waren aber überfordert worden. An dem anschließenden gemeinsamen Essen mit der Gemeinde und den Gästen nahm er nicht teil. Die geplante Ansprache ließ er von Igumen Georg verlesen.
In München nahm Metropolit Serafim seine Amtsgeschäfte wie gewohnt wieder auf, doch verschlechterte sich sein Gesundheitszustand weiter. Am 28. August (Fest des Hl. Hiob von Poçaev) besuchte er zum Patronatsfest das Münchner Kloster, doch scheint er nicht zelebriert zu haben. Am 1. September 1950 verstarb er. Für seine engsten Mitarbeiter kam sein Tod dennoch überraschend, da er trotz seiner Schwäche und Krankheit bis zuletzt seine Pflichten immer voll wahrgenommen hatte.
Mindestens seit 1948 mußte man mit dem Ableben des Metropoliten rechnen. Die Belastung der Kriegsjahre mit ihren Millionen verschleppten Ostarbeitern, die Zwangsrepatriierung nach dem Kriege, die ca. 1 Million neuen Flüchtlinge, die in Westdeutschland Zuflucht gefunden hatten, darunter 16 Bischöfe und über 200 Priester waren für den Metropoliten, der unter schwierigsten Bedingungen seinen seelsorgerischen Pflichten entsprach, eine physische und seelische Belastung. Von 1945 bis 1949 wurden über 200 Gemeinden von diesen Flüchtlingen gegründet, die nun alle der deutschen Diözese und damit dem Metropoliten Serafim unterstanden. Unermüdlich reiste der Metropolit in diesen Jahren durch Deutschland, weihte Kirchen und besuchte seine Gemeinden. Er war von kleiner und schwächlicher Statur und seit Jahren krank.
Im Januar 1948 wollte er zur Weihe der neuen Kirche und des Altenheims nach Regensburg fahren. Doch er erlitt kurz vor der Abreise einen Schwächeanfall. Der herbeigerufene Arzt verbot nicht nur die Reise, sondern teilte seine Besorgnis über den angegriffenen Gesundheitszustand des Metropoliten Archimandrit Germogen (Kivacuk) mit. Der Arzt war der Auffassung, daß an eine Reise nach Regensburg "überhaupt nicht zu denken sei". Der Metropolit war anderer Ansicht und sagte nur ungehalten "Krank!" Schon 20 Minuten später sagte er zu den anwesenden Geistlichen: "Nun Väter, beeilt euch, wir reisen! Die Leute warten. Ob ich auf dieser oder einer anderen Reise sterbe, in München wird man es schon erfahren!" "Man muß seinen Verpflichtungen nachkommen, man muß seine Aufgaben erfüllen", waren seine häufigsten Worte, die seine Umgebung in den letzten Jahren seines Lebens immer wieder zu hören bekam.
Der Metropolit scheint zumindest seit diesem Vorfall im Januar 1948 ernsthaft mit seinem Tod gerechnet zu haben. Hierfür spricht auch die Tatsache, daß er im Mai 1948 sein Testament verfaßte, in dem eine genaue Aufstellung seines Nachlasses enthalten ist. Sein persönlicher Nachlaß sollte an seine langjährige Haushälterin fallen. Das kirchliche Vermögen fiel an die Diözese.
Metropolit Serafim wurde zunächst auf dem Sollner Friedhof bestattet. Hier wurde über seinem Grab im August 1951 ein Denkmal, das von drei kleinen Zwiebelkuppeln mit Kreuzen geziert war, eingeweiht und eine Panichida zelebriert, an der die Erzbischöfe Benedikt und Filofej, Bischof Alexandr, 5 Erzpriester und 4 Priester und 2 Diakone teilnahmen. Im Jahre 1980 wurden dann die sterblichen Überreste des Metropoliten auf den russischen Friedhof nach Wiesbaden überführt. Auch das Denkmal wurde nach Wiesbaden verlegt.
Außer diesem konstruierten "mysteriösen" Ende des Metropoliten wissen die Gegner unserer Kirche von weiteren, nur ihnen bekannten "Fakten" zu berichten. So soll der Metropolit angeblich nach 1945 nicht mehr Mitglied des Bischofsynods gewesen sein. Auch dies ist eine leicht widerlegbare Verleumdung, da er an allen Sitzungen bis 1950 teilnahm, die in München stattfanden. Nur während der Genfer Zeit (September 1945 bis März 1946) nahm er nicht teil (vgl. hierzu: Seide: Verantwortung in der Diaspora. Die ROK im Ausland. München 1989, S. 155 ff). Alle diese Verleumdungskampagnen verfolgen ein Ziel: die Auslandskirche soll insgesamt, ihre Hierarchen und Priester diskriminiert, ja kriminalisiert werden, wie der o.g. Fall des Todes des Metropoliten Serafim deutlich macht. Bedauerlich bleibt aber, daß auch deutsche Wissenschaftler solche unbeweisbaren Behauptungen aufgreifen und kolportieren. Damit erreichen sie allerdings nur ein Ziel, sie disqualifizieren vor allem sich selbst und ihre "wissenschaftliche" Reputation!
Der Lebensweg des Metropoliten Serafim
Karl Georg Albert Lade wurde 1883 in Leipzig in einer protestantischen Familie geboren. In Dresden besucht er die Schule. Durch die Teilnahme an einem Gottesdienst in der russischen Kirche in Dresden wird sein Interesse an der Orthodoxie geweckt. Er beschäftigt sich intensiv mit der Tradition und Lehre der orthodoxen Kirche und entschließt sich zum Übertritt. Im Jahre 1904 wird er in der Dresdner russischen Botschaftskirche in die Orthodoxie mit dem Namen Serafim aufgenommen. Noch im gleichen Jahr nimmt er sein Studium am Geistlichen Seminar in St. Petersburg auf. Er beendet das Seminar im Jahre 1907. Die Weihe zum Diakon und Priester erfolgt im Jahre 1907 durch Erzbischof Antonij (Chrapovickij, das spätere Oberhaupt der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland). Vladyka Antonij war zu dieser Zeit Bischof von Volhynien. Er wird zum Geistlichen an der Christi Verklärungskirche in Novograd (Volhynien) ernannt. Zusätzlich wird ihm der Deutschunterricht an der Diözesanschule und am städtischen Gymnasium übertragen.
Im Jahre 1906 heiratete Serafim die Tochter eines russischen Geistlichen. Aus der Ehe ging ein Sohn hervor.
Nach 5-jähriger Tätigkeit als Seelsorger und Lehrer in Novograd setzt er im Jahre 1912 auf Vorschlag von Erzbischof Antonij seine theologischen Studien an der Moskauer Geistlichen Akademie fort. Die Akademie beendet er im Jahre 1916 mit dem Grad eines Kandidaten der Theologie (Dr. theol.). Während der Sommerferien im Jahre 1914 wird Vater Serafim auf Vorschlag von Metropolit Veniamin von Petersburg (der Hl. Neomärtyrer Veniamin) mit der Seelsorge an der russischen Kirche in Bad Homburg betraut. Der Kriegsausbruch im Sommer 1914 beendet diese Tätigkeit aber nach kurzer Zeit, Serafim kehrt nach Rußland zurück. Der Kontakt zu Erzbischof Antonij war auch während der Studien in Moskau nie abgerissen. Im Jahre 1916 berief Vladyka Antonij, der seit 1914 Erzbischof von Charkov war, Vater Serafim an die Hl. Geist Kirche nach Charkov. Wie schon in Novograd wird Serafim auch hier in Charkov wieder eine Lehrtätigkeit übertragen: am städtischen Gymnasium erteilt er Religionsunterricht, am Geistlichen Seminar Deutschunterricht. Im Herbst 1918 wird er zusätzlich zum Lektor für deutsche Sprache und Literatur am Lehrerseminar in Charkov ernannt.
Im Jahre 1919 wird die Familie beim Nahen der Roten Truppen aus Charkov evakuiert. Mit den Weißen Truppen kommt sie bist Rostov, hier muß Vater Serafim seine Frau und seinen Sohn, die an Typhus erkrankt sind, zurücklassen, während er als Feldgeistlicher mit der Weißen Armee weiterzieht. Seine Einheit wird von den Roten im Sommer 1920 überrannt. Er kehrt nach Rostov zurück, um sich nach dem Schicksal seiner Frau und seines Sohnes zu erkundigen: Beide sind an Typhus gestorben und an unbekanntem Ort beigesetzt worden. Dieser Schicksalsschlag läßt in ihm den Wunsch reifen, dem Mönchtsstand beizutreten. Der Wunsch kann aber zunächst nicht realisiert werden: der Kampf der neuen Machthaber gegen die Kirche, sowie kirchliche Schismen machen die Aufrechterhaltung eines geordneten Kirchenlebens unmöglich.
Im Jahre 1920, nach dem Tod seiner Frau, wird Vater Serafim zum Hauptgeistlichen an der Kathedrale zum Schutz der Gottesmutter in Cuguev ernannt. Zwei Jahre später, im Jahre 1922, wird er zum Erzpriester an der Charkover Kathedrale zum Entschlafen der Gottesmutter ernannt. Im Jahre 1924 legt er die Mönchsgelübde ab und wird kurz darauf zum Archimandriten ernannt, woraufhin seine Weihe zum Bischof von Zmiev (1924) erfolgt. Die Weihe nahm Metropolit Pimen (Pegov) vor. Bischof Serafim wird Stellvertretender Vorsitzender des Charkover Diözesanrates und Vorsteher des Klosters zum Schutz der Gottesmutter in Charkov. Im Jahre 1925 übernimmt er die Leitung des Wissenschaftskomitees der Diözese und die Leitung des Komitees zum Kampf gegen den Unglauben in der Ukraine.
Seit 1924 unterstand Vater Serafim der schismatischen Ukrainischen Kirche, die sich von der Russischen Orthodoxen Kirche unter der Leitung des Patriarchen Tichon getrennt hatte. Seine Zugehörigkeit zu der schismatischen Ukrainischen Kirche in den Jahren 1924 bis 1930 wurde ihm später vielfach persönlich angelastet.
Man sollte aber die Gesamtsituation in der Ukraine seit 1922 nicht aus der Betrachtung ausschließen, wenn man sich mit dieser Problematik befaßt. In der Ukraine war die patriarchatstreue Tichonkirche seit 1922/23 praktisch vernichtet worden. Es gab kaum noch Gemeinden, auch die noch geöffneten Klöster unterstanden fast alle der Ukrainischen Kirche. Außer den Gemeinden der Ukrainischen Kirche gab es fast ebenso viele Gemeinden der sowjettreuen Erneuererkirche. Beide Kirchen trugen zur Zerstörung und Vernichtung der tichontreuen Kirche bei, doch unterschieden sich ihre Mittel im Kampf wesentlich. Die Ukrainische Kirche war aus nationalistischen Bestrebungen (staatliche und kirchliche Unabhängigkeit von Moskau) entstanden, sie wollte die Tradition und Lehre der Kirche aber grundsätzlich fortführen. Die Erneuerer nahmen die Vernichtung der alten Kirche bewußt in Kauf, indem sie die kirchliche Lehre und Tradition abschafften und an ihre Stelle "Reformen" einführten, die im Gegensatz zur kirchlichen Lehre standen. So erschien die Ukrainische Kirche auch vielen Bischöfen, Geistlichen, Mönchen und Nonnen als Möglichkeit zum Überleben im Rahmen der alten kirchlichen Traditionen. Die Ukrainische Kirche wurde nur in ihrer Anfangsphase von den Sowjets toleriert, da sie durch ihre Trennung von der Russischen Kirche grundsätzlich die Position des Patriarchen und der zentralen Moskauer Kirchenleitung schwächte. Als die Sowjets aber erkannten, daß die Ukrainische Kirche - im Gegensatz zu den Erneuerern - nicht als Werkzeug mißbraucht werden konnte, wurde ihre Liquidierung mit staatlicher Hilfe Ende der 20er Jahre durchgeführt. Dieses Vorgehen der Kommunisten zeigt deutlich, daß die Machthaber in der Ukrainischen Kirche weiterhin eine Stütze der Religion sahen.
Bei der Aufnahme von Bischof Serafim durch den Bischofsynod im Jahre 1930 wurden daher folgende Punkte berücksichtigt: seine Weihe durch Metropolit Pimen (Pegov) stammte von einem Bischof mit apostolischer Sukzession. Metropolit Pimen war bereits im Jahre 1911 zum Bischof geweiht worden und besaß somit im Gegensatz zu vielen "autokephalen ukrainischen Bischöfen" (sog "Selbstgeweihte", da an der Bischofsweihe kein Bischof mit apostolischer Sukzession beteiligt war) auch im kirchenrechtlichen Sinne vollgültige Weihen. Pimen wurde 1921 von Patriarch Tichon zum Erzbischof ernannt, trennte sich dann aber 1923 vom Patriarchen und wurde zum Metropoliten der Ukrainischen Kirche. Aufgrund seines hohen Ansehens folgten ihm vier von sechs Bischöfen der tichontreuen Kirche. Im Jahre 1935 wurde er wieder in die Patriarchatskirche aufgenommen, er starb 1942. Metropolit Pimen gilt als Vertreter einer konservativen Linie innerhalb der Ukrainischen Kirche und bekämpfte die Erneuerer, deren "Reformen" er in seiner Diözese nicht zuließ. Er entfernte mehrere Bischöfe und zahlreiche Priester aus dem Kirchendienst der Ukrainischen Kirche, die sich den Reformen der Erneuerer zugänglich zeigten (z.B. verheiratete Bischöfe, selbstgeweihte Bischöfe, Priester, die in Zweitehe lebten, bzw. keine kanonischen Weihen hatten usw). Das scharfe Vorgehen von Metropolit Pimen gegen die sowjettreuen Kirchen der Erneuerer und der Lebendigen Kirche wird durch viele Zeugen und Dokumente belegt, aber schließlich auch durch seine Verhaftung. Auch Bischof Serafim selbst hatte als Vorsitzender der beiden erwähnten Komitees eine exponierte Stellung im Kampf gegen die Erneuerer, zusätzlich aber auch im Kampf gegen die neuen atheistischen Lehren. Seine aktive Tätigkeit in diesen Kommissionen und sein Eintreten für die wahren Lehren der Orthodoxie wurden bei seiner späteren Aufnahme ebenfalls positiv bewertet. Sicher hat auch seine Bekanntschaft zum Metropoliten Antonij aus den Jahren vor der Revolution eine Rolle bei der Aufnahme gespielt, da Vladyka Antonij wußte, daß Bischof Serafim in den Jahren ihrer persönlichen Bekanntschaft immer die Positionen der orthodoxen Lehre vertreten hatte. Viele Jahre später, nach der Befreiung Kievs, äußerte sich der hochangesehene Starez des Kiever Höhlenklosters, Schi-Erzbischof Antonij, positiv über Bischof Serafim, als dessen Ernennung zum Metropoliten von Berlin und Deutschland in Kiev bekannt wurde. Der spätere Leiter der Russischen Geistlichen Mission in Jerusalem, Archimandrit Dimitrij (Biakaj), bezeugt in seinen Aufzeichnungen, daß für seinen Starez aus dem Kiever Höhlenkloster nie ein Zweifel an der "kanonisch gültigen Bischofsweihe" von Bischof Serafim bestanden habe.
Bischof Serafim läßt sich im Jahre 1930 aufgrund seiner deutschen Abstammung von den Sowjets ausbürgern und geht nach Deutschland. Vom Bischofsynod der Auslandskirche wird er im August 1930 zunächst provisorisch mit der Maßgabe aufgenommen, daß über die endgültige Aufnahme das Bischofskonzil entscheiden müsse. Außerdem wird bestimmt, daß er wegen seiner Zugehörigkeit zur Ukrainischen Kirche vor dem Bischofskonzil ein Reuebekenntnis ablegen müsse. Gemäß den Kanones wurde er in einen niederen Rang zurückversetzt. In seinem Fall: ihm wurde der Titel "Bischof von Tegel", wenig später dann "Bischof von Potsdam" zuerkannt, doch hatte er keine bischöflichen Rechte, sondern nur die Rechte eines Erzpriesters und Hauptgeistlichen an seiner Kirche in Tegel, bzw. Potsdam. Erst nach der endgültigen Aufnahme durch das Bischofskonzil im August 1931 wird ihm der Titel "Bischof von Wien" und die Rechte eines Vikar-bischofs der westeuropäischen Diözese zuge-standen.
Bischof Serafim blieb bis 1937 in Wien, dann wurde er zunächst zum Verwalter, im Jahre 1938 zum Bischof der deutschen Diözese ernannt mit dem Titel "Bischof von Berlin und Deutschland". Im Jahre 1939 wurde ihm der Titel Erzbischof, im Jahre 1942 der Rang eines Metropoliten verliehen.
Nach einer Berufung auf die Kathedra von Berlin und Deutschland bemühte er sich vor allem um einen Ausgleich mit den ehemaligen Gemeinden des Metropoliten Evlogij. Mit Evlogijs Vikarbischof, Bischof Sergij von Prag, schloß er eine Übereinkunft, in der den evlogianischen Gemeinden weitgehende Autonomie in Angelegenheiten der inneren Verwaltung zugestanden wurde.
Nach dem Anschluß und der Unterwerfung Österreichs, des Reichsprotektorats Böhmen und Mähren, Westpreußens, der Slowakei, Belgiens und Luxemburgs gehörten zum mitteleuropäischen Metropolitankreis 78 Gemeinden und das Hiob Kloster in Ladomirova. Mit den nationalen orthodoxen Kirchen in Polen und Böhmen bemühte er sich um einen Ausgleich unter der Respektierung ihrer Unab-hängigkeit. Nach Ausbruch des Krieges mit der Sowjetunion, als Hunderttausende von Ostarbeitern ins Reich verschleppt wurden und sowjetische Kriegsgefangene nach Deutschland kamen, bemühte sich Metropolit Serafim bei den deutschen Behörden um eine Erlaubnis zur seelsorgerischen Betreuung die-ser Menschen durch seine Geistlichkeit. In Fällen, wo dies gelang, hing dies meist vom Wohlwollen der deutschen Behörden und Lagerleitungen ab, eine generelle Erlaubnis wurde nicht erteilt. Bei dem Wiederaufbau des zerstörten kirchlichen Lebens im von deutschen Truppen besetzten Teil der Sowjetunion half der Metropolit auf jede denkbare Art. Er setzte seinen Einfluß auch bei den mit Deutschland alliierten Ländern und deren orthodoxen Kirchen (Rumänien und Bulgarien) ein, damit diese ihren Glaubensbrüdern in der Sowjetunion Hilfe zukommen ließen. Doch wurden diese Aktivitäten von den nationalsozialistischen Machthabern nicht nur mit Argwohn verfolgt, sondern auf alle mögliche Weise behindert. Aus seinem Rechenschaftsbericht auf der deutschen Diözesanversammlung (vgl. Bote 3-4/1986, S.14-19) vom Jahre 1946 und Briefen aus den Kriegsjahren wissen wir, daß viele seiner Aktivitäten einen halblegalen Charakter hatten und er mehrmals von der Gestapo verwarnt worden ist. Nach dem Krieg fiel ihm dann die schwere Aufgabe der Reorganisation der deutschen Diözese zu, der nun plötzlich über 200 Gemeinden, ein Dutzend Bischöfe, 250 Priester und fast eine Million Gläubige angehörten. Sein unermüdliches Wirken und sein persönlicher Einsatz in diesen Jahren trugen ihm bei seinen Gläubigen wie bei seinen Geistlichen hohes Ansehen und Beliebtheit ein.
Quellennachweis: Diözesanarchiv München: Perepiska 1950-1956. - Synodalarchiv New York: File Serafim (Lade); Cerkovnyja Vedomosti (1951) H. 10-11: (1955) H. 7-9 und 10-12; (1956) H. 3-4.
Bote 1990-6
Kirchen unserer Diözese - Hamburg
Kathedrale zu Ehren des Hl. Prokopius
Kirche des Hl. Nikolaus
In Hamburg gibt es zwei russische Kirchen: seit dem Jahre 1901 gibt es in Harvestehude eine kleine Hauskirche, die dem Hl. Nikolaus geweiht ist, und in Stellingen seit Mitte der 60er Jahre die Kathedralkirche zu Ehren des Hl. Prokopius.
Bedingt durch die Handelsbeziehungen und seinen Hafen gab es in der Hansestadt Hamburg schon seit dem 18. Jh. eine orthodoxe Gemeinde, zu der hauptsächlich Griechen gehörten. Orthodoxe Russen kamen vor allem als Händler und Schiffsbesatzungen nach Hamburg. Seit Ende des 19. Jh. spielte Hamburg dann für die Russen eine wichtige Rolle als "Umsteigehafen" zur Weiterreise nach Amerika. Einer dieser durchreisenden Gäste war im Jahre 1904 Bischof Tichon, der spätere Patriarch. Er blieb bei seiner Rückkehr aus den USA einige Tage in der Hansestadt. Um diesen Gläubigen die Möglichkeit zum Besuch orthodoxer Gottesdienste zu geben, reifte Ende des 19. Jh. der Plan, in Hamburg eine orthodoxe Kirche zu bauen.
Die Initiative hierzu ging von dem Propst der kaiserlich russischen Gesandtschaftskirche in Berlin, Alexij Petrowitsch Malzew aus. Er war als Priester im Jahre 1881 nach Berlin gekommen und wurde im Jahre 1886 zum Propst der Botschaftskirche ernannt. In dieser Eigenschaft unterstanden ihm alle orthodoxen Priester und Gläubigen - also auch die Bulgaren, Rumänen, Griechen, Serben und anderen Nationalitäten - in Deutschland.
Nach den Vorstellungen von Propst Maltzew sollte aus Spenden, die in Rußland gesammelt wurden, Grundbesitz angekauft werden, um Kirchen, Wohnungen für Priester, Wohn- und Altenheime, ja sogar ein russisches Sanatorium in Deutschland zu errichten. Man darf nicht vergessen, daß jährlich bis zu 20.000 russische Kurgäste die deutschen Bäder aufsuchten. Die Verwaltung dieses Eigentums sollte der von Maltzew gegründete "Wohltätigkeitsverein zu Ehren des Hl. Apostelgleichen Fürsten Vladimir" ("Bratstvo" zu deutsch "Bruderschaft") übernehmen. Im Jahre 1901 erwarb der Wohltätigkeitsverein in Hamburg Harvestehude, Böhmersweg 4 ein 2-stöckiges Doppelhaus mit mehreren Wohnungen. In der obersten Etage wurde eine Kirche zu Ehren des Hl. Nikolaus des Wundertäters eingerichtet. Die Kirche war dem Hl. Nikolaus geweiht worden aus Dankbarkeit und zur Erinnerung an die Genesung des schwer erkrankten russischen Zaren, Nikolaus II.
Für alle russischen Emigranten, die später in Deutschland Zuflucht fanden, besitzt diese kleine Kirche heute eine besondere Bedeutung, da der Hl. Neomärtyrer-Patriarch Tichon als Bischof in dieser Kirche am 2. Januar 1904 eine Göttliche Liturgie zelebriert hatte.
Die Kirche am Böhmersweg bot Platz für etwa 30 Gläubige und genügte den Bedürfnissen der kleinen russischen Kolonie in Hamburg vor dem 1. Weltkrieg.
Durch die Flüchtlinge, die seit 1920 auch nach Hamburg strömten, wuchs die russische Gemeinde in Hamburg auf etwa 300 Personen an. Die kleine Nikolaus-Kirche bot natürlich nicht genügend Platz für die vielen Gläubigen, doch sie blieb bis zum Ende des II. Weltkrieges die einzige russische Kirche der Hansestadt.
Die Kirche war nach Ausbruch des I. Weltkrieges geschlossen worden und wie der übrige russische Kirchenbesitz in Deutschland vom Botschafter Spaniens treuhänderisch verwaltet worden. Im Jahre 1921 wurde die Kirche am Böhmersweg der Nachfolgeorganisation der "Bratstvo" wieder zurückgegeben. Aus einem Bericht im Hamburger "Fremdenblatt" vom Jahre 1926 geht hervor, daß viele Gottesdienstbesucher im Treppenhaus stehen mußten, um an der Liturgie teilzunehmen, da der Kirchenraum die vielen Gläubigen nicht fassen konnte. So plante man die Erweiterung der Kirche durch Zusammenlegung mit dem benachbarten Wohnraum, um dieser Enge ein Ende zu bereiten.
Aus der weiteren Notiz im Hamburger Fremdenblatt vom 17.12.1929 erfährt man, daß hieraus nichts geworden war, da der Eigentümer, die "Vladimir-Bruderschaft", diesen Plänen ihre Zustimmung verweigert hatte. Auch die erhoffte Gründung einer russischen Bibliothek, einer Priesterwohnung und einer kleinen Schule in dem Anwesen scheiterten am Widerstand der "Bratstvo".
Gottesdienste fanden seit der Wiedereröffnung der Kirche zunächst nur unregelmäßig statt. Seit 1925/26 konnten dann wieder regelmäßig Gottesdienste gefeiert werden, da wieder ein Priester in Hamburg lebte. Die Betreuung der Gemeinde lag bis 1938 bei Erzpriester Nikolaj Ordovskij-Tanaevskij, sein Nachfolger wurde bis 1942 Priester Evgenij Nosin, ihm folgten die Priester Pavel Savickij (1942/43) und Ioann Malizenovskij (seit 1943).
Bis Kriegsende blieb die Kirche am Böhmersweg die einzige russische Kirche der Hansestadt. Es gab zwar noch eine weitere russische Kirche in dem "Ostarbeiter-Lager" in Hamburg-Wentorf, doch durfte diese nur von den Lagerbewohnern besucht werden. Nach Kriegsende bestand diese Kirche zunächst noch weiter, da das Lager nun als Transitlager für Flüchtlinge aus der Sowjetunion und DP (Displaced Persons) genutzt wurde. Diese Kirche bestand bis 1954 (?) und wurde dann geschlossen, da das Lager aufgelöst wurde.
Die russische Gemeinde nach dem II. Weltkrieg
Die genaue Zahl der russischen Flüchtlinge im Raum Hamburg nach dem II. Weltkrieg läßt sich nicht mehr ermitteln. Sie dürfte aber bei ca. 10.000 Personen gelegen haben. Allein im Lager Fischbek lebten etwa 3.000 Flüchtlinge. Die geistliche Leitung des Lagers lag bei Archimandrit Vitalij (Ustinov, seit 1986 Metropolit und Oberhaupt der Auslandskirche).
Um die religiösen Bedürfnisse dieser vielen Flüchtlinge zu befriedigen, wurde der Gemeinde von der britischen Militärverwaltung am Harvestehuder Weg 27c ein Haus mit angebauter Baracke zur Verfügung gestellt. In der geräumigen Baracke wurde die Kirche zu Ehren des Hl. Prokopius von Ustjug gegründet, in dem angrenzenden Haus wurde der Sitz und die Administration der russischen Gemeinde der britischen Zone untergebracht. Damit wurde die Hamburger Kirche zum kirchlichen Zentrum aller russischen Gemeinden in Norddeutschland. Im Jahre 1953 übersiedelte Erzbischof Filofej (Narko, gest. 1986) nach Hamburg. Als Sitz des Bischofs wurde damit die Kirche Kathedralkirche.
Im Oktober 1946 gab es Pläne der Verlegung der Diözesanverwaltung in das Haus am Böhmersweg. Der Synod München faßte einen Beschluß, demzufolge bei der britischen Militärverwaltung ein Antrag gestellt werden sollte, das Haus der "Bratstvo" am Böhmersweg auf dem Wege der Beschlagnahme räumen zu lassen. In dem Anwesen lebten seit dem Krieg zwei deutsche Familien, die nach dem Verlust ihrer Wohnungen in das Haus einquartiert worden waren. Außerdem waren am Böhmersweg noch zwei Priester notdürftig untergebracht, denen aber nur 8 qm große Räume zur Verfügung standen. Man hoffte, nach der Räumung des Hauses die Diözesanverwaltung in einer Wohnung unterbringen zu können und die übrigen Räume für den Bischof und Geistliche nutzen zu können. Auf diese Weise hätten dann in der Kirche wieder täglich Gottesdienste gefeiert werden können. Der Vorschlag der Nutzung des Anwesens am Böhmersweg für die Diözesanverwaltung ging vom Bevollmächtigten der "Bratstvo", D. Starlotcanov, aus, der der Ansicht war, daß die Baracke am Harvestehuder Weg keine repräsentative Residenz des Bischofs auf Dauer sein könne. Die Verwirklichung scheiterte dann aber, da kein Ersatzwohnraum für die ausgebombten Familien gefunden wurde.
Die Leitung der russischen Gemeinden der britischen Zone lag nach Kriegsende zunächst bei Archimandrit Nathanael (L'vov, zuletzt Erzbischof von Wien und Österreich, gest. 1986). Sein Nachfolger wurde im Jahre 1946 Igumen Vitalij (Ustinov, seit 1986 Metropolit und Oberhaupt der Auslandskirche). Ihm folgte 1948 Bischof Afanasij (Martos, zuletzt Erzbischof von Buenos Aires und Argentinien, gest. 1985). Von 1953 bis 1982 lag die Leitung dann bei Erzbischof Filofej, der von 1971 bis 1982 Oberhaupt der deutschen Diözese war und den Titel Bischof von Berlin und Deutschland trug. Er stand der Hamburger Gemeinde bis zu seinem Ruhestand im Jahre 1982 vor. Vladyka Filofej - wie er von seinen Gläubigen genannt wurde - hat das Bild der russischen Gemeinde in Hamburg, aber darüber hinaus der Russischen Exilkirche in Deutschland stark geprägt. Unermüdlich besuchte er die Gemeinden seines Vikariats, zu dem die Bundesländer Schleswig-Hol-stein, Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen gehörten. Zwar befand sich sein offizieller Wohnsitz seit 1965 in Hamburg-Stellingen, doch wie Vladyka selber oft schmunzelnd sagte war sein eigentlicher Wohnsitz die Deutsche Bundesbahn, da er ständig auf Visitationsreise war. Für "seine intensiven Bemühungen um die Zusammenarbeit unter den christlichen Kirchen" wurde ihm vom Bundespräsidenten im Jahre 1981 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse überreicht. Das Verständnis für orthodoxe Spiritualität und Theologie, das Erzbischof Filofej bei den römisch-katholischen und den evangelischen Christen und Kirchen hervorgerufen hat, wird wohl am besten dadurch dokumentiert, daß Vertreter dieser beiden Kirchen ihn als "ökumenischen Brückenbauer" würdigten.
Zur Gemeinde in Hamburg gehörten nach dem Kriege etwa 2.000 Gläubige, von denen ca. 600 als Gemeindemitglieder registriert waren. Man muß hier auf die besondere Situation der Russischen Kirche hinweisen: da die Kirche keine Steuern oder festen Beiträge von ihren Gläubigen erhebt, ist sie auf Mitgliedsbeiträge und Spenden angewiesen. So war die Registrierung von Gemeindemitgliedern sehr wichtig, doch bedeutete dies auch eine finanzielle Verpflichtung der Mitglieder. Zu dieser waren aber viele Flüchtlinge, die selbst von materieller Unterstützung leben mußten, nicht im Stande. So waren nur etwa 20% bis 40% der Kirchenbesucher in der Regel in den ersten Nachkriegsjahren als Gemeindemitglieder registriert. Später - als es den Gläubigen dann materiell besser ging - unterblieb die Registrierung auch vielfach aus "Bequemlichkeit" oder "Tradition". So muß man bis heute zwischen registrierten Mitgliedern und Gläubigen unterscheiden. Dies erklärt z.T. die oft widersprüchlichen und sehr voneinander abweichenden Zahlenangaben zu den russischen Gemeinden, da je nach Betrachtungsweise ganz unterschiedliche Zählweisen zugrundegelegt werden.
Zum norddeutschen Vikariat gehörten zunächst etwa 30 Gemeinden, die zum größten Teil in den Flüchtlingslagern außerhalb der großen Städte lagen. Im Jahre 1948 gab es 17 Kirchen im Vikariat. Die Gläubigen wurden von 24 Erzpriestern und Priestern und 5 Diakonen betreut. Gemeinden mit eigenen Kirchen gab es in Hamburg, Schleswig, Lübeck, Lebenstedt-Braunschweig, Göttingen, außerdem gab es Lager mit eigenen Kirchen in Fischbek, Wentorf, Bremen, "Colorado und Ohio" bei Kassel, Wattenscheid, Greven, Paderborn, Lahde, Seedorf und Salzgitter. Die Kirchen befanden sich sowohl in angemieteten Räumen, in Baracken, wie auch in evangelischen und katholischen Kirchen, die den orthodoxen Gemeinden überlassen wurden. Doch gab es auch zahlreiche Gemeinden, die über keinen Kirchenraum verfügten, so z.B. die Gemeinden in Eutin, Kiel und Neustadt, zu denen zwischen 100 und 250 Gläubige gehörten.
Das kirchliche Leben dieser Jahre war sehr intensiv. Nach Schätzungen der Geistlichen gingen etwa 80% der Gläubigen an großen Feiertagen zur Kommunion. In einer zeitgenössischen Schilderung vom Jahre 1946 hieß es z.B. "Zahlreiche orthodoxe Kirchen, die von den Flüchtlingen eingerichtet wurden, stellen heute Zentren des geistlichen Lebens von hohem Niveau dar. Nach den durchlebten Schrecknissen des Krieges, dem Verlust von Verwandten und Freunden, nach langen Monaten der Unruhe und der Unsicherheit über die Zukunft, sind orthodoxe Gläubige um ihre Kirchen vereint. Auch in den Kirchen, die schon früher auf dem Territorium Deutschlands bestanden, ist das kirchliche Leben wieder aufgeblüht."
Sowohl das in München lebende Oberhaupt der Auslandskirche, Metropolit Anastasij, wie auch der Leiter der deutschen Diözese, Metropolit Serafim, kamen regelmäßig zu Visitationsreisen. Sie brachten meist die Wundertätige Ikone der Gottesmutter von Kursk ("Korennaja"), die Schutzpatronin der Auslandskirche mit. Die bei diesen Anlässen zelebrierten Gottesdienste dauerten dann 5 bis 6 Stunden. Zusammen mit den Bischöfen zelebrierten ein Dutzend Geistliche, es sangen Chöre, denen 20 und mehr Sänger angehörten. Zur Beichte und Kommunion gingen bei diesen Gelegenheiten bis zu 800 Personen.
Aufgrund der massenweisen Auswanderung der Flüchtlinge nach Übersee verlor die Hamburger Gemeinde viele ihrer Mitglieder. Im April 1950 waren noch 453 Personen registriert, von denen aber noch die Hälfte nach Amerika und Australien auswandern wollte. Erzpriester Platon Zakidalskij schätzte die Zahl der Gläubigen, die zu dieser Zeit in Hamburg lebten und die Kirche besuchten, auf 700 bis 800 Personen. Er meinte, daß man künftig von 300 bis 400 Gemeindemitgliedern ausgehen könne, verwies aber gleichzeitig darauf, daß von Hamburg aus viele Gemeinden und Gläubige in Schleswig-Holstein und Niedersachsen mitbetreut werden müßten, die nur gelegentlich die Gottesdienste in der Hamburger Kirche besuchen könnten.
Die Betreuung der verstreut liegenden Gemeinden geht aus den Jahresberichten der Geistlichkeit hervor: Vater Ambrosius Backhaus zelebrierte z.B. im Jahre 1960 41 Gottesdienste in Lübeck, 8 in Neustadt, 1 in Eutin, 12 in Rendsburg, 7 in Flensburg und 2 in Kiel. Erzbischof Filofej schreibt in seinem Jahresbericht: "Im vorigen Jahr habe ich verschiedene Gottesdienste abgehalten: in Köln, Düsseldorf, Dortmund, Bremen, Oldenburg, Kiel, Lübeck, Schleswig, Osnabrück, Göttingen, Lebenstedt, Hannover, Norden, Aachen, sowie in vielen kleineren Ortschaften und Siedlungen, kleinen Gruppen und für Gläubige im ganzen Vikariatsbereich. An den übrigen Feiertagen zelebrierte ich in Hamburg. Bei vielen Tagungen, an denen ich teilnahm, zelebrierte ich orthodoxe Gottesdienste.
Nachfolger von Vater Platon Zakidalskij wurde Erzpriester Pavel Savickij, der bis April 1953 Hauptgeistlicher in Hamburg blieb, dann übernahm die Leitung Erzbischof Filofej, der die Gemeinde bis zum Jahre 1980 betreute und dann aus Krankheits- und Altersgründen zurücktrat. Seitdem ist Priester Benedikt Lohmann Hauptgeistlicher der Kirche.
Der Neubau der Kathedralkirche
des Hl. Prokopius in Hamburg-Stellingen
Die "Barackenkirche" am Harvestehuderweg 27 war von Anfang an ein Provisorium gewesen. Doch konnte dieses "Provisorium" immerhin 15 Jahre als Gemeindekirche genutzt werden. Dann mußte die Kirche geräumt werden, da die Stadt auf dem Grundstück ein Gymnasium bauen wollte. Zunächst zog die Gemeinde in die Kieler Str. 602 um, wo bis zur Fertigstellung des geplanten Neubaus in Hamburg Stellingen nun vier Jahre lang die Gottesdienste zelebriert wurden.
Im Dezember 1961 fand die Grundsteinlegung zur neuen Kirche in der Hagenbeckstr. 10 statt. Unter großer Beteiligung von Gläubigen aus dem ganzen Vikariat nahmen an dieser Grundsteinlegung auch Vertreter des Hamburger Senats, der römisch-katholischen und der evangelischen Kirche, des Weltrats der Kirchen und viele Einwohner Hamburgs teil. Das Interesse an diesem ersten russischen Kirchenbau in Norddeutschland war enorm und schlug sich in zahlreichen Presseartikeln nieder, die bis zur Weihe der Kirche im Jahre 1965 immer wieder von den einzelnen Baufortschritten berichteten.
Natürlich überstieg dieser Neubau die finanziellen Kräfte der Gemeinde und wäre ohne fremde Hilfe nicht möglich geworden. Hier ist an erster Stelle die Hilfe der Stadt Hamburg zu erwähnen, die bei der Suche nach dem Grundstück half und eine großzügige Entschädigung für die Kirche am Harvestehuder Weg zahlte. Durch ein zinsloses Darlehen wurde dann die finanzielle Basis für den Neubau gesichert. Weitere Hilfe kam von der katholischen und evangelischen Kirche und dem Weltrat der Kirchen.
Der Entwurf und die Bauleitung lag bei den russischen Architekten Alexander Sergejewitsch Nürnberg und Lev Nikolajewitsch Serov. Sie wählten den strengen nordrussischen Stil (Novgorod-Pskov), der sich durch seine klare Fassadengestaltung und eine wuchtige, zentrale Kuppel auszeichnet. Die mit Hand geläuteten Glocken sind fest im Turm verankert. Die Klöppel werden gegen Glocke geschlagen, wobei das für russische Glockenspiele typische Geläut entsteht. Mit ihren goldenen dreibalkigen russischen Kreuzen, ihren tiefblauen Zwiebelkuppeln, russisch-grünen Glasurziegeln und weißen Kalkwänden, vermittelt diese Kirche einen Eindruck der traditionellen nordrussischen Kirchenbauweise. Weit über die Hansestadt Hamburg hinaus wurde diese Kirche aber auch zugleich ein Zeugnis russischer Kultur und des Schicksals des russischen Volkes in unserem Jahrhundert.
Das Innere der Kirche ist in byzantinischer Tradition mit Fresken ausgemalt, der Altarraum vom Kirchenraum durch eine Ikonostasis getrennt. Die Ausmalung der Kirche und der Ikonostasis ist die Arbeit von Baron Nikolaj Bogdanoviç Meyendorff, der bei dieser Arbeit von seiner Tochter unterstützt wurde. Die Ausmalung der Kirche dauerte mehr als 3 Jahre.
Im Anbau der Kirche befindet sich eine Wohnung für den Priester, ein Gemeindesaal, Gästeräume und die Verwaltung.
Die Weihe der neuen Kirche erfolgte im Jahre 1965. Sie wurde vom Oberhaupt der Russischen Kirche im Ausland, dem Metropoliten Filaret (Voznesenskij, gest. 1985) zusammen mit dem Leiter der deutschen Diözese, Erzbischof Alexander (Lovçij, gest. 1973), Erzbischof Filofej und zahlreichen Geistlichen vorgenommen.
Um diesen Gläubigen die Möglichkeit zum Besuch orthodoxer Gottesdienste zu geben, reifte Ende des 19. Jh. der Plan, in Hamburg eine orthodoxe Kirche zu bauen.
Besondere Erwähnung verdienen auch die Bemühungen der Hamburger Gemeinde bei der Pflege der deutschen Sprache im Gottesdienst. Das Interesse an der Orthodoxie war nicht zuletzt durch die Gründung der vielen russischen Gemeinden nach dem Kriege gewachsen. Eine Folge war u.a. auch die Zahl der steigenden Mischehen zwischen russischen und deutschen Partnern. So verwies bei einem Vortrag in der Hamburger Evangelischen Akademie Erzpriester Stefan Ljasevskij im Jahre 1950 auf "das kolossale Interesse unter Deutschen an der Orthodoxie", vor allem auf protestantischer Seite, speziell unter der protestantischen Geistlichkeit. So verwundert es auch nicht, daß Bischof Afanasij im Herbst 1949 die Gründung einer deutsch-orthodoxen Bruderschaft zu Ehren des Hl. Prokopius empfahl. Sie sollte sich um die Verbreitung orthodoxen Gedankenguts unter Deutschen kümmern und die Verbreitung von deutschsprachigem Schrifttum fördern. Bischof Afanasij wies in seinem Schreiben darauf hin, daß zur Gemeinde in Hamburg und in Lübeck eine "aktive Gruppe junger orthodoxer Deutscher gehöre, darunter mehrere Studenten". Einer dieser Studenten sei Ambrosius Backhaus, den Erzpriester Stefan Ljasevskij (Lübeck) als Priesterkandidaten empfehle. Wenige Monate später, im April 1950, erfolgte dann die Priesterweihe von Ambrosius Backhaus, der sich seit dieser Zeit besonders um deutschsprachige Gottesdienste und die Übersetzungen von liturgischen und sonstigen Texten ins Deutsche Verdienste erworben hat.
Dem deutschen Interesse an der Orthodoxie trug die Hamburger Gemeinde schon früh Rechnung, was dadurch unterstützt wurde, daß zur Geistlichkeit der Gemeinde in den 50er Jahren bereits zwei deutsche Priester gehörten: Priester Johann Holz und Ambrosius Backhaus. So gab es neben dem russischen auch immer einen deutschen Chor. Die gesangliche Qualität des deutschen Chors, dessen Leitung bei Gerasimec lag, wurde immer wieder gelobt. Die Zahl der orthodoxen Deutschen war nicht unbeträchtlich, so daß in Zeitungsberichten mehrmals von der "deutschen orthodoxen Kolonie" die Rede war. Die Notwendigkeit der deutschen Sprache für orthodoxe Gottesdienste wurde in den Vorträgen immer wieder betont, so hielt z.B. Priester Johann Holz Vorträge zur "Problematik und Notwendigkeit orthodoxer Liturgie in deutscher Sprache", Priester Anatol Dreving sprach über die "Bedeutung des deutsch-orthodoxen Kirchengesangs" und über die "Möglichkeiten deutsch-orthodoxer Chöre". Gottesdienste in deutscher Sprache zelebrierte Vater Ambrosius Backhaus. Seit Mitte der 60er Jahre war es in der Gemeinde üblich, daß einmal im Monat ein Gottesdienst in deutscher Sprache zelebriert wird. Heute sind die beiden Geistlichen in Hamburg Deutsche: Erzpriester Ambrosius Backhaus und Priester Benedikt Lohmann.