Verschiedenes 1989
Bote 1989-4
Aus dem Leben der Diözese
in memoriam
Jelena Vasiljevna Hansa
Wir, die Gläubigen der Kirche des Hl. Erzengels Michael in Ludwigsfeld, teilen in tiefer Trauer mit:
am 16./29. Mai verstarb um 12.00 Mittags nach langer schwerer Krankheit Jelena Vasiljevna Hansa im 91. Lebensjahr.
Der Trauergottesdienst und die Beerdigung fan-den am Freitag, den 2. Juni auf dem Münchner Westfriedhof statt. Den Gottesdienst zelebrierte Bischof Mark, assistiert von Abt Maxim (Prodanoviç) und Priester Anastasij Drekopf. Der Chor sang unter Leitung von V. V. Ciolkovitch, des Chorleiters der Hl. Nikolaus Kathedrale.
Jelena Vasiljevna wurde am 21. 5. 1898 in Konstantinovka, bei Poltava in der Ukraine geboren. Von Beruf war sie Lehrerin.
Nach dem Tod des allgemein beliebten Sergej Ivanoviç, des Mannes der vestorbenen Jelena Vasiljevna, übernahm sie an seiner Stelle das Amt des Kirchenältesten unserer Gemeinde. Das war noch in der hölzernen Barackenkirche zu Lebzeiten des Protopresbyters Vasilij Vinogradov. Damals arbeitete Jelena Vasiljevna als Sekretärin am Institut zur Erforschung der UdSSR. Obwohl sie von ihrer Arbeit ganz in Anspruch genommen war, opferte Jelena Vasiljevna viel Kraft, Mühe und vor allem Organisationstalent zum Dienst in der Kirche Christi und insbesondere unserer Gemeinde. Während ihrer Tätigkeit als Kirchenälteste wurde unsere steinerne Kirche in Ludwigsfeld gebaut.
Unser Patronatsfest, den Tag der Hl. Erzengels Michael, begingen wir immer feierlich: es zelebrier-te die hohe Geistlichkeit, und der manchmal aus unseren Gläubigen zusammengesetzte Chor sang unter der Leitung ihres Lieblings, des inzwischen ebenfalls verstorbenen, Viktor Drewing. Als ihre Kräfte nachließen und ihr Gesundheitszustand sich verschlechterte, legte sie 1983 ihr Amt als Kirchenälteste nieder.
Als aufrichtige orthodoxe Christin beichtete sie kurz vor ihrem Tode bei Vater Nikolai Artemoff und empfing aus seinen Händen die Heiligen Gaben. Am Tag vor ihrem Tod, einem Sonntag, las Bischof Mark nach der Göttlichen Liturgie an ihrem Krankenbett den Kanon zum Ausgang der Seele aus dem Körper. Jelena Vasiljevna hatte ein ruhiges Ende. Sie wurde gewaschen, gekämmt und in die von ihr selbst vorbereitete Kleidung gekleidet. Auf dem Totenlager sah Jelena Vasiljevna gebieterisch streng aus.
Ewiges Gedenken!
Z.M.R.
Bote 1989-4
Aus anderen Diözesen
Abschlußfeier des Heiligen-Dreifaltigkeits-Seminars 1988/89
Am 29. 5. (11. 6.), dem Sonntag zum Gedenken der Hll. Väter des Ersten Ökumenischen Konzils, fand die 41. Abschlußfeier des Heiligen Dreifaltigkeits-Seminars statt, zu welcher der Höchstgeweihte Metropolit Vitalij gerade noch rechtzeitig aus New York erscheinen konnte.
Nach einem Dankgottesdienst wurde der Fest-akt mit einer Begrüßungsansprache des Seminarrektors, des Höchstgeweihten Erzbischofs Laurus, eröffnet. Dabei erinnerte Erzbischof Laurus die Absolventen daran, daß der Umstand, demzufolge sie durch Gottes Vorsehung ihren Weg ins Priesterseminar gefunden hätten, sie dazu verpflichte, ihren künftigen Lebensweg mit dem einen oder anderen Amt in der Kirche zu vereinbaren. Das Seminar habe ihnen das geistliche Fundament gegeben, aufgrund welchem sie, dem Beispiel der Hll. Väter des Ersten Ökumenischen Konzils folgend, für die Wahrheit einstehen müßten. Somit hätten sowohl das Seminar, als auch das Kloster in Jordanville sich zum Ziel gesetzt, ihr geistliches Gedankengut mit dem rechtgläubigen Volk in Rußland und in der Diaspora zu teilen. Im Anschluß an den beeindruckenden Auftritt des Seminarchors unter der Leitung des Protodiakons Andrej Paprov, verlas der frischgebackene Dr. med. Andrej Holodny in seiner Eigenschaft als Gastredner die Festrede über die Rolle der orthodoxen Theologie im Lichte der russischen akademischen Tradition. Allerdings entspricht die Bezeichnung "Gast" nicht ganz den Tatsachen, da Dr. Holodny selbst als Fernstudent an unserem Seminar immatrikuliert ist und auch sonst ein beständiger und gerngesehener Teilnehmer am vielfältigen Programm der Seminar- und Klosteraktivitäten ist.
Der Höchstgeweihte Metropolit Vitalij beglückwünschte die Absolventen, wobei er die Hoffnung äußerte, daß sich die angehenden Pfarrer jederzeit der großen Verantwortung vor Gott für jene einzelne Gemeindemitglied bewußt sein mögen und hielt sie dazu an, unermüdlich dafür zu beten, daß niemals jemand ungetröstet das Gotteshaus verlassen möge. Unter den Gästen in der Aula war, wie jedes Jahr, Ihre Hoheit Großfürstin Vera Konstantinovna, welche die Auszeichnungen an die jeweiligen Kursbesten überreichte.
Besonders bedeutsam für die Abschlußfeier war die Anwesenheit eines Glaubensbekenners im Rußland der Gegenwart - Wladimir Stepanoviç Russaks. Sein Kampf dient allen Seminaristen als Vorbild, wie man die Worte Erzbischof Laurus' betreff des Einstehens für die Wahrheit in die Tat umsetzen kann. Nach I. W. Ogurtzow ist W. S. Russak schon der zweite bedeutende christliche Aktivist, welcher unsere Abschlußfeier in den letzten Jahren beiwohnte.
Dieses Jahr machten sechs Studenten ihren Abschluß: Diakon (inzw. Priester), Daniel McKenzie (USA), Subdiakon Georgij Lapardin, Lektor Vladimir Boykov (beide Australien), Lektor Mihail Rahr (Deutschland), Lektor Mihail Taratuchin (England) und Quentin de Castelbajac (Frankreich).
M. Rahr
Bote 1989-4
Unsere Kirche in der Heimat
Der Patriarch und der Leninismus
In der dritten Nummer des Journals des Mos-kauer Patriarchats dieses Jahres ist auf der zweiten Seite das Neujahrstelegramm des Patriarchen Pi-men an M. Gorbaçev veröffentlicht. Es hat ungeheuere Bedeutung.
In diesem und in seinem Telegramm an den Vorsitzenden des Rates für Religionsangelegenheiten Charçev wird die "Rückkehr zu den leninistischen Prinzipien der Beziehungen von Kirche und Staat" gefeiert. In dem Telegramm an Gorbaçev schreibt der Patriarch nach den Neujahrsgrüßen: "Wir bringen unsere tiefe Dankbarkeit zum Ausdruck für Ihre beständige Rücksicht auf die Gläubigen und deren Bedürfnisse und für alles, was Sie tun zur Wiederherstellung der leninistischen Normen für die Beziehungen zwischen Kirche und Staat ".
Aber worin bestehen nun die "leninistischen Normen" für die Beziehungen zwischen Kirche und Staat?
Es ist das Prinzip der völligen Rechtlosigkeit der Kirche, das im Leninschen Dekret vom 23. Januar 1918 und in anderen Dokumenten über die Beziehungen von Kirche und Staat verkündet wurde. Die grausamste Verfolgung von Glauben und Kirche geschah gerade im Namen des Grundsatzes dieser Leninschen Dekrete. Sie riefen sofort heftige Proteste und ein Anathema von seiten des heiligen Bekenners Patriarch Tichon, sowie des Allrussischen Konzils hervor. Schon bald nach Lenin fand Metropolit (in der Folge Patriarch) Sergij Mittel und Wege, um zwei Herren zu dienen: Gott und der Ihm feindlichen kommunistischen Macht. Auf diesem Weg wird jetzt der Atheist Lenin verherrlicht. Der Lobpreis seiner Normen klingt für den Christen genau so absurd, als wenn es jemand einfallen würde, die Prinzipien von Nero oder Diokletian über die Beziehungen zu den Christen im alten Rom zu preisen.
Es schien, daß die Verkündigung von Gorba-çevs "Perestrojka" neue Normen für die Definierung der rechtlichen Lage der Kirche hervorrufen würde. Aber leider brachte sie nicht mehr als einige administrative Lockerungen. Wir brauchen uns nicht besonders darüber zu wundern, denn wir wissen, daß diese Macht kommunistisch ist und bleibt.
Aber erstaunen muß uns, daß der Patriarch im Namen der Kirche seine Dankbarkeit für die Anwendung der leninistischen Normen in den Beziehungen zur Kirche zum Ausdruckt bringt. Bereits einer der Gründer der Erneuerungsbewegung na-mens Vvedenskij gab eine etwas genauere Definition des Wesens des Leninschen Dekretes: "Dieses Dekret entsprang den eigentlichen Grundprinzipien der Verfassung der RSFSR (Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik). Die sowjetische Organisation verläßt sich ausschließlich auf ihre menschlichen Kräfte: 'Laßt uns die Befreiung mit unseren eigenen Händen erringen': das ist der Triumph des Humanismus im eigentlichen Sinn des Wortes. Das menschliche Element wird dem göttlichen entgegengestellt. Der Mensch stürzt Gott." (A. Vvedenskij. Kirche und Staat).
Welch eine Verkehrung der Begriffe muß wohl im Patriarchen vorgegangen sein, daß er der sowjetischen Macht für die Wiederherstellung derartiger leninistischer Normen für die Beziehungen zwischen Kirche und Staat dankt?
Bischof Grigorij