Predigt zum 13. Herrentag nach Pfingsten (1 Kor. 16:13-24; Mt. 21:33-42) (03.09.2023)
Liebe Brüder und Schwestern,
das Gleichnis von den bösen Winzern bedarf, wie es so oft bei den Gleichnissen des Herrn ist, keiner grundsätzlichen Auslegung, denn es ist ersichtlich, dass der Herr Jesus Christus unter den mörderischen und raublustigen Winzern die Hohepriester und Pharisäer meinte, welchen Gott Seinen Weinberg – Israel – anvertraut hatte (s. Mt. 21:45). Und doch wird diese Perikope jedes Jahr in der Kirche vorgetragen und somit uns allen zur eingehenden Auseinandersetzung mit derselben angeboten. Die Rede ist ja eindeutig von denen, die Gottes geliebtes Volk behüten sollten. „Gedenke Deiner Schar, die Dir gehört von Anfang an!“ (Ps. 73:2). Doch nicht nur die Hirten tragen Verantwortung für die Herde Christi, auch die „Schafe Seiner Weide“ (s. Ps. 73:1) sind aufgerufen, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten um die Bewahrung dieses göttlichen Erbes zu kümmern, weshalb wir nun unseren Blick für die Details der uns angebotenen bildhaften Erzählung schärfen wollen. Wir wissen ja, dass Gott in Seinem „Eigentum“ nicht angenommen wurde (s. Joh. 1:11; vgl. Lk. 2:7). Warum? Wenn wir uns von der Allegorie zu den von ihr abgebildeten realen Gegebenheiten zuwenden, stellen wir fest, dass die Hohepriester und Pharisäer nicht etwa einem tragischen Irrtum erlegen waren, sondern sehr wohl wussten, wen sie dem Tod auslieferten (s. Mt. 21:38). Sie kannten ja die Schriften und sahen die Zeichen und Wundertaten, die der Herr vor ihren Augen gewirkt hatte. Vom Verstand her glaubten sie also bzw. hätten sie glauben müssen, aber da ihre Herzen verstockt waren, handelten sie entgegen der offensichtlichen Erkenntnis ihres Verstandes. Dadurch erfüllte sich aber Gottes Vorsehung in Bezug auf die Errettung der Heiden (s. Röm. 11:25-27) und wird in der unergründlichen „Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes“ (s. Röm. 11:33) letztlich auch zur Errettung von „ganz Israel“ (s. 11:26) führen.
Unsere Errettung durch den Herrn Jesus Christus entspricht einer Erwählung. Diese besteht darin, dass Gott uns Sein Vertrauen geschenkt hat, so wie Er den Winzern Seinen Weinberg anvertraut hatte. Wer ist nicht froh, wenn ihn sein Chef mit einer neuen, größeren Aufgabe betraut? Klar, infolge dieser Beförderung darf er dann auch auf eine Gehaltserhöhung hoffen, aber ebenso steigt auch die Verantwortung und die Haftung mit der Größe der Aufgabe.
Wir sind also berufen, dem Herrn Früchte in seinem Weinberg zu bringen, um nicht wie der fruchtlose Feigenbaum verflucht oder gefällt zu werden (s. Mt. 21:19, Mk. 11:14,20,21; Lk. 13:6-9). Hüten wir uns deshalb davor, die uns anvertrauten Gaben und Güter ausschließlich für zeitliche und irdische Zwecke zu verwenden. Der uns von Gott anvertraute unermessliche Reichtum darf nicht den Säuen vorgeworfen werden (s. Mt. 7:6), denn wenn das Seelenheil nicht unser Ziel ist, dann wird Gottes Weinberg der Zerstörung anheimfallen. Das lehrt uns die Geschichte Israels im Alten Bund, aber auch die neuere Geschichte der christlichen Königreiche, die alle nacheinander untergegangen sind bzw. von wilden Schweinen (s. Ps. 79:9-14) verwüstet worden sind.
Vorerst noch sind wir lediglich Pächter jener unvorstellbaren Gnadengaben des Weinbergs Christi, nicht deren Eigentümer. Wenn die von Gott bestimmte Zeit kommt, werden wir diese unaussprechlichen Güter jedoch als Erbteil in Besitz nehmen dürfen (s. Mt. 25:34; vgl. 1 Kor. 2:9). Wir dürfen und sollen das Haus Gottes ganz selbstverständlich als unser Haus (d.h. als unser wirkliches Zuhause) betrachten, jedoch nicht als unser Eigentum. Eigentümer ist allein unser Herr, vor Dem wir alle zu gegebener Zeit Rechenschaft ablegen werden. Wer sich im Hause seines Herrn aber gebärdet, als wäre er der Hausherr, der hat sein Recht auf das Erbe verwirkt. Möge das Beispiel der bösen Winzer uns als Abschreckung dienen (s. Mt. 21:41,44; vgl. Mt. 25:41)!
Der Herr Jesus Christus vergleicht Sich Selbst mit dem „Eckstein“ dieses Hauses Gottes (s. Mt. 21:42-43; vgl. Ps. 117:22-23). Ohne fachgerechte Grundsteinlegung ist der Hausbau komplett sinnlos (vgl. Ps. 126:1). Daher muss der Eckstein vollkommen gleichmäßig gemeißelt und perfekt geschliffen sein, sodass sich alle übrigen beim Hausbau verwendeten Steine nach ihm ausrichten können (s. 1 Petr. 2:5-6; vgl. Jes. 28:16). Wenn ein einziger Stein von der als Fundament gelegten Richtschnur abweicht, werden die Wände alle schief sein und das ganze Haus wird zur Bruchbude erklärt werden. Und das geschieht in den religiösen Gemeinschaften, die nicht auf dem „Fundament der Apostel und Propheten gebaut“ und deren „Schlussstein nicht Christus Jesus Selbst“ ist, denn nur „durch Ihn wird der ganze Bau zusammengehalten und wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn“. Und durch Ihn werden wir alle „im Geist zu einer Wohnung Gottes erbaut“ (Eph. 2:20-22). Also, wenn das keine wunderschöne Bestimmung ist, für die einen „Gottes Mitarbeiter“, für die anderen „Gottes Ackerfeld, Gottes Bau“ (1 Kor. 3:9) sein zu dürfen!..
Was erwartet der Herr demnach von den „anderen Winzern“, denen Er diesen Weinberg verpachtet hat, damit sie Ihm die Früchte abliefern, wenn die Zeit dazu gekommen ist (s. Mt. 21:40b)? Dazu folgendes Apostelwort: „Sorgt als Hirten für die euch anvertraute Herde Gottes, nicht aus Zwang, sondern freiwillig, wie Gott es will; auch nicht aus Gewinnsucht, sondern aus Neigung; seid nicht Beherrscher eurer Gemeinden, sondern Vorbilder für die Herde! Wenn dann der oberste Hirte erscheint, werdet ihr den nie verwelkenden Kranz der Herrlichkeit empfangen“ (1 Petr. 5:2-4). Für die Herde selbst gibt es aber auch eine Verpflichtung gegenüber dem „obersten Hirten“. „Wir aber, Dein Volk und die Schafe Deiner Weide, wollen Dich preisen in Ewigkeit, von Geschlecht zu Geschlecht verkünden Dein Lob“ (Ps. 78:13). Amen.