Predigt über den Gelähmten und seine vier Freunde (Mk 2, 1-12), 16.03.2025
Liebe Brüder und Schwestern,
das heutige Evangelium über den Gelähmten und seine vier Freunde kommt uns bestimmt sehr bekannt vor. Auch die Evangelisten Matthäus und Lukas berichten davon und so hören wir z.B. auch am sechsten Sonntag nach Pfingsten diesen Abschnitt aus dem Matthäusevangelium – doch da ist dieser nicht so detailreich, wie wir das heute gehört hatten.
Heute ist dieses Ereignis viel eindrucksvoller, weil im Markusevangelium dargestellt wird, welchen Aufwand die Freunde betrieben, damit der bettlägerige Kranke, der Gelähmte, wieder geheilt wird.
Durch die große Volksmenge, die sich im Haus versammelt hatte, war es unmöglich, auf direktem Wege den Kranken zu Jesus zu bringen. Jesus war nämlich nach Kapernaum gekommen, das sich knapp 40 km von Nazareth in sehr zentraler Lage am See Genezareth befand. Einige Historiker gehen davon aus, dass das Geschehen sich im Haus des Apostels Petrus ereignet hat.
Und dann geschah etwas unerhörtes. Die Freunde deckten das Strohdach des Hauses am See ab. Was mag wohl in dem Hausherrn vorgegangen sein, als dieser das bemerkte! Die Freunde hievten die schwere Trage nach oben, damit sie dann diese mit dem Kranken durch das Dach hindurch direkt vor Jesus‘ Füße zum Liegen brachten.
Zwei Eigenschaften dieser Vier sind bemerkenswert. Ihre tiefe Freundschaft zu den Gelähmten, die diese bei ihm weiterhin bleiben ließ und die ihn in seiner Lage nicht allein ließ und der Glaube an Christi, der es half, bildlich Berge zu versetzen und den Gelähmten alle Hindernisse überwindend zu Christi zu bringen.
Welch ein Unterschied zu einem anderen Ereignis, welches wir im Johannesevangelium im 5. Kapitel finden. Dort war ein Gelähmter am Teich Bethesda, der niemanden hatte, der ihm helfen könnte, während hier sich der Gelähmte auf seine vier Freunde verlassen konnte, die ihm beistanden und das richtige glaubten und taten.
Mir fallen in diesem Zusammenhang zwei interessante Vergleiche ein, die ich vor kurzen hörte.
Zum einen: Hat jemand von euch schon mal versucht, eine Möhre auszugraben und diese an anderer Stelle wieder einzupflanzen? Was war das Resultat? Die Möhrenpflanze ging ein. Warum ist das so gewesen, warum hat das Wurzelgemüse dieses nicht überstanden? Weil sich ursprünglich ein Netzwerk aus vielen kleinen Würzelchen, an Verbindungen mit dem Erdreich, der Umwelt bei der Pflanze herausgebildet hatte. Durch das Aus- und Eingraben wurde dieses zerstört und die Pflanze ging ein.
Auch für Menschen ist es lebenswichtig, dieses Netzwerk zu haben. Neben dem Glauben an Gott, der uns die Richtung gibt, ist es für unser Überleben in guten, aber vor allem auch in schlechten Zeiten lebenswichtig, ein Netzwerk aus Freunden zu haben, um schwierige Situationen zu überstehen.
Das ist natürlich heute nicht mehr ganz so einfach. Die Gesellschaft hat sich im Vergleich zu dem, was vor hundert, zweihundert Jahren noch der Fall war, massiv verändert. Ehemals kleinere dörfliche Gemeinschaften, in denen jeder jeden kannte, man voneinander abhängig war, aber man sich aufeinander verlassen konnte, sind zunehmend städtischem Umfeld gewichen. Die Menschen leben heute nur noch sehr selten in ihrem Heimatort, sondern sind durch Ausbildung, Studium, Beruf und letztendlich auch Familiengründung in anderen Regionen aus ihrem ursprünglichen Ort und dem dortigen Netzwerk herausgerissen. Man lebt zum Beispiel in Hochhäusern, in welcher teilweise eine Anzahl von Menschen untergebracht ist, die einer Ortschaft ebenbürtig ist, nur, mit dem Unterschied, dass es zwischen diesen Einwohnern quasi fast keinerlei persönliche oder andere Beziehung gibt. Wer kennt schon jemanden, der drei Eingänge weiter wohnt?
Was also tun?
Wir haben hier unser Netzwerk. Wenn wir nicht nur zum Gottesdienst kommen, sondern uns aktiv in das Gemeindeleben einbringen, dann entwickeln wir dieses. Jeder hat einen Beruf oder besondere Fähigkeiten, die er auch zum Nutzen anderer einsetzen kann. Dazu müssen wir uns aber für den Nächsten interessieren, mit ihm in Kontakt kommen. Dann bildet sich ein festes, belastungsfähiges Netz, eine Gemeinschaft heraus, die es den einzelnen ermöglicht, schwierige Situationen zu überstehen.
Das zweite Beispiel: Was passiert, wenn ich eine Apfelsine, eine Orange auspresse? Offensichtlich, es kommt kein Zitronensaft heraus, auch Apfelsaft ist nicht zu erwarten. Klar ist, dass Apfelsinensaft, Orangensaft aus ihr herauskommt.
Und das ist der zweite wichtige Punkt. Aus uns kommt, wenn die äußeren Bedingungen auf uns wirken, nur das heraus, was in unserem Wesen, in unserer Seele drin ist. Ist es Liebe, so wird diese hervortreten. Ist es dagegen Zorn, Schlechtigkeit, die sich in uns angesammelt haben, dann treten diese hervor.
Diesen zweiten Punkt sehen wir auch in der heutigen Lesung. Die Freunde waren vom Guten erfüllt, damit taten sie dann auch dieses. Die Schriftgelehrten hingegen waren Christus gegenüber negativ eingestellt und beschuldigten ihn, dass er Gotteslästerung mit seinen Reden und Taten vollziehen würde.
Doch Jesus brauchte mit ihnen nicht zu diskutieren. Nachdem er den Kranken seelisch heilte, indem er ihm die Sünden vergab, welche der Grund für seine Krankheit waren, folgte die allen Umstehenden offensichtliche körperliche Heilung, indem der vormals kranke Sünder aufstand, in Gegenwart aller sein Bett nahm „so dass alle außer sich gerieten und Gott verherrlichten und sagten: ‚Niemals haben wir so etwas gesehen.‘“
Was nehmen wir also heute aus der Lesung mit?
- Krankheiten können durch unseren eigenen Lebenswandel entstehen. Das ist im körperlichen offensichtlich, aber auch der geistige Zustand trägt dazu bei. Die Befreiung von unseren Sünden ist also die Grundlage, dass es uns besser geht.
- Ein Netzwerk mit Freunden, vor allem, die uns im Glauben nahestehen, ist ein wichtiges Fundament um Krisen meistern zu können.
- Damit von uns Gutes ausgeht, müssen wir auch vom Guten erfüllt sein – und zwar mit der Liebe zu Gott und den Nächsten.
Mögen wir insbesondere die folgenden Wochen der Großen Fastenzeit dazu nutzen, diese Punkte anzugehen.
Amen.